Innsbrucks Quanten-Nachwuchs erneut erfolgreich

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und FWF-Präsident Christoph Kratky gaben gestern in Wien die diesjährigen START-Preisträgerinnen und Preisträger bekannt. Von den ausgewählten Nachwuchswissenschaftlern stammen zwei Preisträger aus dem erfolgreichen Innsbrucker Quantenphysik-Schwerpunkt: Sebastian Diehl und Peter Rabl.
Sebastian Diehl: Quantenwelt und Vielteilchenphysik rücken näher zusammen
In ultrakalten Gasen treten erstaunliche makroskopische
Quanteneffekte auf, die aus dem kohärenten Zusammenspiel einer Vielzahl von
Atomen entstehen. Die Forschung konzentrierte sich bisher auf von ihrer
Umgebung vollständig isolierte Systeme im thermodynamischen Gleichgewicht. Jüngere
Entwicklungen beleuchten aber vermehrt Systeme, in denen zusätzlich zu den
kohärenten auch dissipative Effekte auftreten. Dissipation beschreibt in der
klassischen Physik beispielsweise den Übergang von Bewegungsenergie in Wärmeenergie
durch Reibung. Dabei wird der Grad der Unordnung im System erhöht,
typischerweise ein unerwünschter Effekt. Gerade in Quantensystemen können
dissipative Phänomene die fragilen Quantenkorrelationen leicht zerstören. Unter
bestimmten Umständen aber zeigt sich, dass dieser Effekt umgekehrt und sogar
zur wertvollen Ressource für die Erzeugung quantenmechanischer Korrelationen
werden kann.
Während die mikroskopische Physik dieser Systeme präzise
modelliert werden kann, fehlen derzeit noch effiziente theoretische Werkzeuge,
um aus dem mikroskopischen Modell quantitative Vorhersagen für die Makrophysik
abzuleiten. „Ich möchte die Gebiete der Quantenoptik und der Vielteilchenphysik
dazu näher verknüpfen“, sagt Sebastian Diehl. Ergänzend zu den theoretischen
Untersuchungen wird er auch praktische Vorschläge für neue Experimente
erarbeiten. „Mit diesen Untersuchungen wollen wir zum sich rapide entwickelnden
Feld der Vielteilchenphysik jenseits des thermodynamischen Gleichgewichts
beitragen“, sagt Diehl.
Sebastian Diehl, geboren 1979 in Ludwigshafen, Deutschland, studierte in Heidelberg Physik und schloss sein Doktoratsstudium 2006 ab. Danach kam er in die Forschungsgruppe um Prof. Peter Zoller an das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck.
Peter Rabl: Quantenphysik stößt in die Nanowelt vor
Peter Rabl beschäftigt sich mit neuen theoretischen Ansätzen zum besseren Verständnis der Physik von opto- und nanomechanischen Systemen im Quantenregime. Die rasanten experimentellen Fortschritte auf diesem Gebiet werden es in naher Zukunft ermöglichen, die Gesetze der Quantenmechanik auch anhand von makroskopischen Objekten zu studieren. Dazu analysiert Peter Rabl neue physikalische Effekte, die auf der Quantisierung der makroskopischen Bewegungsfreiheitsgrade basieren, wobei er sich hier sowohl für fundamentale Fragestellungen als auch für potentielle Anwendungen dieser System interessiert. „Um auch langfristige Perspektiven für dieses noch junge Forschungsgebiet zu eröffnen, untersuche ich anhand von konkreten physikalischen Implementierungen - zum Beispiel Fehlstellen in Diamantnanostrukturen - wie die Manipulation von markoskopischen Bewegungsfreiheitsgraden für die Verarbeitung von Quanteninformation oder zur Verbesserung von nanomechanischen Sensoren nutzbar gemacht werden könnte,“ sagt der Physiker.
Peter Rabl wurde 1978 in Bad Häring geboren und studierte Physik an der Universität Innsbruck, wo er 2006 auch promovierte. Bis 2007 war er Forschungsassistent am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI). Von 2007 bis 2010 forschte Rabl am Institute for Theoretical Atomic, Molecular and Optical Physics (ITAMP) des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge, USA. Seit Herbst 2010 forscht Peter Rabl wieder in der Arbeitsgruppe von Prof. Peter Zoller am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI).
Höchstdotierte Nachwuchsförderung in Österreich
Der START-Preis des österreichischen Wissenschaftsministeriums wird durch den österreichischen Wissenschaftsfonds FWF vergeben und stellt mit bis zu 200.000 Euro pro Jahr die höchstdotierte Förderung von Nachwuchsforscherinnen und -forschern in Österreich dar. Die Preisträger werden von einer internationalen Fachjury ausgewählt. Junge Forscherinnen und Forscher sollen aufgrund ihrer bisher geleisteten wissenschaftlichen Arbeit die Chance erhalten, in sechs Jahren finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungsarbeiten zu planen und eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. Nach drei Jahren haben sie sich einer Zwischenevaluierung zu stellen.