Paris bei Nacht
Paris – damals noch ohne Eiffelturm – war 1667 die erste europäische Stadt mit öffentlicher Beleuchtung. (Bild: Pixabay/cocoparisienne)

Die Nacht wird zum Tag

Die fast ständige Verfügbarkeit von Licht ist heute selbstverständlich. Überwachungsinstrument, Herrschaftsinszenierung, Werbemittel: Die Entwicklung von Licht seit der Neuzeit ist für den Westen gut erforscht. Nun sollen Lücken geschlossen werden. Wie sich die Beleuchtung des öffentlichen Raums historisch entwickelt hat, erforscht Ute Hasenöhrl.

In den Städten machen Straßenlaternen, Leuchtreklame und Schaufenster die Nacht zum Tag, in Haushalten sorgt der allgegenwärtige Lichtschalter für Helligkeit. Heute eine Selbstverständlichkeit – dabei ging die Einführung von Licht, besonders im öffentlichen Raum, nicht ohne Konflikte vonstatten, wie die Historikerin Dr. Ute Hasenöhrl erklärt: „Gutes und ausreichendes Licht war bis zur ‚Beleuchtungsrevolution’ des 19. Jahrhunderts ein Luxusprodukt, das den wohlhabenden Schichten sowie besonderen Anlässen vorbehalten war. Nur die wenigsten konnten sich helle, sauber brennende Kerzen aus Bienenwachs leisten, Ärmere waren auf offene Feuerstellen, Talg- oder Öllampen angewiesen, die oft geraucht und gestunken haben.“ Ute Hasenöhrl forscht derzeit zur Geschichte der Beleuchtung – und der Nacht – im ehemaligen British Empire. „Über Westeuropa und die USA wissen wir relativ viel, besonders über die größeren Städte – wenig bekannt ist dagegen über die Ausbreitung der Beleuchtung in anderen Weltgegenden und im ländlichen Raum.“

Straßenbeleuchtung

Licht auf Straßen und öffentlichen Plätzen ist kein Phänomen der Neuzeit: Schon aus der Antike sind Feuerstellen und Vorläufer von Laternen mit offenem Feuer bekannt. In der Neuzeit wird Straßenbeleuchtung zuerst als Überwachungsinstrument verwendet: „Der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. führte 1667 in Paris als erster europäischer Stadt eine öffentliche Beleuchtung ein, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen – und seine Untertanen besser überwachen zu können. Gerade den unteren Schichten nahm dies die Möglichkeit, im sprichwörtlichen Schutz der Dunkelheit ihren Geschäften nachzugehen.“ Die Wirkung war ambivalent: Die bessere Sichtbarkeit erhöhte zwar die Kontrollmöglichkeiten der Obrigkeiten, aber auch die Handlungsräume der Bürger – waren doch nun trotz Sperrstunde immer mehr Menschen des Nachts im Freien unterwegs.

Wurden für die öffentliche Beleuchtung lange Zeit Holz, Öle und Fette verwendet – darunter Walrat, dessen Verwendung fast zur Ausrottung des Pottwals geführt hätte – lösten ab den 1820ern Gaslampen diese älteren Beleuchtungsformen ab. „Grundsätzlich lässt sich für die meisten westlichen Städte sagen, dass die vornehmen Geschäfts- und Vergnügungsviertel als erstes beleuchtet wurden, etwas später kamen bürgerliche Wohngebiete und zum Schluss ländliche und ärmere Gegenden“, sagt Ute Hasenöhrl. Das macht den Zugang zu Licht im 19. und frühen 20. Jahrhundert zum Konfliktthema. Als ab den 1880ern elektrische Beleuchtung technisch umsetzbar wird, entstehen neue Konfliktlinien: Einerseits jene zwischen Gas- und Stromanbietern, die gegenseitig um öffentliche Aufträge stritten, andererseits gibt es Widerstand gegen das vermeintlich weniger schöne elektrische Licht. „Der schottische Dichter Robert Louis Stephenson beschreibt in dem Essay ‚A Plea for Gas Lamps’ 1881 das Licht der elektrischen Bogenlampen im Gegensatz zum Gaslicht als ‚alptraumhaft’.“ Besonders heftig wurde in den 1910er und 1920er Jahren die Leuchtreklame als „Verschandelung des Stadtbilds“ attackiert. „Derartige ästhetisch motivierte Proteste gab es immer wieder, Anfang des vergangenen Jahrhunderts führten sie, etwa in Berlin, zu ersten gesetzlichen Regelungen zum ‚Schutze des Stadtbilds vor Verunstaltungen’“, erzählt die Historikerin. Sehr aktuell ist die Diskussion um eine Begrenzung der Helligkeit und Lichtverschmutzung – unter anderem mit Tier- und Naturschutz als Auslöser, aber auch ausgehend von Astronomen, denen die Beobachtung des Sternenhimmels erschwert wird, wenn die Umgebung hell beleuchtet ist.

Kulturelle Bedeutung

„Gas- und elektrisches Licht ermöglichten die Ausweitung der Arbeitszeiten auf die dunklen Stunden des Tages, aber auch die Entstehung einer neuen nächtlichen Vergnügungskultur. Das elektrische Licht wurde geradezu zum Symbol der städtischen Moderne. In Religion, Kunst und Kultur spielte Licht von jeher eine wichtige Rolle. So gehörten Kirchen im Mittelalter zu den am hellsten beleuchteten Gebäuden – und der Kerzenschein versinnbildlichte die geistliche Erleuchtung. Auch bei politischen Inszenierungen, sei es am Hof Ludwigs XIV. oder auf den NS-Reichsparteitagen, wurde Licht als Herrschaftssymbol eingesetzt“, sagt Ute Hasenöhrl. Welche Rolle Licht in nicht-westlichen Kulturen spielt und wie die Diskussion um die Beleuchtung der Nacht dort vonstatten gegangen ist, sieht sich die Historikerin derzeit im Rahmen ihres Habilitationsprojektes „Empires of Light, Empires of Darkness: Technology, Politics and Culture in Colonial History“ anhand von ehemaligen britischen Kolonien an: Indien, den Sudan, die Goldküste (heute ein Teil Ghanas), Kanada sowie Trinidad und Tobago. „Mich interessieren dabei mehrere Aspekte: Wann und wo wurden neue Beleuchtungstechniken eingeführt, wer war daran beteiligt, welche Absichten verfolgte man – und wer hatte überhaupt Zugang zu künstlichem Licht? Die Kolonisten oder auch die einheimische Bevölkerung? Und wie veränderte die neue Helligkeit das Alltags- und Nachtleben in unterschiedlichen Kulturen?“

Zur Person

Dr. Ute Hasenöhrl (*1974 in Bayreuth, Deutschland) ist seit 2015 Universitätsassistentin am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie. 2008 promovierte sie im Fach Geschichte an der Freien Universität Berlin zu „Zivilgesellschaft und Protest. Eine Geschichte der bayerischen Naturschutz- und Umweltbewegung, 1945-80“. 2008 bis 2013 war sie Post-Doc am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner. Dort war sie unter anderem am vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbund „Verlust der Nacht. Ursachen und Folgen künstlicher Beleuchtung für Umwelt, Natur und Mensch“ beteiligt. Hasenöhrls Forschungsschwerpunkte liegen in der Naturschutz- und Umweltgeschichte, der Kolonialgeschichte des British Empire, der Technik- und Alltagsgeschichte; außerdem forscht sie zu sozialen Bewegungen und Zivilgesellschaft, Institutionen, Governance und Gemeinschaftsgüter, in der Kulturlandschaftsforschung und zur Beleuchtungs- und Energiegeschichte.

Dieser Artikel ist in der Februar-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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