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Wenn Moral nicht wirkt, hilft Strafe

Wie bringt man Menschen dazu, sich an ethischen Normen zu orientieren? Innsbrucker Ökonomen haben verschiedene mögliche Maßnahmen experimentell untersucht und kommen zu dem Ergebnis, dass Aufklärung gar nicht, aber monetäre Strafandrohung wirkt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Management Science veröffentlicht.


„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ So brachte Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper die Schwierigkeiten bei der Einhaltung von gesellschaftlichen Regeln und Prinzipien auf den Punkt: Sie werden gerne unterlaufen oder gar ignoriert. In einem Experiment mit über 700 Studierenden haben Ökonomen der Universität Innsbruck untersucht, mit welchen Maßnahmen moralisches Verhalten gefördert werden kann. Die Versuchspersonen erhielten einen Geldbetrag und konnten entscheiden, ob sie das Geld der UNICEF für Masernimpfstoffe spenden oder es selbst behalten. „Die Studierenden erhielten reale Geldbeträge und die Spenden gingen auch tatsächlich an die UNICEF“, betont Michael Kirchler, Erstautor der Studie. „Alle Probanden haben von uns später auch die Spendenquittungen erhalten.“ Die Ökonomen Michael Kirchler, Jürgen Huber, Matthias Stefan und Matthias Sutter untersuchten drei mögliche Szenarien zur Unterstützung des moralischen Verhaltens: Aufklärung durch einen Arzt, die Aufhebung der Anonymität sowie eine monetäre Bestrafung von unmoralischem Verhalten.

Strafandrohung wirkt

Im ersten Fall klärte ein Experte der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ die Studienteilnehmer zu Beginn zehn Minuten lang über die drastischen Folgen von Masernepidemien und die Wirkung von Impfaktionen auf. „Erstaunlicherweise zeigt diese Maßnahme keine Wirkung“, resümiert Michael Kirchler. „Die Teilnehmer spendeten die gleichen Beträge, ob sie zuvor aufgeklärt wurden oder nicht.“ Dabei spielte es auch keine Rolle, ob sie einzeln über ihre Spendenbereitschaft entschieden oder in einem Marktumfeld die Spendenbeträge mit anderen aushandelten. Sehr wohl Wirkung zeigt die potenzielle monetäre Bestrafung von geringer Spendenbereitschaft und somit von unmoralischem Verhalten. In diesem Szenario nahmen weitere Personen an dem Experiment teil. Diese konnten die anderen Teilnehmer finanziell bestrafen, wenn sie unmoralisch handelten, mussten dafür aber auch einen Anteil ihres Startguthabens abgeben. „Wir spielten alle Szenarien mit jeder Gruppe zehn Mal durch“, erzählt Kirchler. „So konnten die Teilnehmer ihr Verhalten auch der Situation anpassen. Und es zeigte sich, dass durch die Möglichkeit der finanziellen Bestrafung die Spendenbereitschaft deutlich anstieg. Bereits in der ersten Entscheidung zeigte sich moralischeres Verhalten, da die Probanden die Gefahr der Bestrafung in die Entscheidung integrierten.“ Unterschiedlich reagierten die Versuchspersonen, wenn sie nicht mehr anonym agieren konnten: „Wenn Personen allein entscheiden müssen, zeigt diese Maßnahmen durchaus Wirkung“, so Ökonom Kirchler. „Im Marktumfeld hingegen macht die Aufhebung der Anonymität keinen Unterschied. Wir führen dies darauf zurück, dass die Verantwortung für die Entscheidung hier auf beide Handelspartner aufgeteilt ist.“

Compliance verbessern

Die Wissenschaftler schließen aus den Ergebnissen, dass extrinsische Anreize stärker wirken als intrinsische. „Wir haben in dieser Studie den Einfluss von zwei sehr unterschiedlichen institutionellen Szenarien auf das moralische Verhalten des Menschen untersucht: individuelle und marktgetriebene Entscheidungen“, erklärt START-Preisträger Michael Kirchler. „Die Ergebnisse können helfen, Regeln für die Einhaltung von ethischen Normen und Standards sowohl in der Gesellschaft als auch in Unternehmen zu optimieren.“

 

Die Studie wurde vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und aus dem Jubiläumsfonds der österreichischen Nationalbank finanziell unterstützt und vor kurzem in der Fachzeitschrift Management Science veröffentlicht.

 

 

Publikation: Market Design and Moral Behavior. Michael Kirchler, Jürgen Huber, Matthias Stefan und Matthias Sutter. Management Science 62(9):2615-2625. http://dx.doi.org/10.1287/mnsc.2015.2246

 

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