Politische Philosophie vs. Politische Theologie?
Die Frage der Gewalt im Spannungsfeld von Politik und Religion

Fachtagung der ARGE "Politik - Religion - Gewalt" der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und der Forschungsplattform "Weltordnung - Religion - Gewalt"
11.-13. Juni 2009 (Universität Innsbruck)

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Der amerikanische Essayist und Spezialist für europäische Ideengeschichte Mark Lilla hat in einem interessanten und bereits viel diskutierten Buch The Stillborn God: Religion, Politics, and the Modern West (2007) die westliche Moderne als eine Welt charakterisiert, in der die Politische Theologie durch die Politische Philosophie ersetzt wurde. Mit „Politischer Theologie" bezeichnet Lilla dabei Lehren, die die Ausübung politischer Autorität aus einer religiösen Offenbarung ableiten, während sich die „Politische Philosophie" auf die Möglichkeiten menschlicher Vernunft beschränkt. Am Beginn der modernen westlichen Welt stehe die von Hobbes, Locke und Hume entwickelte Wende von der politischen Theologie zur politischen Philosophie, die Lilla als „Great Separation" bezeichnet. Diese Trennung von Politik und Theologie sei die notwendige Antwort auf die Religionskriege des 17. Jahrhunderts gewesen. Viele Gewaltexzesse dieser Zeit könnten nur erklärt werden, wenn sie als Folge von Kämpfen verstanden würden, die theologische und religiöse Fragen ins Zentrum rückten.
In einem weiteren Schritt zeigt Lilla aber auch auf, dass die grundlegende Trennung - im Gefolge von Rousseau, Kant und Hegel - im Deutschland des 19. Jahrhunderts zu liberalen politischen Theologien führte (Harnack, Troeltsch, Cohen), deren Gott eine „Totgeburt" („stillborn God") blieb, die den religiösen Erwartungen der Menschen in der Krise nach dem Ersten Weltkrieg nicht gerecht wurde. Am Beispiel von Protestantismus und Judentum zeigt Lilla wie in Karl Barth und Franz Rosenzweig der theologische Protest gegen die liberale Theologie erwachte. Verschiedenste Formen von politischen Theologien gewannen in dieser Zeit wieder an Bedeutung, die sich politisch sehr unterschiedlich ausrichteten. Im Protestantismus Deutschlands steht Paul Tillich für die Entscheidung zum religiösen Sozialismus, während sein Freund Emanuel Hirsch sich dem Nationalsozialismus zuwandte. Ähnlich wie Hirsch entschied sich auch Friedrich Gogarten für den Nationalsozialismus. Im Gefolge des jüdischen Messianismus steht dagegen Ernst Blochs Entscheidung für den Kommunismus.
Lillas Essay berührt sich auf interessante Weise mit den Arbeiten des deutschen Philosophen Heinrich Meier, der im Blick auf Leo Strauss und Carl Schmitt eine ähnliche Unterscheidung von Politischer Philosophie und Politischer Theologie vornahm. Während Lilla sich auf protestantische und jüdische Autoren beschränkte und katholische Autoren bewusst unberücksichtigt ließ, rückt Meier mit Schmitt einen katholischen Vertreter der Politischen Theologie ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Ziel der Fachtagung ist die kritische Diskussion der Thesen von Lilla und Meier im Blick auf die aktuelle Diskussion über die Rückkehr des Religiösen in die Politik, besonders auch im Blick auf den Islam, den Lilla im Nachwort zur Taschenbuchausgabe von 2008 erwähnt.
Systematisch sollen die Konzeptionen Politische Theologie und Politische Philosophie hinsichtlich des Problems der Gewalt, wie es sich seit der Zeit der Religionskriege und besonders in unserer Gegenwart stellt, untersucht werden. Dabei geht es vor allem auch um die Prüfung der These, inwiefern sich die westliche Moderne tatsächlich durch die Ablösung der Politischen Theologie durch die Politische Philosophie kennzeichnen lässt, sowie um die noch grundsätzlichere Frage, ob eine Absage an Politische Theologien überhaupt möglich ist.
Aus historischer Sicht soll die Frage diskutiert werden, wie sich die Konzeption der „Politischen Religionen" gegenüber der systematischen Unterscheidung von Politischer Theologie und Politischer Philosophie verhält. Wie lassen sich die Entstehung der totalitären politischen Religionen von Nationalsozialismus und Marxismus-Leninismus im Blick auf die These von der „Great Separation" verstehen. Als konkretes historisches Beispiel soll außerdem auch die Entstehung des „Religiösen Sozialismus" in Österreich diskutiert werden.

Anmeldungen bitte bis zum 11. Mai 2009:
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Die Fachtagung "Politische Philosophie vs. Politische Theologie?", getragen von der Arbeitsgemeinschaft Politik – Religion – Gewalt der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und der Forschungsplattform Weltordnung – Religion – Gewalt, ist die vierte einer Reihe von Tagungen, die sich der interdisziplinären Diskussion und kritischen Befragung verschiedener Rahmentheorien zum Verhältnis von Politik, Religion und Gewalt widmen.
  • 2006: PARADISE NOW!? Politik - Religion - Gewalt im Spiegel des Films
  • 2007: Westliche Moderne, Christentum und Islam. Gewalt als Anfrage an monotheistische Religionen
  • 2008: Politik, Religion, Markt: Die Rückkehr der Religion als Anfrage an den politisch-philosophischen Diskurs der Moderne
  • 2009: Politische Philosophie vs. Politische Theologie? Die Frage der Gewalt im Spannungsfeld von Politik und Religion
  • 2010: Kulturanthropologische Voraussetzungen von Politik, Religion, Gewalt
  • 2011: Politikverständnis staatlich anerkannter Religionen in Europa
  • 2012: Resümee und Ausblick

Tagungskonzeption

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver (Universität Innsbruck)
em. Univ.-Prof. Dr. Kurt Salamun (Universität Graz)
Wiss.-Mit. Dr. Andreas Oberprantacher
Ass.-Prof. Dr. Dietmar Regensburger
Wiss.-Mit. Dr. Kristina Stöckl
Mag. Marco Russo

Organisation

Dr. Dietmar Regensburger
Dr. Kristina Stöckl
Mag. Mathias Moosbrugger

Anmeldung und Kontakt

Sekretariat des Instituts für Systematische Theologie, Frau Maria Hahnen, Tel. +43 (0)512 507 8581

e-mail: Mathias.Moosbrugger@student.uibk.ac.at

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