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SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 17
Das Erbrecht für das Studium fasslich, dh nicht in allen Details, aber doch vertretbar unvollständig zusammenzufassen, ist Ziel dieses Kapitels. Dabei auch die Rechtsgeschichte und die Rechtstatsachen zu berücksichtigen erschien mir wichtig. – Pkt A. geht auf allgemeine Fragen des Erbrechts und seiner Entwicklung ein; zB Erbrecht und Gesellschaft oder Funktionsverlust des Erbrechts. Die folgenden Punkte B.–H. behandeln die zentralen erbrechtlichen Fragen, nämlich: Testament, gesetzliche Erbfolge, Pflichtteilsrecht, Erbvertrag, Erbenhaftung und das Verlassenschaftsverfahren. – Pkt I. schließlich skizziert wegen seiner Bedeutung für das Privatrecht das gerne übersehene Personenstandsrecht, mag dieses auch dem öffentlichen Recht angehören.
Überblick
A. Erbrecht
Literaturquelle
I. Allgemeines
Das menschliche Leben ist endlich. Wir alle sind mit dem Tode konfrontiert: Media in vita mortus sumus. – Die menschliche Fortpflanzung ermöglicht es jedoch, durch das Erzeugen von Nachkommenschaft dem Tode in gewisser Weise zu trotzen und wenigstens an einer generativen Unsterblichkeit teilzuhaben. Wir geben dabei, wie Platon es so schön ausgedrückt hat, „wie eine Fackel das Leben vom einen zum andern weiter”; Nomoi 776 b. – Das Erbrecht geht von dieser unleugbaren Lebenstatsache aus und leistet einen Beitrag zur Todesbewältigung für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft. – Dies festzuhalten erscheint nicht überflüssig, zumal das Zivilrecht Gefahr läuft, ob seiner vielen Details, das Grundsätzliche aus dem Blick zu verlieren, gleichsam den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen.
Platons Vergleich
Laut Statistik sterben jährlich immer weniger Menschen. Trotz wachsender Bevölkerungszahlen nimmt die Sterblichkeit in Österreich stark ab. 1996 starben in Österreich 80.790 Personen, das sind um 0,5 Prozent weniger als 1995 und um 7,2 Prozent weniger als vor 10 Jahren. – Im Gegensatz dazu stieg die Bevölkerungszahl von 1986 bis 1996 um 6,2 Prozent von 7,59 Millionen auf 8,06 Millionen Einwohner. Die Menschen in Österreich werden älter: 1986 lag die Lebenserwartung der Frauen bei 77,7, die der Männer bei 70,9 Jahren; 1996 waren es 80,2 und 73,7 Jahre. Heute liegt die Lebenserwartung bei 82 (Frauen) und etwa 77 Jahren für Männer mit weiterhin steigender Tendenz. – Einen Beitrag zu dieser Entwicklung liefern auch die Zahlen zur Unfallstatistik, die in den letzten 10 Jahren um 34 Prozent abnahmen; die Mortalität nach Verkehrsunfällen ging um 37, die nach sonstigen Unfällen um 32 Prozent zurück.
Statistik
„Lag das durchschnittliche Sterbealter vor drei oder vier Jahrhunderten rein rechnerisch bei etwa 25, 30 Jahren, so liegt es heute bei rund 75. Umgangssprachlich wird dies meist so ausgedrückt, dass sich unsere Lebenserwartung in diesem Zeitraum verdreifacht habe. Oder anders, augenöffnender ausgedrückt: Jeder von uns hat im Vergleich zu unseren Vorfahren drei Leben zu leben.” – Arthur E. Imhof, „Sis Humilis!” – Die Kunst des Lebens als Grundlage für ein besseres Sterben (1992).
1. Erbrecht und Gesellschaft
Das Erbrecht der §§ 531 ff ABGB dient vornehmlich dem Vermögensübergang von Verstorbenen auf ihre Rechtsnachfolger; üblicherweise von den Eltern auf ihre Kinder, allenfalls Kindeskinder und – immer mehr – die Ehegatten und andere nahestehende Personen.
Aufgabe des Erbrechts
Das Erbrecht ist eingebettet in das – auch rechtliche – Spannungsverhältnis des Generationenwechsels, wobei Klan- und Familieneigentum ursprünglich nicht dem Erbgang unterlagen, da diese Gruppen „unsterblich” waren. Im Laufe der Jahrtausende ist aber das, was vererbt werden kann, immer „mehr” geworden. – Bei Naturvölkern steht zunächst nur die Vererbung von Fahrnis im Vordergrund, Liegenschaften spielen keine Rolle, sie stehen im Familien-, Clan- oder Volkseigentum; zB dem griechischen Oikos oder der römischen familia. Aber sehr lange teilte auch der Großteil beweglicher Güter das Schicksal des/r Verstorbenen und wurde mit ihm/r begraben, verbrannt oder ins Wasser versenkt. Was dem/r Toten nicht mitgegeben wird, gelangt aber allmählich nach gewisser Zeit zur Verteilung an die Familienmitglieder, worin die Keimzelle des späteren Erbrechts erblickt werden kann. – Ein altes Rechtssprichwort veranschaulicht das: Das Gut rinnt wie das Blut.
Generationenwechsel
Dazu und zu weiteren Entwicklungen: Thurnwald, Die menschliche Gesellschaft, Bd V (1934). – Manches von dem, was erbrechtlich weitergereicht wird, gehört weder in die Kategorie der entgeltlichen, noch in die der unentgeltlichen Geschäfte, sondern in die von Gschnitzer „entdeckte” dritte Kategorie der entgeltfremden Leistungen; dazu → KAPITEL 5: Einteilung nach der Wirkung des Rechtsgeschäfts.
Voraussetzung der Entwicklung des Erbrechts war es ferner, dass sich der/die Einzelne, das Individuum (eine Übersetzung des griechischen átomos) aus seinen vielfältigen familiär-gentilizischen Verstrickungen lösen musste, um überhaupt zum Träger subjektiver (Erb)Rechte werden zu können.
Individuum
Das Erbrecht setzt zudem (Individual)Eigentum, also Privateigentum voraus. – Wo kein Eigentum, da kein Erbrecht! Es gibt dann eben nichts zu vererben. Zu den historischen Entwicklungsstufen des Eigentums, dessen Entwicklung vom Erbrecht vorausgesetzt wird → KAPITEL 8: Vom Gemeinschafts- zum Individualeigentum.
(Individual)Eigentum
Das Erbrecht kommt aber auch – freilich in eingeschränkter Weise – dem Wunsch der Menschen nach Unsterblichkeit oder doch einem gewissen Überschreiten der Grenze des Todes entgegen. – Während der Volksmund sprichwörtlich anschaulich formuliert: „Das letzte Hemd hat keine Taschen” und damit meint, dass man – auch wenn man noch so reich gewesen sein sollte – in den Tod nichts mitnehmen kann, schlägt das Erbrecht dieser Einsicht wenigstens insofern ein Schnippchen, als es zumindest ermöglicht, das eigene Vermögen an zurückbleibende, noch lebende Personen weiterzureichen und auf diese Weise faktisch und gedanklich in Erinnerung zu bleiben, also weiter zu leben. Vgl dazu das diesem Kapitel vorangestellte Motto von Egon Weiss.
Unsterblichkeit
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2. „Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung”
Schon Eduard Gans, der tapfere Antipode Savignys, stellte in seinem gleichnamigen Werk (I S. XXXIII von 1824) fest:
Eduard Gans
„Das Erbrecht eines Volkes kann daher nur begriffen werden im Zusammenhang mit dem gesamten Familienrecht.”
Gans geht daher idF darauf ein, „wie sich die verschiedenen Momente des Familienverhältnisses bei jedem Volke zum Erbrecht verhalten, als auch wie sich die Forderung der individuellen Willkür zu dieser Berechtigung stellt.” – Das Erbrecht deutet aber auch auf die Richtigkeit jener von anderen Disziplinen – etwa der Soziologie oder der Alten Geschichte – vertretenen Auffassung vom Tod als „Kultur-Generator” hin; J. Assmann, Der Tod als Thema der Kulturtheorie (es 2157, 2000):
Tod als „Kultur-Generator“
„Der Tod oder, besser, das Wissen um unsere Sterblichkeit ist ein Kultur-Generator ersten Ranges. Ein wichtiger Teil unseres Handelns, und gerade der kulturell relevante teil, Kunst, Wissenschaft, Philosophie, Wohltätigkeit, [Recht!] entspringt [auch?] dem Unsterblichkeitstrieb, dem Trieb, die Grenzen des Ich und der Lebenszeit zu transzendieren.”
Vgl auch Z. Baumann, Tod, Unsterblichkeit und andere Lebensstrategien (Frankfurt / Main, 1994).
Das Erbrecht dient also seit alters her – was nicht vergessen werden darf, auch der Fortsetzung/dem Weiterleben der Person des/r Erblassers/in durch Erhaltung der Familie, des Namens, des guten Rufes, der bona fama defuncti → KAPITEL 4: Sog postmortale Persönlichkeitsrechte. Und – was früher noch wichtiger war als heute – dem religiösen Ahnenkult. Auch das unterstreicht die Richtigkeit von Gschnitzers Annahme der Existenz einer eigenen Kategorie entgeltfremder Geschäfte, neben den entgeltlichen und unentgeltlichen; dazu → KAPITEL 5: Einteilung nach der Wirkung des Rechtsgeschäfts.
Weiterleben des Erblassers
Das Erbrecht betont zudem die Kontinuität dessen, was vom Erblasser auf die Erben übertragen werden kann. Das betrifft vornehmlich private Vermögenswerte, aber auch das (mittelalterliche) Staatsrecht bediente sich dieses Gedankens; vgl das französische Rechtssprichwort: Le roi est mort, vive le roi! Dadurch sollte die Kontinuität der Herrschaft und die Nachfolge in die Königswürde – vergleichbar dem Erbgang – betont werden. Das Sprichwort wurde von einem Herold ausgerufen, der den Tod des alten und die Thronfolge des neuen Königs verkündete. – Das Erbrecht dient somit auch der gesellschaftlich-rechtlichen Kontinuität. – Übrigens: Dem Wunsch nach Unsterblichkeit und Überwindung des Todes dienen auch noch andere Rechtseinrichtungen; man denke nur an die juristische Person (→ KAPITEL 4: Die juristische Person ) oder den postmortalen Persönlichkeitsschutz.
Erbrecht dient auch gesellschaftlich-rechtlicher Kontinuität
Dennoch: Die Tatsache des Todes wird gerne geleugnet oder verdrängt. Und doch entgeht ihm niemand. Sophokles lässt in „Elektra” die Chorführerin sagen (Verse 1171-1174):
„Von einem Sterblichen stammst du, Elektra! Bedenke es! Und sterblich war Orest! Drum klage nicht zu sehr! Uns allen wird abgefordert, daß wir dies erleiden.”
Dass (bisher) nur in einem Viertel aller Erbfälle ein Testament vorliegt, gehört wohl auch hierher; dazu gleich: „ Rechtstatsächliches zum Erbrecht”. – Im Gegensatz zur gesetzlichen Erbfolge setzt nämlich das Testament eine bewusste(re) Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod voraus. – Ob das auch heute noch gilt, wissen wir nicht. Eine Wiederholung der Untersuchung von J. Fedynskyj wäre interessant und wichtig und ist eigentlich überfällig. Es könnte nämlich sein, dass der Umstand, dass es wesentlich mehr als früher zu vererben gibt, dazu geführt hat/führt, häufiger zu testieren.
Rechtstatsächliches zum Erbrecht


In aller Kürze: „Rechtstatsächliches zum Erbrecht”


Nach Jurij Fedynskyj
• Nur ein Viertel aller Erblasser testiert
Drei Viertel aller Erbfälle folgen der gesetzlichen Erbfolge
70 % aller Testamente sind eigenhändige Testamente; § 578 ABGB
10 % aller Testamente sind ungültig, darunter fast alle in Krankenanstalten etc errichteten
• Der Großteil der Testamente sind sog Verteilungstestamente
Drei Viertel aller Erbfälle werden armutshalber abgetan.
Literaturquelle


Mehr zu den Rechtstatsachen
des Erbrechts – Folien von F.J. Giesinger
Abbildung .1:
Mehr zu den Rechtstatsachen des Erbrechts – Folien von F.J. Giesinger
Die konkrete Ausgestaltung des Erbrechts in einer Rechtsordnung gewährt demnach Einblicke nicht nur in das Rechtssystem, sondern auch die Gesellschaftsordnung eines Gemeinwesens, den Charakter eines Volkes. Die Pole erbrechtlicher Positionen liegen dabei zwischen weitgehender Freiheit – repräsentiert durch die Testierfreiheit – und starker Bindung / Einschränkung der Verfügungen von Todes wegen; repräsentiert durch das gesetzliche Erbrecht und insbesondere das Pflichtteilsrecht. – In der Rechtsgeschichte sind Gesetzgeber mit diesen erbrechtlichen Steuerungsmitteln sehr unterschiedlich umgegangen und das Erbrecht war immer wieder auch Schauplatz ideologischer Auseinandersetzung.
Erbrecht, Rechtssystem, GesellschaftsO
Zur Ausgestaltung der Erbschaftssteuer → KAPITEL 5: Die Erbschafts- und Schenkungssteuer (ErbSt) und → KAPITEL 3: Die Schenkungssteuer: Schenkung (am Ende). Die Steuerschuld entsteht bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers; jedoch zahlreiche Ausnahmen nach § 12 Abs 1 Z 1 Erbschafts- und SchenkungssteuerG.
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3. Zum Funktionsverlust des Erbrechts
Zum Funktionsverlust des Erbrechts als Institution und der Tendenz zu lebzeitig vorweggenommener Erbfolge: Eccher (1980). – Bedeutung besaß und besitzt immer noch die sog vorweggenommene Erbfolge / successio antecipata für den bäuerlich-landwirtschaftlichen, aber auch den gewerblich-industriellen Sektor, überhaupt den unternehmerischen Bereich. Diese „Bereiche” wollen oder müssen die anstehenden Fragen der Vermögens- und Unternehmensweitergabe schon zu Lebzeiten geregelt wissen und können sie nicht erst der Zeit nach dem Tode überlassen. Unternehmensführung braucht Kontinuität. Die Abgabe von (Entscheidungs)Macht fällt aber vielen schwer und so wird der richtige Zeitpunkt immer wieder versäumt. – Zu dieser Entwicklung trägt wohl auch die weiterhin zunehmende Lebenserwartung der Menschen bei. Das rechtliche Instrument für sinnvolle und zeitgerechte Nachfolgeregelungen ist der Übergabsvertrag.
Successio antecipata
Bis zum Jahr 2010 werden in Österreich um die 50.000 Unternehmer ihre Firma an Nachfolger übergeben; etwa der Hälfte davon fehlt ein Nachfolger aus der eigenen Familie. Zahlreiche Unternehmen gehen jedes Jahr nur deshalb „unter”, weil eine rechtzeitige Betriebsübergabe verabsäumt wird. Dadurch gehen jährlich auch tausende Arbeitsplätze verloren. – Wichtig erscheint dabei immer wieder auch die Suche nach der richtigen Rechtsform der (rechtsgeschäftlichen) Übernahme und daneben des fortzuführenden Unternehmens: Einerseits zB Kauf, Leibrentenvertrag, Pacht, Franchisevertrag, Schenkung oder Erbgang; andrerseits: bspw Einzelunternehmen, GesbR, Personengesellschaft (OHG, KG, OEG, KEG oder GmbH & Co KG) oder GmbH. Bei der Wahl dieser Rechtsform ist zu beachten, dass für sie eine Fixkörperschaftssteuer von 34 Prozent besteht, was bei niedrigen Gewinnen ein Nachteil, bei hohen von Vorteil ist. Zudem hat jede GmbH jährlich eine Mindestkörperschaftssteuer zu bezahlen; auch bei Verlusten. Zur Bedeutung von Steuern, Abgaben und Gebühren für das Vertragsrecht → KAPITEL 5: Steuern. – Zur Unternehmensübernahme (§ 1409 ABGB) → KAPITEL 14: Vermögens- oder Unternehmensübernahme.
Betriebsübergabe
Literaturquelle
Der folgende kurze Einstieg ins Erbrecht will eine erste Bekanntschaft mit dieser Materie vermitteln. – Die Ausgestaltung des österreichischen Erbrechts weist aber, verglichen mit einigen unserer Nachbarstaaten, Besonderheiten auf. Zu nennen ist hier vor allem das „Austriacum” der gerichtlichen Einweisung ins Erbe, das sog Verlassenschaftsverfahren, das sich von der schweizerischen oder deutschen Regelung grundlegend unterscheidet; dazu → Einweisung in die Erbschaft – Das Verlassenschaftsverfahren Es stammt aus dem antiken Griechenland.
Kurzer Einstieg ins Erbrecht
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II. Definitionen – Unterscheidungen
1. Erbrecht im objektiven und im subjektiven Sinn
Das Erbrecht im objektiven Sinn regelt die Nachfolge in die privaten Rechte und Pflichten eines Verstorbenen = ErblasserIn. Davon ist der subjektive Rechtsanspruch erbrechtlich Berechtigter zu unterscheiden; Erbrecht im subjektiven Sinn.
Das hinterlassene Vermögen eines/r Verstorbenen heißt Nachlass oder Verlassenschaft, es wird aber auch von Erbschaft gesprochen → Der Nachlass – Hier werden also mehrere Begriffe synonym verwendet.
Nachlass
Das Erbrecht zählt zum Privatrecht. Es regelt grundsätzlich nicht das Schicksal allfälliger öffentlichrechtlicher Berechtigungen oder Verpflichtungen nach dem Tod einer Person. Dafür ist das öffentliche Recht zuständig; zB das Gewerberecht, das ASVG für die Hinterbliebenenrente oder das Steuerrecht. Auch nach öffentlichem Recht sind jedoch einzelne Rechtspositionen vererbbar.
Erbrecht und öffentliches Recht
Franz Gschnitzer Lesebuch 339, 439, 679 (!): Inwieweit empfiehlt sich eine Reform des bäuerlichen Erbrechtes? – Und: Mein letzter Wille – Entwicklung der Testamentsform: Inaugurationsrede 1946 – sowie: Formloser letzter Wille? (1969)
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2. Was wird vererbt?
Vor allem private Rechte und (!) Pflichten:
Beispiele
• ZB Rechte und Pflichten aus Kaufverträgen gehen ebenso auf Erben über wie Schadenersatzansprüche (aktiv und passiv; § 1337 ABGB), Gesellschaftsanteile an einer GmbH (§ 76 GmbHG) oder – nach § 537 ABGB – das Erbrecht selbst (Transmission) → Erleben des Erbanfalls – Transmission
• Aber auch einzelne öffentliche Rechte und Pflichten sind vererbbar. So sind Steuerschulden Nachlassverbindlichkeiten, wenn sie bereits entstanden sind; andere öffentlichrechtliche Ansprüche gehen mit dem Eigentum über; zB eine Baugenehmigung.
Nicht vererblich, weil höchstpersönliche Rechte beinhaltend, sind bspw:
Was kann nicht vererbt werden?
• (Aktive) Unterhaltsansprüche und das
• Vorkaufsrecht (§ 1074 ABGB);
• Belastungs- oder Veräußerungsverbote (§ 364 c ABGB);
• der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers;
• die Rechtsstellung eines OHG-Gesellschafters (OHG wird durch Tod aufgelöst), außer der Gesellschaftsvertrag bestimmt anderes.
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3. Testamentarische und gesetzliche Erbfolge
Grundsätzlich kann jede Person – innerhalb gewisser Schranken. – selbst entscheiden, wer sie beerben soll. – Die Erbfähigkeit von Personen bestimmt aber abstrakt, wer gesetzlich oder testamentarisch erben kann. Die konkrete privatautonome Bestimmung dessen, wer erben soll, erfolgt entweder durch den Abschluss eines Erbvertrags (selten) oder durch die Errichtung eines Testaments → Das Testament: §§ 552 ff ABGB – Hat der / die Verstorbene aber zB auch nicht testamentarisch verfügt oder ist die Verfügung ungültig, greift die gesetzliche Erbfolge der §§ 727 ff ABGB → Die gesetzliche Erbfolge Das Gesetz orientiert sich dabei (vorsorglich) an der Familienerbfolge – wie es das ebenfalls aus dem alten griechischen Rechtsdenken stammende Parentelsystem vorgeformt hat – und sieht zudem vor, dass die nächsten Angehörigen bedacht werden müssen; sog Pflichtteilsrecht → Pflichtteils- oder Noterbrecht Das verfolgte seit altersher weniger den Zweck eines gerechten Ausgleichs, als den, das Familieneigentum (den griechischen Oikos, die römische familia) zu schützen und zusammenzuhalten.
Privatautonomie und ihre Grenzen
Privatautonomie (dazu grundsätzlich → KAPITEL 5: Vertragsfreiheit und Privatautonomie) gilt demnach auch im Erbrecht und nicht nur bei Vermögensverfügungen zu Lebzeiten. Letztwillig kann privatautonom durch Testament (= einseitige letztwillige Verfügung) oder Erbvertrag verfügt werden. Man spricht in diesen Fällen auch von gewillkürter (im Gegensatz zu gesetzlicher) Erbfolge. Begrenzt wird erbrechtliche Privatautonomie durch das Pflichtteilsrecht.
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4. Bestimmung des/der Erben – Erbfähigkeit
Der/die Verstorbene (Erblasser/in) selbst oder das Gesetz bestimmen demnach die Personen / den Personenkreis, die/der in die Rechtsstellung Verstorbener insbesondere ihre vermögenswerten Rechte und Pflichten nachfolgen soll/en.
Dazu erklärt § 538 ABGB, dass alle, die ein Vermögen zu erwerben berechtigt sind, idR auch erben können; es sei denn, jemand hätte „dem Rechte etwas zu erwerben überhaupt entsagt, oder auf eine bestimmte Erbschaft gültig Verzicht getan”. – Die Erbfähigkeit ist demnach eine Ausformung der allgemeinen Geschäftsfähigkeit → KAPITEL 4: Allgemeines zur Geschäftsfähigkeit ¿ Altersstufen.
Erbfähigkeit
Die §§ 540 ff ABGB handeln von den „Ursachen der [Erb]Unfähigkeit” und nennen beispielsweise:
• § 540 ABGB: Begehung einer (schweren) strafbaren Handlung gegen den Erblasser;
• die Verletzung von Eltern- oder Kindespflichten;
• § 542 ABGB: die Ausübung von Zwang zur Erklärung des letzten Willens, betrügerische Verleitung, Hinderung an der Erklärung oder Abänderung des letzten Willens sowie Unterdrückung eines bereits errichteten letzten Willens.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 5. 8. 1999, 1 Ob 175/99p, EvBl 2000/12: Neffen der Erblasserin unterdrücken eines von mehreren Testamenten, in der Hoffnung, ein älteres, für sie günstigeres Testament werde aufgefunden. Erst als dies nicht der Fall ist, legen sie das unterdrückte Testament vor, um ihres Erbrechts nicht völlig verlustig zu gehen. – OGH: Nach § 542 ABGB führt jede Handlung oder Unterlassung zur Erbunwürdigkeit, die in der Absicht geschieht, den Willen des Erblassers zu vereiteln. Ob das Verhalten der Person, die eine letztwillige Verfügung unterdrückt, zu dem von ihr gewünschten Erfolg geführt hat, ist unerheblich. Am Tatbestand der Unterdrückung kann die später doch erfolgte Vorlage der letztwilligen Verfügung jedenfalls dann nichts ändern, wenn die Vorlage nur aus eigennützigen Motiven und nicht in innerer Umkehr erfolgte. OGH argumentiert zur Unterstützung dieser Argumentation mit der strafrechtlichen Regelung zum Rücktritt vom Versuch: §§ 15, 16 StGB – Einheit der Rechtsordnung!
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5. Erbeinsetzung und Vermächtnis
Erbe oder Erbin ist jene Person, die in die vermögenswerten, vererblichen Rechte und Pflichten des/r ErblassersIn – aus welchem Berufungsgrund auch immer – nachfolgt; sog Gesamtrechtsnachfolge oder Universalsukzession. Das bedeutet Rechtserwerb am gesamten Nachlass oder doch an einer Quote desselben durch einen einzigen Rechtsakt (uno actu). Dieser Rechtsakt ist auch heute noch die Einantwortung, als gerichtliche (staatliche!) Einweisung in die Erbschaft im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens → Einweisung in die Erbschaft – Das Verlassenschaftsverfahren Erbe oder Erbin erlangen dadurch unmittelbar „Eigentum” (iSv ausschließlicher Rechtszuständigkeit) am Nachlass; dh, (alle) beweglichen Sachen werden dadurch für übergeben gehalten und an Liegenschaften wird – ausnahmsweise – ohne Verbücherung (!) Eigentum erworben; Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes! Vgl auch → KAPITEL 2: Die Grundbuchsprinzipien: Grundbuchsprinzipien – Eintragungsgrundsatz.
Universalsukzession
Den wichtigen Gedanken einer erbrechtlichen Universalsukzession kannten aber wohl schon die Griechen, auf jeden Fall die Römer.
Von der Erbeinsetzung und der damit vermittelten Erbenstellung strikt zu unterscheiden ist das Vermächtnis / Legat. Das Gesetz selbst unterscheidet in § 535 ABGB:
Erbeinsetzung versus Vermächtnis
„Unterschied zwischen Erbschaft und Vermächtnis. – Wird jemandem kein solcher Erbteil, der sich auf den ganzen Nachlass bezieht; sondern nur eine einzelne Sache, eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung; eine Summe; oder ein Recht zugedacht; so heißt das Zugedachte, obschon dessen Wert den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtnis (Legat), und derjenige, dem es hinterlassen worden, ist nicht als ein Erbe, sondern nur als ein Vermächtnisnehmer (Legatar) zu betrachten.”
Unter Vermächtnis wird aber nicht nur ein bestimmter Rechtserwerb von Todes wegen verstanden, sondern auch das, was dadurch erlangt wird, also der Gegenstand / Inhalt des Vermächtnisses; vgl die Diktion des § 535 ABGB: „… nur eine einzelne Sache, [etc] … „
Vermächtnis
Das Vermächtnis ist eine letztwillige Verfügung, welche nicht im Hinterlassen eines Erbteils besteht; oder: Vermächtnis ist eine Zuwendung von Todes wegen, die nicht Erbeinsetzung ist. § 535 ABGB hat vom römischen Recht die scharfe Trennung in:
Vermächtnis als letztwillige Verfügung
Erbeinsetzung iSv Universalsukzession oder Gesamtrechtsnachfolge und
Vermächtnis iSv Singularsukzession oder Einzelrechtsnachfolge übernommen.
Es kommt dabei (für diese Unterscheidung) darauf an, ob der Erblasser dem Eingesetzten eine unmittelbare Verfügung über den ganzen Nachlass oder doch einen Bruchteil desselben verschaffen und ihm auch allfällige Schulden auflasten will (Erbeinsetzung) oder ob er ihm nur einen obligatorischen Anspruch auf einzelne Nachlassstücke oder einen Geldbetrag vermachen will; Vermächtnis. – Die §§ 647–694 ABGB handeln „Von Vermächtnissen”. Sie spielen in der Erbrechtspraxis eine beachtliche Rolle.
Beispiel


Erbrecht: Berufungsgründe
Abbildung 17.2:
Erbrecht: Berufungsgründe
Vermächtnisanordnungen werden in Erbverträgen, eigenen Vermächtnisverträgen (→ Vermächtnisverträge), Testamenten oder sog Kodizillen (→ Kodizill), getroffen. Ein auf gesetzlicher Anordnung beruhendes Vermächtnis ist der sog Voraus (des überlebenden Ehegatten) → Der sog „Voraus” – Vermächtnistitel kann demnach ein Vertrag, ein Testament oder das Gesetz sein.
Vermächtnisanordnungen
Wie der Erbe muss auch ein Legatar den Vermächtnis-Anfall erleben und zu diesem Zeitpunkt erbfähig, also geschäftsfähig sein.
Vermächtnis-Anfall
Anfallstag von Vermächtnissen ist der Todestag des Erblassers (§ 684 ABGB), Zahlungstag (=Fälligkeit) nach § 685 ABGB zB für Geld 1 Jahr danach. „Kleine Belohnungen des Dienstgesindes, und fromme Vermächtnisse” können aber „sogleich” gefordert werden.
Rechtssprechungsbeispiel
Einen Sonderfall stellt das Sublegat dar, bei dem der Erblasser dem Legatar eine Verpflichtung auferlegt; vgl OGH 25. 11. 1999, 6 Ob 244/99x, SZ 72/197 = EvBl 2000/84 (§§ 649, 662, 709 f ABGB). – Die Tochter begeht Selbstmord. Im eigenhändigen Testament vermacht sie einem Verein ein Grundstück mit der Auflage, ihrer Mutter in einem darauf zu errichtenden Haus ein Wohnrecht einzuräumen. Das Ansuchen des Vereins auf Umwidmung des Grundstückes in Bauland wird abgelehnt; daraufhin klagt die Mutter auf Herausgabe der Liegenschaft. – OGH: Der Legatar kann auch mit einem Sublegat beschwert werden, das in der Einräumung eines Wohnungsrechts besteht. Der Erblasser kann auch bestimmen, dass der Legatar die vermachte Sache erst verschaffen muss; selbst wenn dafür die Hilfe eines Dritten (hier: Gemeinde) notwendig ist. Ist die Erfüllung der Auflage unmöglich (hier: Bau des Hauses, wegen Nichtbewilligung der Umwidmung), ist der Beschwerte (hier: Verein) verpflichtet, dem Auftrag möglichst nachzukommen oder dem (Sub)Legatar den Schätzwert zu entrichten. Ist auch eine Surrogaterfüllung nicht möglich, erhält der Belastete den Nachlass ohne Belastung, es sei denn, er hätte die Erfüllung unredlich vereitelt. Die Klage der Mutter auf Herausgabe der Liegenschaft bleibt also erfolglos.
Die Unterscheidung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis ist Laien fremd. Der allgemeine Sprachgebrauch unterscheidet nicht zwischen vererben und vermachen. Daher sagt der Gebrauch der Worte „vermachen” oder „Vermächtnis” nicht immer aus, dass wirklich (nur) an ein Vermächtnis gedacht ist. – Die Auslegung hat zu klären, was gemeint ist; vgl das Verständnis des § 655 ABGB als allgemeine Auslegungsregel für Vermächtnisse.
Laien unterscheiden nicht
Die Unterscheidung zwischen Erbe/in und Vermächtnisnehmer/in ist aber praktisch sehr wichtig, weil die Rechtsstellung eine ganz verschiedene ist.
Ein Vermächtnis gewährt Bedachten – wie erwähnt – grundsätzlich nur einen schuldrechtlichen Anspruch; zunächst gegen den Nachlass, nach Einantwortung gegen den oder die Erben: sog Damnationslegat. Anders als ein Erbe erlangt ein Legatar daher nicht (auch nicht durch Einantwortung!) Eigentum am vermachten Gegenstand. Er ist nur Nachlassgläubiger des Erben. Er haftet auch nicht wie Erben für Erbschaftsschulden. – Diese ganz andere Rechtsstellung von Vermächtnisnehmern/Legataren lässt verstehen, warum zwischen Testament und Legat streng unterschieden werden muss.
Damnationslegat
ABGB und dtBGB kennen nur das Damnationslegat: „Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von den Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern.” (§ 2174 dtBGB) – Anders der frCC, der dem Vindikationslegat folgt; Art 1014 § 1.
Vom Damnations- ist das Vindikationslegat zu unterscheiden, bei dem Vermächtnisnehmer mit Vermächtnisanfall nicht nur einen obligatorischen Anspruch erwerben, sondern ausnahmsweise schon Eigentum. Einziger Fall im österreichischen Privatrecht war bisher § 10 WEG 1975 (Ehegatten-WE), der ins WEG 2002 übernommen wurde; vgl dessen § 14 Abs 1 Z 1.
Vindikationslegat
Eccher, Erbrecht 103 (20022), versteht das Wohnrecht des überlebenden Gatten nach § 758 ABGB – anders als die hA – als Vindikationslegat. Das verleiht stärkeren Schutz, etwa gegenüber Gläubigern. – Zum gesetzlichen „Voraus” des überlebenden Gatten → Der sog „Voraus”
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6. Erleben des Erbanfalls – Transmission
Das Erbrecht wirkt erst mit dem Tod des/r Erblassers/in. Erbe/in wird jemand also nur dann, wenn er den Erblasser überlebt. Stirbt ein potentieller Erbe vor dem/r Erblasser/in, kann er das (noch nicht erlangte) Erbrecht auch nicht auf seine Erben übertragen; § 536 ABGB. – Hat der Erbe den Erblasser aber überlebt, hat er damit das Erbrecht bereits erworben und kann es „wie andere frei vererbliche Rechte, auf seine Erben” übertragen; und zwar auch dann, wenn er vor gerichtlicher Einantwortung sterben sollte; § 537 ABGB: sog Transmission.
als Vererbung des ErbrechtsDiese Vererbung des Erbrechts (nach Erbanfall) wird Transmission genannt. Nach dem Tod des Erblassers kann ein Erbe sein Erbrecht aber nicht nur (weiter)vererben, sondern auch (weiter)veräußern; § 1278 ABGB: Erbschaftskauf → Der Erbschaftskauf § 1278 Abs 1 ABGB spricht von einer „vom Verkäufer angetretenen oder ihm wenigstens angefallenen Erbschaft”. – Das gesetzliche Verbot des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB betrifft nur die Veräußerung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, „die man von einer dritten Person [= dem Erblasser] erhofft”, also „noch bei Lebzeiten” des Erblassers.
Transmission
Vererbt wird das jeweilige Recht als Erbe/in, es mag auf Erbvertrag, Testament oder Gesetz beruhen. – Auch die Rechtsstellung als Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigter / Noterbe (→ Pflichtteils- oder Noterbrecht ) geht auf solche Weise über.
Während Ersatz- und Nacherbe (→ Substitution: Ersatz- und Nacherbschaft) Erben des Erblassers sind, ist der Transmissar Erbeserbe, also Erbe des Transmittenten. – Auch für die Beurteilung der Erbunwürdigkeit und der Erbunfähigkeit ist darauf zu achten, wer wessen Erbe ist: Ersatz- und Nacherbe müssen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers diesem gegenüber erbfähig und erbwürdig sein, der Transmissar dagegen muss nur dem Transmittenten gegenüber erbfähig und erbwürdig sein.
Transmissar als Erbeserbe
Unterschieden wird zwischen Transmission ieS (= Vererbung des Erbrechts vor Abgabe der Erbserklärung durch den Transmittenten) und Transmission iwS (= Vererbung nach Abgabe einer positiven Erbserklärung durch den Transmittenten).
Transmission ieS und iwS
Zur Transmission kann es ausschließlich zwischen Erbanfall und Einantwortung kommen; denn vor dem Tod des Erblassers besteht noch kein Erbrecht und nach Einantwortung ist der Nachlass des (ursprünglichen) Erblassers bereits Teil des Transmittentenvermögens.
Zeitraum für Transmissionen
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7. Der Nachlass
Die vermögenswerten vererblichen Rechte und Pflichten, die Verstorbene hinterlassen, bilden den Nachlass, die Verlassenschaft; § 531 ABGB. Diese Rechte und Pflichten erwerben Erbe oder Erbin aber wie schon erwähnt nicht automatisch mit dem Tod des Erblassers (= Erbfall), sondern es bedarf dazu grundsätzlich eines gerichtlichen Verfahrens; sog Verlassenschaftsverfahren (= richterlich-staatliche Einweisung ins Erbe) → Einweisung in die Erbschaft – Das Verlassenschaftsverfahren
Der Nachlass wird – zwischen dem Tod des Erblassers (Erbfall) und der Einantwortung an den/die Erben – wie eine juristische Person behandelt (vgl § 67 Abs 1 KO → Nachlass als jurP: § 74 AußStrG); ruhender Nachlass / hereditas iacens: römisches Recht. Damit setzt der Nachlass als neue und eigene – wenngleich transitorische – Rechtsperson den Erblasser rechtlich fort, ohne mit ihm identisch zu sein. Das Nachlassvermögen wird durch diese juristische Hilfskonstruktion nicht herrenlos.
Nachlass als jurP
Da manches Verlassenschaftsverfahren länger dauert, ist dieser rechtliche Übergangsstatus des Nachlasses von praktischer Bedeutung; wichtig ist das etwa, wenn Gesellschaften oder Unternehmen zur Verlassenschaft zählen. In diesem Fall ist der Nachlass bspw Arbeitgeber sowie Gläubiger und Schuldner usw.
Rechtssprechungsbeispiel
Mitunter ist streitig, was in den Nachlass gehört; vgl JBl 2000, 31: Ausscheiden einer Eigentumswohnung aus dem Nachlass durch einen verbücherungsfähigen Schenkungsvertrag und die tatsächliche/körperliche außerbücherliche Übergabe der Wohnung. In diesem Fall gehört das WE-Objekt auch vor Verbücherung des Erwerbers nicht zum Nachlass.
Ein solches Verständnis des ruhenden Nachlasses ist also nötig, weil Erbfall (Tod des Erblassers) und (gerichtliche) Einantwortung uU zeitlich weit auseinanderliegen. § 547 Satz 3 ABGB greift dafür zu einer Besitz-Fiktion:
Besitz-Fiktion
„Vor der Annahme des Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als wenn sie noch von dem Verstorbenen besessen würde.”
Für den Nachlass handelt in dieser Zeit entweder ein gerichtlich bestellter Nachlasskurator oder der Erbe, wenn das Gericht ihre Erbserklärung angenommen und ihnen (bis zur Einantwortung) die Verwaltung des Nachlasses überlassen hat. – Der ruhende Nachlass kann klagen und beklagt werden; er besitzt als transitorische Rechtsperson / Parteifähigkeit.
Wer handelt für den Nachlass?
Zur Haftung für Nachlassverbindlichkeiten → Die Erbenhaftung – Allgemein zur Fiktion → KAPITEL 13: Erfüllungsfiktion.
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8. Erbserklärung und Ausschlagung des Erbrechts
Will ein Erbe die Erbschaft annehmen – was er nicht muss (es besteht auch die Möglichkeit der Ausschlagung des Erbrechts), gibt er im Verlassenschaftsverfahren eine Erbserklärung (§§ 115 ff AußStrG) ab und das Gericht überträgt (nach rechtlicher Prüfung derselben) in der Folge den Nachlass; sog Einantwortung.
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9. Annahme der Erbschaft oder (Erb)Verzicht
Hat ein Erbe die Erbschaft auf diese Weise angenommen, stellt er „in Rücksicht auf dieselbe den Erblasser vor. Beide werden in Beziehung auf einen Dritten für eine Person gehalten”; § 547 Satz 1 ABGB. Vor Annahme der Erbschaft / Verlassenschaft durch den Erben gilt diese – wie erwähnt – als noch vom „Verstorbenen besessen”; § 547 Satz 2 ABGB. Nach Annahme der Erbschaft und Einantwortung ist das anders: „Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte, übernimmt [nun] sein Erbe”; § 548 Satz 1 ABGB. Nach § 549 ABGB gehören zu den auf einer Erbschaft haftenden Lasten auch die Kosten für ein angemessenes Begräbnis. Dazu später mehr.
Die Annahme einer Erbschaft – durch Erbserklärung – kann auf verschiedene Weise erfolgen, nämlich:
Annahme einer Erbschaft
bedingt oder
unbedingt,
je nachdem, ob für Schulden unbegrenzt oder nur bis zur Höhe der übernommenen Aktiva gehaftet werden soll. Mehr zur Erbenhaftung → Die Erbenhaftung
Faustregel: Bei Zweifeln, ob Schulden vorhanden sind, nur bedingt annehmen!
Erbanwärter müssen – wie wir gehört haben – die Erbschaft nicht annehmen. Sie können auch darauf verzichten. Man spricht auch von Erbaus- oder Erbsentschlagung; zB dann, wenn der Nachlass überschuldet ist.
Erbaus- oder Erbsentschlagung
Auch ein Vorausverzicht (auf das Erbe, die Erbschaft) durch Vertrag mit dem Erblasser ist möglich; § 551 ABGB. Ein Erbverzicht noch zu Lebzeiten des Erblassers ist aber nur in Form eines Notariatsakts oder mittels Beurkundung durch gerichtliches Protokoll möglich.
Vorausverzicht
Die Erbsentschlagungserklärung nach dem Tode des Erblassers erfolgt gegenüber dem Nachlassgericht ohne Förmlichkeiten, also mündlich oder schriftlich.
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B. Das Testament: §§ 552 ff ABGB
Literaturquelle
Eingangs wurde auf den historischen Entstehungszusammenhang von Familienrecht und Erbrecht (E. Gans) hingewiesen. Beide Rechtsgebiete weisen insbesondere in der Frühzeit (auch) Verbindungen mit dem Totenkult auf. In diesem Konnex liegt auch eine Wurzel für die Entstehung des Testaments und die Testierfreiheit des kinderlosen Erblassers, worüber uns das griechische und idF auch das römische Recht Aufschlüsse liefern: Hinterließ in Athen oder Rom ein Erblasser weder eine (Manus)Ehefrau, noch eigene Nachkommen, brauchte er jemand anderen, um den Totenkult besorgen zu lassen. Das führte einerseits zur Entwicklung der Adoption und andrerseits allmählich zur Anerkennung von Testamenten, also letztwilligen Verfügungen über den Kreis von Familie und Verwandtschaft hinaus; vgl für Rom etwa Manthe, Geschichte des römischen Rechts 32 ff (2000). – Der erste Schritt zu dieser bedeutenden rechtshistorischen Entwicklung war aber ein griechischer, der Zusammenhänge mit dem Totenkult längst hinter sich gelassen hatte. Solon hatte im Rahmen seiner berühmten Gesetzgebung (594/3 v. C.) dem kinderlosen Erblasser Testierfreiheit gewährt und dadurch einen wichtigen profanen Entwicklungsschritt in Richtung des „modernen” Testamentsrechts, aber auch des Rechtssubjekts und der Rechts- und Geschäftsfähigkeit gesetzt. Das antike griechische Rechtsdenken wies in diesem Zusammenhang auch weitere interessante Besonderheiten auf; insbesondere achtete es sehr darauf, daß das Familienvermögen – der Oikos – möglichst erhalten blieb. Das führte zu interessanten Regelungen im Familienrecht (etwa Epikleros / Erbtochterrecht) und wie erwähnt im Erbrecht und vor allem auch dem Sachenrecht, Erhalt von Grund und Boden der Bürger: sog gebundenes Bodenrecht (E. Schönbauer, 1952).
rechtsgeschichtlicher Entstehungszusammenhang
Literaturquelle
I. Testament und Kodizill
Will ein/e Erblasser/in selber (!) entscheiden, wer, was erben soll, müssen sie testieren; testamentarische im Gegensatz zur gesetzlichen Erbfolge. – Letztwillige Verfügungen sollten sorgfältig und mit Bedacht auf ihre Wirkungen erstellt werden. Ist doch ihre Korrektur oft nicht mehr möglich. Ältere Testamente sollten nach einigen Jahren allenfalls revidiert werden. – Dazu rät schon Cicero in den „Tusculanae disputationes” / Gespräche in Tusculum (Reclam UB 5028).
1. § 552 ABGB
„Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Teil desselben einer oder mehreren Personen widerruflich [!] auf den Todesfall [!] überlässt, heißt eine Erklärung des letzten Willens.”
Damit wird klargestellt, dass Testamente bis zum Tod des/r Eblassers/in frei – dh ohne Rücksichtnahme auf etwa eingesetzte Personen – widerrufen werden können → Widerrufbarkeit von Testamenten
Widerruflichkeit von Testamenten
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2. Kodizill
§ 553 ABGB grenzt – wie das römische Recht – das Testament vom Kodizill ab: Das ist letzter Wille mit anderen Verfügungen und ohne Erbeinsetzung. Kodizille enthalten zB die letztwillige Bestellung eines Vormunds oder das Aussetzen eines Vermächtnisses. – Gschnitzer (Erbrecht) meint in Bezug auf diese Unterscheidung:
„Im Sprachgebrauch heisst aber letzter Wille Testament, und für das Kodizill gelten dieselben Bestimmungen, ausgenommen die Auslegungsregeln zweifelhaften Wertes der §§ 713, 714 [ABGB].”
Das ABGB erwähnt das Kodizill auch noch an anderen Stellen: §§ 578, 695, 714-716, 721.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 22/210 (1949): Der Gültigkeit eines mündlichen Kodizills steht nicht entgegen (gemeint ist wohl eine Konversion; vgl Binder, Konversion 144 → KAPITEL 15: Die Umdeutung oder Konversion), dass der Erblasser ein schriftliches Kodizill beabsichtigt hat. Ein in schriftlicher Form als Kodizill nicht gültiges, aber sofort bei Errichtung des letzten Willens niedergeschriebenes und von drei Zeugen unterschriebenes Schriftstück steht einer schriftlichen Aufzeichnung iSd §585 ABGB gleich.
SZ 62/131 (1989): Ist nur die Erbeinsetzung der Ehegattin, nicht aber die Beschränkung der Kinder auf den Pflichtteil formungültig, so ist im Erbrechtsprozess die Absicht des Erblassers festzustellen, ob auch in diesem das negative Testament Bestand haben sollte. (Ein negatives Testament enthält keine positive Erbeinsetzung und wird daher iSd § 553 ABGB als Kodizill verstanden.)
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3. Gültigkeitsvoraussetzungen – Testierfähigkeit
Beurteilungszeitpunkt für die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung ist der Zeitpunkt ihrer Errichtung; §§ 575, 576 ABGB. Der/die ErblasserIn muss testierfähig sein. Diese Fähigkeit tritt vollständig mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. – Unmündige können nach § 569 ABGB überhaupt nicht testieren, mündige Minderjährige aber bereits mündlich vor Gericht oder einem Notar; sog öffentliches Testament.
Zeitpunkt der Errichtung
Wird eine letztwillige Verfügung unter Zwang oder Anwendung von List errichtet, ist sie anfechtbar. – Zum wesentlichen Irrtum des Erblassers: § 570 ABGB. § 571 ABGB folgt der Maxime: falsa demonstratio non nocet.
Allgemein zu den Willensmängeln und zum Irrtum → KAPITEL 5: Willensmängel ¿ Irrtum.
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4. Zur Testamentsform
§ 577 ABGB zählt die Testamentsformen auf:
„Man kann außergerichtlich oder gerichtlich, schriftlich oder mündlich; schriftlich aber mit, oder ohne Zeugen testieren.”
Ein Erblasser kann – will er außergerichtlich und schriftlich testieren – entweder:
Außergerichtlich und schriftlich
• den gesamten Text eigenhändig schreiben und unterschreiben: sog eigenhändiges oder holographes Testament (§ 578 ABGB; vgl das Beispiel → Testamentsbeispiele);
Ein (wenn auch selbst) maschinengeschriebener oder „gemailter” Text reicht für ein eigenhändiges Testament daher nicht aus, wohl aber ein stenographisch verfasster.
• oder ihn von einer anderen Person schreiben lassen und eigenhändig unterfertigen: sog fremdhändiges oder allographes Testament; §§ 579–581 ABGB (vgl das Beispiel → Testamentsbeispiele). Bei dieser Testamentsform genügt aber die bloße Unterschrift des/r Testierenden nicht. Es braucht auch die Unterschrift von drei Zeugen.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 16. 5. 2001, 6 Ob 66/01a, JBl 2002, 242: Erblasser hinterlässt formungültiges Testament (Erben unterschrieben als Zeugen eines fremdhändigen Testaments). Nur zwei der drei gesetzlichen Erben anerkennen das Testament. – OGH lehnt eine Sanierung ab, weil dafür alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben das formungültige Testament vor Entscheidung des Abhandlungsgerichtes vorbehaltlos anerkennen müssen.
Ein gültiges Testament kann auch mündlich vor 3 Zeugen errichtet werden; §§ 584-586 ABGB: Mündliches Zeugentestament. – Die Testamentspraxis zeigt, dass dabei immer wieder Fälschungsgefahr besteht. Auf der anderen Seite gilt es die Vielfalt privatautonomer Erklärung zu erhalten, denn auch die Sorge beruflicher Interessenvertretungen trägt nicht nur selbstlose Züge.
Mündliches Zeugentestament
Vgl etwa die folgende Zeitungsmeldung: „Testament nicht mehr mündlich. – Die Abschaffung der mündlichen Testamente verlangt die Notariatskammer als Konsequenz aus dem Fall Blauensteiner. Die mutmaßliche Mörderin soll versucht haben, einen Detektiv gegen Zahlung von 300.000 S zur Bestätigung eines mündlichen Testaments zu überreden. Für ein mündliches Testament genügt es, dass der letzte Wille vor 3 Zeugen geäußert wird – mit dem Problem, dass die Aussagen nach Jahren nicht mehr übereinstimmen ....” (Aus: Der Standard, 1.2.1996, S. 4)
Die §§ 585, 586 ABGB regeln also das außergerichtliche mündliche (Zeugen)Testament und verlangen dafür, „drei fähige Zeugen, welche zugleich gegenwärtig, und zu bestätigen fähig sind, dass in der Person des Erblassers kein Betrug oder Irrtum unterlaufen sei” und dieser vor ihnen ernstlich seinen letzten Willen erklärt habe. – Erinnerungslücken der Zeugen befürchtend, ordnet § 585 Satz 2 ABGB an:
„Es ist zwar nicht notwendig, aber vorsichtig, daß die Zeugen entweder alle gemeinschaftlich, oder ein jeder für sich zur Erleichterung des Gedächtnisses, die Erklärung des Erblassers entweder selbst aufzeichnen, oder, so bald als möglich, aufzeichnen lassen.”
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 69/161 (1996) mwH: Stimmen die Aussagen der eidlich vernommenen Zeugen eines mündlichen Testaments in den für die Erbeinsetzung wesentlichen Fragen nicht überein, liegt ein Mangel der äußeren Form des Testaments vor (vgl die Marginalrubrik vor § 577 ABGB), der zur Zurückweisung der auf eine solche Anordnung gestützten Erklärung nach § 122 AußStrG führt.
SZ 71/7 (1998): Formungültiges gerichtliches Testament → KAPITEL 12: Rspr-Beispiele.
OGH 27. 2. 2002, 3 Ob 30/02m, JBl 2002, 518: Eine Woche vor seinem Tod erklärt der Erblasser im Beisein von vier Freunden: „Männer, ich sage euch jetzt etwas! Wenn mit mir etwas passiert, bekommt alles die Christina” [seine Lebensgefährtin]. Die Schwester des Erblassers begehrt die Feststellung, dass keine formgültige letztwillige Verfügung vorliegt. – OGH: Zu den Gültigkeitserfordernissen bei der privaten mündlichen letztwilligen Verfügungen gehört auch das Bewusstsein der Zeugen, als Zeugen einer solchen Verfügung fungiert zu haben, was hier angenommen wird. (Dem erbrechtlichen Willensprinzip wird vorbildlich Rechnung getragen.)


Private Testamentsformen
Abbildung 17.3:
Private Testamentsformen


Öffentliche und Nottestamente
Abbildung 17.4:
Öffentliche und Nottestamente
Hält ein/e Erblasser/in im Rahmen des Testierakts die gesetzlichen Formvorschriften nicht ein, „so ist die letzte Willenserklärung ungültig”; § 601 ABGB. – Die Formstrenge des Erbrechts hat ihren Grund darin, dass die Echtheit letztwilliger Verfügungen sichergestellt und Fälschungen möglichst verhindert werden sollen.
Rechtsfolgen eines Formmangels
Allgemein zur Form und ihrer Bedeutung im Zivilrecht → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht).
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5. Testamentarische Erbrechts- oder Vermächtnisanordnung
Der Erblasser kann im Testament über den gesamten Nachlass verfügen oder bloß über einen bestimmten Teil /Quote; vgl § 532 Satz 1 ABGB :
„Das ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben (zB die Hälfte, ein Drittel) in Besitz zu nehmen, heißt Erbrecht.”
Eine diesbezügliche testamentarische Anordnung ist Erbeinsetzung.
Erbeinsetzung
tWill der Erblasser aber nur über bestimmte (Einzel)Stücke verfügen, nennt man dies – wie wir schon wissen – Vermächtnis/Legat → Erbeinsetzung und Vermächtnis; zB ein Schmuckstück, Auto oder die Bücher / Bibliothek, aber auch eine Liegenschaft. – Wichtig ist, dass der Legatar / Vermächtnisnehmer nicht die Stellung eines Erben hat. Gegenstände eines Vermächtnisses sind nach § 653 ABGB:
Vermächtnis/Lega
„Alles was im gemeinen Verkehre steht: Sachen, Rechte, Arbeiten und andere Handlungen, die einen Wert haben, können vermacht werden.”
Vermächtnis kommt von ver-machen, womit Laien – wie erwähnt – oft auch ver-erben iSv Erbeinsetzung meinen.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 27/ 215 (1954): Verpflichtung des Erben zur Sicherstellung eines vermachten (Liegenschafts)Anwartschafts- oder Aufgriffsrechts.
Der Eigentumserwerb am einzelnen Vermächtnisgegenstand erfolgt – je nach Sachbeschaffenheit – durch dessen Übergabe oder Verbücherung (Modus), der Erbe dagegen erwirbt durch gerichtlichen Einweisungsakt pauschal (Universalsukzession); Einantwortung.
Eigentumserwerb
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6. Erbeinsetzung
Das Testament muss einen oder mehrere Erben benennen; Erbseinsetzung: § 553 ABGB. – Erbe/in ist jene Person, die in die vermögenswerten, vererblichen Rechte und Pflichten des/r ErblassersIn nachfolgt; Universalsukzession / Gesamtrechtsnachfolge.
Erben können – also passiv erbfähig sind – grundsätzlich alle natürlichen und juristischen Personen; also auch Stiftungen und Vereine etc. – Aktiv vererben können dagegen nur natürliche Personen, denn juristische Personen kennen eigene Regeln wie ihr Vermögen im Falle ihres Endes („Todes”) aufzuteilen ist. Man spricht bei juristischen Personen von Liquidation / Abwicklung → KAPITEL 4: Fusion / Verschmelzung und Spaltung.
Wer kann erben und ver-erben?
Wurde vom Erblasser nur ein einziger Erbe ohne Beschränkung auf einen Teil der Verlassenschaft eingesetzt, erbt dieser das Ganze; er ist Allein- oder Universalerbe. Wurde der Erbteil des Erben dagegen bemessen – zB mit 1/3, „so fallen die übrigen Teile den gesetzlichen Erben zu”; § 554 ABGB: – Testamentarische und gesetzliche Erbfolge können danach also nebeneinander zur Anwendung gelangen! Vgl auch § 534 ABGB. – Wurden mehrere Erben ohne Teilungsvorschrift eingesetzt, „teilen sie zu gleichen Teilen”; § 555 ABGB.
Testamentarische und gesetzliche Erbfolge können nebeneinander zur Anwendung gelangen
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 27/142 (1954): Im Zweifel, ob mehrere in einem Testament angeführte Personen zusammen Erben sein sollen, ist dem Erbserklärten, der das ausschließliche Erbrecht in Anspruch nimmt, gegenüber den anderen, die gemäß § 555 ABGB mit ihm zu gleichen Teilen teilen wollen, die Klägerrolle zuzuteilen → Widersprechende Erbserklärungen – Erbrechtsklage
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7. Widerrufbarkeit von Testamenten
Testamente können – als einseitige (aber nicht empfangsbedürftige!) Rechtsgeschäfte/Willenserklärungen (→ KAPITEL 5: Ein-, zwei- und mehrseitige Willenserklärungen) – bis zum Tod des Erblassers / Testators von diesem frei, dh jederzeit widerrufen werden; §§ 717 ff ABGB. Vgl auch den Wortlaut des § 552 ABGB: „widerruflich auf den Todesfall”. – Der Widerruf kann ausdrücklich (§§ 719 ff ABGB), schlüssig oder stillschweigend (§§ 721 ff ABGB) – zB Durchstreichen des Textes oder der Unterschrift – geschehen.
Formen des Widerrufs
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/195 – Schlüssiger Widerruf eines Testaments.
Ein in einer letztwilligen Verfügung erklärter Widerrufsverzicht – sog derogatorische Klausel – gilt nach § 716 ABGB als nicht beigesetzt.
Widerrufsverzicht
In der Praxis erfolgt der Widerruf oft dadurch, dass ein neues Testament errichtet wird. Dadurch wird das ältere Testament vollständig aufgehoben, „dafern der Erblasser in dem letzteren nicht deutlich zu erkennen gibt, dass das frühere ganz oder zum Teil bestehen solle”; § 713 ABGB. – Davon abweichend ordnet § 714 ABGB für Kodizille an, dass ein später errichtetes Kodizill frühere Vermächtnisse und Kodizille nur dann aufhebt, wenn es mit früher errichteten in Widerspruch steht; ansonsten bleiben die mehreren Anordnungen „nebeneinander bestehen”. – Dies wird sinnvoller Weise analog auf Testamente angewandt.
Errichtung eines neuen Testamentes
§ 715 ABGB regelt den Fall, dass „man nicht entscheiden [kann], welches Testament oder Kodizill das spätere sei”. – Es gelten dann, „insofern sie nebeneinander bestehen können, beide, und es kommen die im Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentums aufgestellten Vorschriften [§§ 825 ff ABGB] zur Anwendung”.
Trotz dieser gesetzlichen Anordnungen treten in der Praxis immer wieder Fragen bezüglich der Konkurrenz letztwilliger Verfügungen auf.
Literaturquelle
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8. Auflagen, Bedingungen, Befristungen
Die Erbeinsetzung kann – was in der Praxis oft vorkommt – mit Belastungen / Auflagen (§§ 709 ff ABGB) verbunden sein.
Beispiel
Auch Bedingungen (§§ 696 ff ABGB) oder Befristungen (§§ 704 ff ABGB) in Testamenten sind möglich:
Beispiel
Die Überschrift vor § 709 ABGB lautet: „Auftrag”. Das ABGB meint aber „Auflage”. Dazu → KAPITEL 13: Die Auflage. § 709 ABGB ordnet an, dass eine „Nichterfüllung des Auftrages” als „auflösende Bedingung anzusehen” sei. Der Nachlass wird dadurch „verwirkt”. – Zur Bedingung → KAPITEL 13: Die Bedingung.
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9. Schranken der Testierfreiheit
Vgl dazu insbesondere das Pflichtteils- oder Noterbrecht → Pflichtteils- oder Noterbrecht
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10. Testamentsbeispiele
Eigenhändiges schriftliches Testament iSd § 578 ABGB → Zur Testamentsform
Eigenhändiges schriftliches Testament


Eigenhändiges schriftliches Testament
Abbildung 17.5:
Eigenhändiges schriftliches Testament
Das ABGB verlangt – wie wir gehört haben – für die Gültigkeit eines eigenhändigen Testaments nur, dass es eigenhändig geschrieben und (!) unterschrieben wird. Die Beisetzung des Datums (Tag, Monat, Jahr, Ort) ist „nicht notwendig, aber zur Vermeidung der Streitigkeiten rätlich”. – Zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung Gschnitzer, in: Franz Gschnitzer Lesebuch 444 (1993).
Datum
Im Gegensatz zum frCC verzichtete das ABGB auf das Datum als Gültigkeitsvoraussetzung, was sinnvoll ist, weil dadurch die Zahl ungültiger Testamente gesenkt werden kann. Auch der itCC (Art 602) verlangt noch heute das Datum als Gültigkeitsvoraussetzung („datiert und unterschrieben”), lockert dieses Kriterium aber bereits auf; vgl dessen Art 606.
FrCC und itCC
Fremdhändiges Testament iSd § 579 ABGB → Zur Testamentsform
Fremdhändiges Testament


Fremdhändiges Testament
Abbildung 17.6:
Fremdhändiges Testament
Hier schreibt nicht der Erblasser selbst, sondern eine andere Person den Text des Testaments. Dazu kommt die eigenhändige Unterschrift des Erblassers und die Unterschrift von 3 Zeugen, die auf der Testamentsurkunde selbst (!) – „entweder inwendig oder von außen” – unterschreiben müssen. Sie müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben und dürfen in dem von ihnen „bezeugten” Testament nicht bedacht werden; § 579 ABGB.
Testamentszeugen
Die §§ 591 ff ABGB handeln von „unfähigen” iSv befangenen Zeugen; vgl etwa § 591 ABGB: „Personen unter achtzehn Jahren, Sinnlose, Blinde, Taube oder Stumme, dann diejenigen, welche die Sprache des Erblassers nicht verstehen, können bei letzten Anordnungen nicht Zeugen sein.”
Nach § 579 ABGB, letzter Satz müssen die Testamentszeugen den Inhalt des Testaments nicht kennen; daher die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, auf der Testamentsurkunde auch „außen” (aber nicht etwa auf dem Umschlag!) zu unterschreiben. – Der Erblasser muss aber vor drei fähigen Zeugen, von denen wenigstens zwei zugleich anwesend sein müssen, „ausdrücklich erklären, dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte”.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/123: §§ 579, 569, 577, 588 ABGB – Einheit des Testierakts bei einem fremdhändigen Testament. Hier kann eine Zeugenunterschrift in gewissen zeitlichen Grenzen nachgeholt werden. Eine erst Monate nach dem Tod des Erblassers nachgeholte Zeugenunterschrift ist aber verspätet. – Der dritte Testamentszeuge darf nach § 579 ABGB nachträglich beigezogen werden. Das gilt aber nur für den Fall, dass die Einheit des Testierakts erhalten bleibt, was voraussetzt, dass das Testament in der Zwischenzeit nicht verändert worden ist.
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11. Sondertestamente
Besonderheiten gelten für Personen mit körperlichen oder geistigen Gebrechen, wie Blinde oder unter Sachwalterschaft stehende Personen oder für Ausnahmesituationen, wie Katastrophen, Krieg etc; vgl §§ 597 ff ABGB.
Ausnahmesituationen
§ 597 ABGB erklärt auch „Personen, die das vierzehnte Jahr zurückgelegt haben, [zu] gültige[n] Zeugen”; § 598 ABGB lässt bspw „zwei Zeugen” genügen und § 599 ABGB bestimmt, dass Schifffahrts- und Seuchentestamente „sechs Monate nach geendigter Schifffahrt oder Seuche” ihre „Kraft” verlieren.
Erweiterte testamentarische Möglichkeiten bestehen auch für Ehegatten und Brautleute, die Testamente auch gemeinsam errichten können. Die Praxis hat hier aber noch nicht zufriedenstellende Lösungen gefunden. – Zu unterscheiden sind dabei das:
Ehegatten und Brautleute
wechselseitige oder gemeinschaftliche Testament und das
wechselbezügliche Testament.
Vgl § 583 iVm § 1248 ABGB. Die Gatten können sich dabei sowohl gegenseitig als auch (gemeinsam) andere Personen zu Erben einsetzen. – Die Judikatur verlangt aber – anders als der Gesetzeswortlaut des § 583 und noch klarer § 1248 ABGB! – von jedem Ehegatten eine eigenhändig geschriebene und (!) unterschriebene Erklärung. Berechtigte Kritik daran schon von Gschnitzer! – Es erscheint nötig hier umzudenken und – wenn auch spät – dieser interpretatio contra legem ein Ende zu bereiten.
Wechselseitiges oder gemeinschaftliches Testament
Auch gemeinsam errichtete Testamente können aber einseitig (!) widerrufen werden (§ 1248 Satz 2 ABGB), was einen wichtigen Unterschied zum Erbvertrag darstellt (→ Erbvertrag – Vermächtnisverträge), der als Vertrag eben nicht mehr (einseitig) widerrufbar ist. – Beim wechselseitigen Testament kann aber nach § 1248 Satz 2, 2. HalbS ABGB „aus der Widerrufung des einen Teiles auf die Widerrufung des andern Teiles nicht geschlossen werden (§ 583).” – Darin liegt der Unterschied zum wechselbezüglichen Testament.
Ehegatten oder Verlobte können ein gemeinschaftliches Testament aber nicht nur – wie im folgenden Beispiel – in einer gemeinsamen Urkunde errichten. Die Urkunden können auch getrennt errichtet werden und auch ein fremdhändiges Zeugentestament kann als gemeinschaftliches durch Ehegatten errichtet werden.
Rechtssprechungsbeispiel
Nicht-Ehegatten können derartige Testamente nicht errichten; SZ 55/143 (1982): Ein gemeinschaftliches Testament von Nichtehegatten (zB Lebensgefährten!) wird auch von dem Erblasser ungültig errichtet, der selbst das außergerichtliche schriftliche Testament eigenhändig schrieb und unterschrieb. (?) – Auch hier täte ein Umdenken not; § 7 ABGB böte die Möglichkeit, für die nötige Korrektur durch Annahme einer unechten oder Wertungslücke (→ KAPITEL 11: Echte und unechte Lücken) zu sorgen.
Ein von Brautleuten errichtetes gemeinsames Testament steht unter der Bedingung der späteren Eheschließung, sonst ist es ebenfalls ungültig.
Beim wechselbezüglichen Testament wird – nach hA und Rspr – mit dem Widerruf des einen Teils auch die letztwillige Verfügung des andern Teils hinfällig. Es steht unter der auflösenden Bedingung des gegenseitigen Bedachtwerdens. – Das zum wechselseitigen Testament Gesagte, gilt auch hier.
Wechselbezügliches Testament


Wechselbezügliches Testament (1)
Abbildung 17.7:
Wechselbezügliches Testament (1)


Wechselbezügliches Testament (2)
Abbildung 17.8:
Wechselbezügliches Testament (2)
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II. Exkurs: Die Patientenverfügung
Literaturquelle
Die Patientenverfügung in Europa
1. „Patientenverfügung”, sog „Patiententestament”, „Psychiatrisches Testament”
Darunter wird eine (schriftliche) Willenserklärung verstanden, in der eine Person bestimmt, was im Falle einer künftigen schweren oder zum Tode führenden Erkrankung oder bei Bewusstlosigkeit und Dauerschädigung des Gehirns samt Ausfall lebenswichtiger Körperfunktionen (medizinisch) geschehen soll.
Angeordnet wird typischerweise:
Was wird angeordnet?
• Dass auf künstliche, lebensverlängernde medizinische Maßnahmen verzichtet werden soll; oder
• dass bestimmte psychiatrische Behandlungsmethoden wie Elektroschock, Insulinschock oder das Verabreichen von Neuroleptika abgelehnt werden; vgl EvBl 1999/21: Psychiatrisches Testament. Diese E setzt sich vor allem mit der Bindungswirkung der Patientenverfügung auseinander. Im Zeitpunkt der Errichtung einer Patientenverfügung muss der Erklärende handlungsfähig sein.
• dass alle Möglichkeiten der Schmerzlinderung, ungeachtet allfälliger lebensverkürzender Nebenwirkungen angewandt werden sollen.
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2. Patientenverfügungen sind keine Testamente iSd Erbrechts
Und sie sind auch keine Rechtsgeschäfte. Sie dienen vielmehr ausschließlich einer wirksamen Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in einer oder für eine schwierige/n gesundheitlich-medizinischen Situation. In solchen Anordnungen werden grundsätzlich keine Verfügungen für die Zeit nach dem Tod getroffen.
Kein Rechtsgeschäft – Ausübung des Selbstbestimmungsrechts
Eine Ausnahme betrifft allenfalls Anordnungen über Organspenden, sei es im positiven Sinn (ausdrückliche – wenngleich vielleicht einschränkende – Zusage) oder negativ, in Ausübung des Widerspruchsrechts; dazu → KAPITEL 18: Weltbild, Menschenbild und Menschenwürde ¿ Zur Rolle der Medizin in modernen Gesellschaften. Einschränkungen dabei sind denkbar; zB: „Nur Nieren und Leber, nicht mein Herz.” Oder: „Auf keinen Fall, meine Gliedmaßen!”
Solche Erklärungen ergänzen uU den Behandlungsvertrag, ähnlich (!) dem Weisungsrecht des Werkbestellers. Der Vertragspartner, der Arzt oder eine Krankenanstalt, ist hier auf Beratung beschränkt. – Patienten/innen wollen dafür vorsorgen, dass, falls sie später ihre Entscheidungsfähigkeit verlieren, gegen Fremdbestimmung geschützt sind. – Solche Anordnungen können aber nur innerhalb des von der Rechtsordnung akzeptierten Entscheidungs- und Selbstbestimmungsrahmens getroffen werden. Eine Anordnung, auch für den Fall einer Querschnittlähmung alle Behandlungsmaßnahmen auszusetzten wäre daher ungültig und nicht zu befolgen. – Zu beachten ist jedoch, dass ein solches Selbstbestimmungsrecht ein absolutes Persönlichkeitsrecht darstellt, mit dem nicht leichtfertig umgegangen werden darf.
Es existiert bislang keine inhaltlich determinierende gesetzliche Regelung und auch keinerlei Formpflicht; also weder Schriftform noch etwa Notariatsaktspflicht. Vgl aber immerhin die Erwähnung in § 10 Abs 1 Z 7 KAKuG iVm § 21 ABGB und § 2 UbG. – Eine gesetzliche Regelung erschiene im Interesse der Rechtssicherheit aller Beteiligten aber sinnvoll.
Keine gesetzliche Regelung
Patientenverfügungen können derzeit jederzeit und auf jede Weise widerrufen werden. – Sinnvoll erschiene es im Falle einer gesetzlichen Regelung, eine derartige Anordnung nach dem Vorbild des § 599 ABGB ebenfalls 6 Monate nach Beendigung der Ausnahmesituation außer Kraft treten zu lassen. Ohne Zusammenhang mit einer Ausnahmesituation errichtete Patientenverfügungen sollten aber grundsätzlich unbegrenzt gelten; eine Verlängerungserklärung nach dem Ablauf von bspw 5 oder 7 Jahren erschiene aber in Bezug auf die anzustrebende Rechtssicherheit diskussionswürdig.
Widerruf
Häufig werden Vertrauenspersonen bestimmt und mit (Voraus)Vollmacht ausgestattet. Sie sollen bei Handlungsunfähigkeit für die betreffende Person handeln; dh die erwünschten Maßnahmen bewirken.
Vertrauensperson
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III. Substitution: Ersatz- und Nacherbschaft
Das ABGB behandelt in den §§ 604 ff unter dem Begriff der Substitution oder Nacherbschaft iwS:
• einerseits die Ersatzerbschaft (auch gemeine oder Vulgarsubstitution genannt: §§ 604 ff ABGB und
• andrerseits die Nacherbschaft ieS (auch fideikommissarische Substitution: §§ 608 ff ABGB.
Der Sinn von Ersatz- und Nacherbschaft ist darin zu erblicken, dass diese Anordnungen des Erblassers einerseits die sonst mögliche
Anwachsung / Akkreszenz (auch Zuwachs genannt) der Erbschaft (→ Anwachsung, Akkreszenz, Zuwachs) verhindern und andrerseits den
• Eintritt der gesetzlichen Erbfolge (→ Die gesetzliche Erbfolge) ebenso ausschließen, wie das außerordentliche Erbrecht der Legatare und das Heimfallsrecht des Staates (Kaduzität) → Erbrecht der Vermächtnisnehmer – Kaduzität
§ 652 ABGB ordnet an, dass die Substitutionsregeln auch für Vermächtnisse gelten.
Literaturquelle
§ 614 ABGB enthält eine Auslegungsregel für Substitutionen. Sie folgt dem Grundgedanken der Unklarheitenregel des § 915, Fall 1 ABGB, wonach im Zweifel die geringere Last – hier zB nur eine gemeine Substitution – anzunehmen ist.
Auslegungsregel
1. Die Ersatzerbschaft oder gemeine Substitution
Beispiel
Ein „Erblasser kann für den Fall, dass der eingesetzte Erbe [Institut/us] die Erbschaft nicht erlangt, einen; und wenn auch dieser sie nicht erlangt, einen zweiten, und im gleichen Falle einen Dritten, oder auch noch mehrere Nacherben [Substituten] berufen”; § 604 Satz 1 ABGB. Eine solche Anordnung heißt eine gemeine Substitution und wird auch Vulgarsubstitution oder Ersatzerbschaft genannt.
Wir kennen den Begriff der Substitution (substituieren) aus der Alltagssprache und haben ihn auch beim Auftrag (→ KAPITEL 12: Der Auftrag) kennen gelernt. Substitut ist eine Ersatzperson, eine Art Stellvertreter. Substitution meint Ersatz, substituieren, etwas ersetzen. Erbrechtlich bedeutet der Begriff – wie erwähnt – entweder Ersatz- oder Nacherbschaft.
Der Ersatzerbe (Substitut) ersetzt den zunächst eingesetzten Erben (Institut/us); § 604 ABGB. – § 605 ABGB nennt Gründe für eine Ersatzerbschaft: Der ernannte Erbe kann zB nicht Erbe sein – erweist sich vielleicht als erbunwürdig – oder will es nicht sein; schlägt bspw die Erbschaft aus.
Ersatzerbe
Die Stellung des Substituten entspricht (ganz) der des eingesetzten Erben; das bedeutet bspw, dass auch dem/r Substituten/in die Erbschaft mit dem Tod des Erblassers anfällt und dass, wie § 606 ABGB anordnet, die „den Erben aufgelegten Lasten [zB ein Vermächtnis oder eine Auflage]” grundsätzlich auch für den Nacherben gelten. Das gilt aber nicht für Bedingungen; das schließt ausdrücklich § 702 ABGB aus.
§ 607 ABGB regelt den Sonderfall einer Ersatzerbschaft unter Miterben; zB wechselseitige Ersatzerbschaft eingesetzter Miterben.
Miterben
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2. Die Nacherbschaft oder fideikommissarische Substitution
Beispiel
Zum Unterschied zur Ersatzerbschaft, bei der der zunächst eingesetzte Erbe (Vorerbe, Institut/us) die Erbschaft gar nicht erlangt, verpflichtet der Erblasser bei der Nacherbschaft ieS seine/n Erben (Institut/us) dazu, „dass er die [bereits] angetretene Erbschaft [entweder] nach seinem Tode oder in andern bestimmten Fällen [zB ab dem 50. Geburtstag] einem zweiten ernannten Erben [Substitut] überlasse”; § 608 Satz 1 ABGB.
Die §§ 611, 612 ABGB schränken die Nacherbschaft ein, weil eine zeitlich zu lange Bindung(smöglichkeit) von Vermögenswerten durch den Erblasser rechtlich unerwünscht ist. – Das Gesetz bestimmt, dass der Erblasser zwar beliebig viele „Zeitgenossen” als Nacherben ieS einsetzen kann. Zeitgenossen meint: Geboren oder doch schon gezeugt. Für Nicht-Zeitgenossen verlangt § 612 ABGB: bei „Geldsummen, und anderen beweglichen Sachen” ist die Zahl der Nacherben auf zwei, bei unbeweglichen Gütern sogar auf eine Person – das Gesetz spricht von Graden – eingeschränkt.
Einschränkung der Nacherbschaft
Streitig ist, ob bestehende juristische Personen als Zeitgenossen anzusehen sind; contra: Koziol/Welser II12 420 – pro: Eccher in Schwimann1 §§ 611 f ABGB Rz 1. Gesetzestext und ratio legis legen eher eine teleologische Reduktion dieser Bestimmungen und des § 26 ABGB nahe.
Die Einsetzung eines Nacherben muss „bestimmt” erfolgen; und zwar muss sie vom Erblasser (selbst) vorgenommen werden, nicht etwa vom Vorerben: vgl § 564 ABGB. Bestimmt muss vor allem auch der Nacherbfall festgelegt werden. – Die Nacherbschaftsanordnung des Erblassers betrifft nur das von ihm hinterlassene Vermögen (§ 609 ABGB), nicht auch das Vermögen des (erbenden) Vorerben. § 609 ABGB stellt dies für die sog Pupillarsubstitution klar; Größenschluss: arg a maiori ad minus → KAPITEL 11: Die Größenschlüsse.
„Bestimmt”
Nach § 609 ABGB „können auch die Eltern ihren Kindern, selbst in dem Falle, dass diese zu testieren unfähig sind, nur in Rücksicht des Vermögens, das sie ihnen hinterlassen, einen Erben oder Nacherben ernennen”.
Von stillschweigender Nacherbschaft wird gesprochen, wenn ein Erblasser dem Erben verbietet, „über den [erlangten] Nachlass zu testieren”. Das Gesetz ordnet in diesem Fall an, dass der Erbe den Nachlass „für seine gesetzlichen Erben aufbewahren” muss; § 610 ABGB. Ein auferlegtes Veräußerungsverbot schließt nämlich das Recht, über diese Sache zu testieren, nicht aus; § 610 Satz 2 ABGB.
Stillschweigende Nacherbschaft
Für bedingte oder befristete Erbeinsetzungen ordnen die §§ 707, 708 ABGB an, dass auf sie die Bestimmungen über die Nacherbschaft anzuwenden sind.
§ 613 ABGB bestimmt die Rechtsstellung des Vorerben als „eingeschränkte[s] Eigentumsrecht, mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers”; Rspr und Schrifttum billigen ihm zum Teil „mehr als Fruchtgenuss” zu, nämlich Eigentum, wenngleich auflösend bedingt oder befristet.
Rechtsstellung bei der Nacherbschaft
Rechtssprechungsbeispiel
EFSlg 54.127: Zwischen Einantwortung und Eintritt des Nacherbfalls gebühren dem Vorerben die Nutzungen und Früchte uneingeschränkt;
Daher ist der Vorerbe selbst gegen den Willen des Nacherben zum Abschluss langfristiger Mietverträge berechtigt; NZ 1930, 142.
SZ 61/9 (1988): Dem Vorerben eines Waldgrundstücks steht das forstmäßig geschlagene Holz, nicht aber die Rodung des Grundstücks zur Schottergewinnung zu.
Der Vorerbe darf nämlich die Bewirtschaftungsart nicht ändern; ebendort = EFSlg 63.037.
SZ 21/22 (1947) oder SZ 41/151 (1968): Dingliche Verfügungen des Vorerben über das Substitutionsgut (zB die Eigentumsübertragung mittels eines Kaufvertrags) sind nicht nur den Nacherben gegenüber (also relativ), sondern auch gegenüber Dritten – also absolut – unwirksam, insoweit sie die Rechte eines Fruchtnießers übersteigen und jene des Nacherben tangieren.
OGH 18. 10. 2001, 2 Ob 252/01z, EvBl 2002/67: Vater stirbt, seine Gattin ist im Testament als Alleinerbin eingesetzt. Dieses enthält auch folgende Anordnung: „Nach dem Tode des Überlebenden soll dessen Nachlass unseren Kindern Mario und Manuela zukommen.” – Der Sohn beantragt idF, seiner Mutter die Hinterlegung der Gelder und Wertpapiere bei einer Bank zur Sicherstellung aufzutragen. – OGH: Die Art der Sicherung von Nacherben ist in § 158 Abs 2 AußStrG geregelt; die §§ 1373 f ABGB (Art der Sicherstellung) gelten, anders als bei Vermächtnissen, dafür nicht. § 158 Abs 2 AußStrG sei auch ungenau und missverständlich formuliert; er verlangt nämlich nicht, die zu einer Erbschaft gehörenden Gelder, Wertpapiere und Einlagebücher auf Verlangen eines Noterben bei einem Kreditinstitut zu hinterlegen. Der Vorerbe kann vielmehr nach den §§ 613 und 510 ABGB (Rechtsstellung eines Fruchtnießers) über Geld nach Belieben verfügen und schuldet dem Nachlass nur den Wert.
Nur Vor- und Nacherbe gemeinsam besitzen zusammen die Rechtsstellung eines Vollerben und (damit) eines Volleigentümers; SZ 63/209 (1990). Sie können daher gemeinsam die Substitutionsbindung aufheben, einschränken oder auf eine andere Sache übertragen; ebendort. Daraus folgt auch, dass eine Exekution in die Substanz durch Gläubiger des Vorerben unzulässig ist; GlU 9457 (1883). Die Früchte der Vorerbschaft können aber verpfändet werden; GlU 6743 (1875).
Substitutionsbindung
Nach § 615 ABGB erlischt eine angeordnete Ersatzerbschaft, „sobald der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten hat; die [Nacherbschaft], wenn keiner von den berufenen Nacherben mehr übrig ist; oder wenn der Fall, für den sie errichtet worden, aufhört”. – Nach § 615 Abs 2 ABGB geht im Zweifel das Recht der Nacherbschaft ieS auch dann auf dessen Erben über (§ 537 ABGB), wenn er den Eintritt des Substitutionsfalls nicht erlebt.
Erlöschen
Rspr und Schrifttum gestatten auch die sog befreite Vorerbschaft oder fideikommissarische Substitution auf den Überrest. Hier kann der Vorerbe über das Substitutionsgut frei verfügen und der Nacherbe erhält nur das, was übrig bleibt.
Befreite Vorerbschaft
Dafür ist beim Tod des Erblassers von Amts wegen ein Inventar zu errichten. Man weiß dann, woraus die (Vor)Erbschaft besteht. Das reduziert oder verhindert späteren Streit. – Bei Liegenschaften ist das Substitutionsband im Grundbuch (B-Blatt! → KAPITEL 2: Aufbau des Grundbuchs) anzumerken; JB 214 (1915).
Sicherung der Interessen des Nacherben
Vgl auch § 158 Abs 1 AußStrG: Amtswegige Sicherung von beweglichem Vermögen Minderjähriger oder begünstigter Personen. Nach § 77 Z 3 AußStrG vertritt die Interessen noch nicht geborener Nacherben ein Substitutions- oder Posteritätskurator.
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IV. Anwachsung, Akkreszenz, Zuwachs
Beispiel
„Mein letzter Wille!
Nach meinem Tod sollen meine Wohnungsnachbarin Frau Sabine M. und meine Freunde Georg L. und Hans H. [zu gleichen Teilen] meine Erben sein und alles erhalten, was ich besitze. – Frau Grete Müller, die bei mir immer sehr ordentlich aufgeräumt hat, setze ich ein Vermächtnis von 2.000 ı aus. Sie kann sich auch 15 Bücher nach eigener Wahl aus meiner Bibliothek aussuchen.”
Eigenhändige Unterschrift von Hubert H., mit Datum und Ortsangabe.
1. Was bedeutet ein solches Testament erbrechtlich?
Die Wohnungsnachbarin und die beiden Freunde werden je zu einem Drittel als Testamentserben eingesetzt, Frau Müller erhält Vermächtnisse / Legate: nämlich 2.000 ı und 15 Bücher.
Was ist aber, wenn bspw wenige Tage nach dem Tod von Hubert H. einer seiner erbrechtlich bedachten Freunde bei einem Autounfall ums Leben kommt oder seine Nachbarin, um nicht ins Gerede zu kommen, die Erbschaft ausschlägt? Was bedeutet das erbrechtlich insbesondere für den freiwerdenden Anteil von Frau Sabine M.? – Die Lösung bringt § 560 ABGB, der die Überschrift trägt: „Recht des Zuwachses”:
§ 560 ABGB
„Wenn alle Erben ohne Bestimmung der Teile, oder in dem allgemeinen Ausdrucke einer gleichen Teilung zur Erbschaft berufen werden, und es kann, oder will einer der Erben von seinem Erbrechte keinen Gebrauch machen; so wächst der erledigte Teil den übrigen eingesetzten Erben zu.”
Wir haben es mit sog Anwachsung / Akkreszenz zu tun. Georg L. und Hans H. erhalten demnach nicht nur – wie ursprünglich vorgesehen – je ein Drittel, sondern je die Hälfte aus der Erbschaft des Hubert H. – Zur Anwachsung kommt es, wenn alle Erben unbestimmt eingesetzt sind. Für unbestimmt eingesetzt gelten Erben aber auch dann, wenn der Erblasser sagt, dass sie alle gleich oder zu gleichen Teilen erben sollen. Hier gebührt allen Erben ein gleiches Zuwachsrecht. Also etwa dann:
Alle Erben unbestimmt eingesetzt
Beispiel
Sind dagegen alle zu bestimmten Teilen eingesetzt, oder einige Erben unbestimmt, andere dagegen bestimmt, enthalten die §§ 561 und 562 ABGB die Lösung:
§§ 561 und 562 ABGB
§ 561: „Sind ein oder mehrere Erben mit, ein anderer oder mehrere ohne Bestimmung des Erbteiles eingesetzt; so wächst der erledigte Teil nur dem einzelnen, oder den mehrern noch übrigen, unbestimmt eingesetzten Erben zu.”
Beispiel
§ 562 ABGB enthält die Regel, dass bestimmt eingesetzten Erben in keinem Falle das Zuwachsrecht” gebührt. Daher fällt, wenn kein unbestimmt eingesetzter Erbe übrig ist, ein erledigter Erbteil den gesetzlichen Erben zu und nicht etwa „einem noch übrigen, für einen bestimmten Teil eingesetzten”.
Beispiel
Zur Anwachsung nach den §§ 560 ff ABGB kommt es dann, wenn der Erblasser für den Fall des Ausfalls eines andern Erben nichts anderes verfügt hat; also zB nicht durch Ersatz- oder Nacherbschaft vorgesorgt hat. Aber nur bei der testamentarischen, nicht bei der gesetzlichen Erbfolge spielt das eine Rolle. Den verbleibenden eingesetzten Erben wächst der Anteil des „ausfallenden” Erben zu, ihr Anteil erhöht sich also.
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2. Zusammenfassung
Das lässt sich wie folgt zusammenfassen:
„Das Zuwachsrecht ist das Recht der eingesetzten Erben, (nebst ihrem eigenen Antheile) denjenigen Erbteil zu erhalten, welchen ein Miterbe (oder mehrere) nicht annehmen kann (§§ 538-546), oder nicht annehmen will (§ 805); vorausgesetzt, dass der Erblasser nicht schon eine ausdrückliche Vorsehung durch Ernennung eines Nacherben (§ 604) getroffen hat.” (Zeiller, Commentar § 560 ABGB Anm 1)
Zuwachsrecht
Nach § 689 ABGB gelten die Anwachsungsregeln auch für Vermächtnisse.
Vermächtnisse
Die Gründe, warum ein eingesetzter Erbe nicht zur Erbschaft gelangt, können vielfältig sein; etwa früherer Tod, Erbs­entschlagung oder eingetretene Erbunwürdigkeit. – Der eingesetzte Erbe kann zB vor oder nach dem Erblasser verstorben / weggefallen sein.
Gründe
Gelangen die Anwachsungs-, Zuwachs- oder Akkreszentregeln zur Anwendung, wird dadurch der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.
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C. Die gesetzliche Erbfolge
Bestimmt der / die Verstorbene nicht letztwillig oder ist die Verfügung etwa wegen eines Formmangels ungültig oder wirkungslos, ordnet das Gesetz an, wer Erbe sein soll; sog gesetzliche Erbfolge: §§ 727 ff ABGB.
Das Gesetz orientiert sich dabei grundsätzlich an der (typischen) Familienerbfolge; dh die nächsten Angehörigen / Verwandten sollen erben; vgl § 730 Abs 1 ABGB:
„Gesetzliche Erben sind der Ehegatte und diejenigen Personen, die mit dem Erblasser in nächster Linie verwandt sind.”
I. Die Parentelordnung
Das ABGB geht bei der Bestimmung der gesetzlichen Erbfolge nach dem Parentel- oder Liniensystem vor. Das Parantelsystem ist griechischen Ursprungs und wurde lange fälschlich über den Zwischenwirt, der es aus dem benachbarten oströmischen Exarchat Ravenna übernommen hatte, den Langobarden zugewiesen. – Die nähere Linie schliesst danach die entferntere aus; zB schließen vorhandene Kinder, allfällige Enkel und vorhandene Eltern, die Großeltern aus.
1. Die einzelnen „Linien”
Die erste Linie bilden die (ehelichen und unehelichen) Kinder des/r Verstorbenen und deren Nachkommen; § 731 Abs 1 ABGB.
Erste Linie
Stirbt ein Kind vor dem Erblasser, treten dessen Kinder an seine Stelle; sog Repräsentation.
Die zweite Linie bilden die Eltern und deren Nachkommen, das sind die Geschwister des oder der Verstorbenen; § 731 Abs 2 ABGB.
Zweite Linie
Die dritte Linie stellen die Großeltern und deren Nachkommen; § 731 Abs 3 ABGB; und
Dritte Linie
die vierte und letzte Linie bilden die Urgroßeltern; § 731 Abs 4 ABGB.
Vierte Linie
Innerhalb der jeweiligen Linie entscheidet wieder die Gradesnähe; Bruder / Schwester des oder der Verstorbenen = 2. Grad etc. – Existieren in einer Linie mehrere Kinder oder mehrere Brüder und Schwestern – also gradgleiche Verwandte – erben sie zu gleichen Teilen; sog Miterben.


Erbrechtliche Parentelordnung
Abbildung 17.9:
Erbrechtliche Parentelordnung
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2. Erbrecht der Vermächtnisnehmer – Kaduzität
Hinterlässt der Verstorbene weder Erben, noch Nacherben oder gesetzliche Erben, bestimmt § 726 ABGB die Vermächtnisnehmer zu verhältnismäßigen Erben; sog außerordentliches Erbrecht der Legatare.
Außerordentliches Erbrecht der Legatare
Ist auch kein gültiges Legat vorhanden, das für diese Erbfolge Voraussetzung ist, fällt der Nachlass als erbloses Gut an den Staat; sog Heimfallsrecht oder Kaduzität – § 760 ABGB.
Heimfallsrecht des Staates
Das Heimfallsrecht des Staates wird nicht als „richtiges” Erbrecht angesehen, vielmehr erblickt man darin ein besonderes Aneignungsrecht für einen subjektlosen Nachlass; vgl auch § 128 AußStrG: Ediktalverfahren. – Streitig ist, ob der Staat einen erblosen Nachlass ablehnen kann oder nicht; SZ 59/150 (1986.). Ein solcher Nachlass ist jedenfalls zu inventarisieren; § 92 Abs 2 Z 2 AußStrG. Der Staat (Bund) haftet als Heimfallsberechtigter allfälligen Gläubigern aber nur bedingt.
Rechtsgeschichtlich taucht das Heimfallsrecht des Staates zum ersten Mal in einer griechischen Pergamenturkunde auf, die 1922 in Dura-Europos (einer ehemals makedonischen Kolonie am linken Euphraturfer / Mesopotamien) gefunden wurde und um 300 v.C. anzusetzen ist; hier: Heimfallsrecht an den Seleukidenkönig.
Dura-Europos
Wer erhält die Erbschaft, wenn der testamentarisch eingesetzte Erbe ausfällt?
Institutus = Testamentarisch eingesetzter Erbe
Merksatz: ITSAILK
Transmissar = vererbungsähnliche Übertragung der Berufung
Substitut
Akkreszenz
Intestaterben = gesetzliche Erben
Legatare
Kaduzität = Heimfallsrecht des Staates.
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II. Das gesetzliche Ehegatten-Erbrecht
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten (§ 757 ABGB) konkurriert mit dem Verwandten-Erbrecht des Erblassers / der Erblasserin und existiert in dieser Form erst seit kurzer Zeit. In der rechtlichen Entwicklung spiegelt sich darin die Intensivierung der emotionalen Beziehungen zwischen den Ehepartnern wider, was allenfalls eine verhältnismäßig junge Entwicklung darstellt. – Ehegatten besaßen früher auch kein Pflichtteilsrecht → Pflichtteils- oder Noterbrecht In dieser Entwicklung offenbart sich auch ein Zurückdrängen der Blutsverwandten der Erblasserin / des Erblassers zugunsten des/r Ehegattin/en.
Zur Familienentwicklung in Richtung Kernfamilie → KAPITEL 16: Zur Entwicklung der Familie: Familiensoziologie
1. Was erben Gatten?
Der/die Ehegatte/in erbt gesetzlich:
Neben Kindern des Erblassers / der Erblasserin (und deren Nachkommen) 1/3 des Nachlasses;
neben Eltern des Erblassers (und deren Nachkommen) oder neben Großeltern... 2/3 des Nachlasses; Näheres § 757 ABGB. (Das ABGB kennt noch Zwischenstufen.)
• Fehlen gesetzliche Erben der ersten oder zweiten Linie und Großeltern, erhält der Ehegatte den ganzen Nachlass.
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2. Der sog „Voraus”
Literaturquelle
Nach § 758 ABGB haben überlebende Ehegatten nunmehr als gesetzliches Vorausvermächtnis – sog „Voraus” – auch das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen (→ Der sog „Voraus”) , und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen zu benützen, soweit sie zur Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Dem überlebenden Ehegatten werden dadurch seine bisherigen Lebensverhältnisse – unter Einbeziehung der Ehewohnung (samt Hausrat + sonstiger Wohnungsausstattung) – gesichert und es wird ihm ermöglicht, seinen Lebensstil in der gewohnten und vertrauten Umgebung beizubehalten; uzw unabhängig davon, welche Verwandten des Erblassers noch vorhanden sind.
Bei Gefahr der Überschuldung muss – wie folgende E zeigt – das Wohnrecht des gesetzlichen Voraus durch Verbücherung rechtzeitig gegen Gläubigerzugriff gesichert werden. Vgl auch oben schon oben → Erbeinsetzung und Vermächtnis: Verständnis des Wohnrechts des überlebenden Gatten als Vindikationslegat (Eccher). Dieses Verständnis verdient gegenüber der hA den Vorzug.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 25. 4. 2001, 3 Ob 220/00z, EvBl 2001/172: Ehegattin und Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes kämpft um ihr Recht, in der Ehewohnung bleiben zu können; § 758 ABGB. Die entsprechende Liegenschaft aus dem überschuldeten Nachlass wird versteigert ohne dass das gesetzliche Vorausvermächtnis in die Versteigerungsbedingungen aufgenommen wird. – OGH: Der gesetzliche Voraus geht Erblasserschulden im Range nach. Demnach hat der aus § 758 ABGB Berechtigte, wenn das Wohnrecht nicht dinglich begründet wird, keinen Schutz gegenüber Gläubigern des Erben. Der Ersteher einer Liegenschaft übernimmt mit dem Zuschlag nicht die Verpflichtung des Nachlasses auf Gewährung des gesetzlichen Voraus gegenüber dem überlebenden Ehegatten. (?)
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III. Das gesetzliche Erbrecht unehelicher Kinder
Die vollständige erbrechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder (mit ehelichen) erfolgte erst durch das ErbRÄG 1989, das 1991 in Kraft getreten ist.
Erbrechtliche Gleichstellung
Uneheliche Kinder hatten seit jeher ein gesetzliches Erbrecht in den Nachlass der Mutter und von deren Verwandten. Seit 1991 beerben sie auch den Vater und dessen Verwandte wie eheliche Kinder. Voraussetzung für ihr Erbrecht dem Vater gegenüber ist es aber, dass die Vaterschaft des Erblassers feststeht.
Vgl dazu § 763 ABGB, wo nunmehr im Rahmen der Benennung der Noterben festgestellt wird, daß „zwischen ehelicher und unehelicher Geburt kein Unterschied” stattfindet. – Zur Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde vgl die §§ 163 ff ABGB. – Zur Pflichtteilsminderung nach § 773a ABGB → Enterbung, Erbverzicht, Pflichtteilsminderung
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IV. Das bäuerliche Erbrecht als Anerbenrecht
Literaturquelle
Rechtsquellen: AnerbenG 1958, TirHöfeG 1900 und Kärntner ErbhöfeG 1903.
des SondererbrechtsZiel des bäuerlichen Sondererbrechts ist die Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und wirtschaftlicher Betriebsgrößen. Deshalb müssen Erbteilungen vermieden werden, da andernfalls Besitzzersplitterung unvermeidbar wäre. An die Stelle der normalen Erbfolge tritt daher das An- (= Ein)Erbenrecht, dem schon ein altes Rechtssprichwort Rechnung trägt: „Der Bauer hat nur ein Kind.”
Ziel
Diese bäuerliche Erbsitte kannten schon die alten Griechen; vgl Platon, Nomoi V 740 b. Dem bevorzugten Anerben als Übernehmer des bäuerlichen Anwesens, stehen die weichenden Erben – zB Gatte/in oder Geschwister – gegenüber. Sie werden abgefunden und zwar so, dass der/die Übernehmer/in „wohl bestehen” kann, dh mit einem (wirtschaftlich) tragbaren Wertanteil; vgl etwa EvBl 1999, 12.
Bäuerliche Erbsitte
Das AnerbenG 1958 gilt – mit Ausnahme von Tirol und Kärnten nunmehr für ganz Österreich; vgl § 21 AnerbG. – Vorarlberg war lange Zeit ein sog Realteilungsgebiet, hat aber nunmehr das Anerbenrecht übernommen.
Anwendungsbereich
Das Gesetz gilt nur für geschlossene Höfe, das sind landwirtschaftlich mit einem Wohnhaus versehene Besitzungen, deren Grundbuchseinlage sich in der Höfeabteilung des Hauptbuchs befindet → KAPITEL 2: Aufbau des Grundbuchs. Der Durchschnittsertrag muss zur angemessenen Erhaltung einer Familie von mindestens fünf Köpfen ausreichen, ohne das Vierfache zu überschreiten.
TirHöfeG 1900 idgF


Bäuerliches (Sonder)ErbR (1)
Abbildung 17.10:
Bäuerliches (Sonder)ErbR (1)


Bäuerliches (Sonder)ErbR (2)
Abbildung 17.11:
Bäuerliches (Sonder)ErbR (2)


Bäuerliches (Sonder)ErbR (3)
Abbildung 17.12:
Bäuerliches (Sonder)ErbR (3)


Bäuerliches (Sonder)ErbR (4)
Abbildung 17.13:
Bäuerliches (Sonder)ErbR (4)
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 28. 6. 2000, 6 Ob 144/00w, SZ 73/104 = JBl 2001, 61: OGH bejaht Erbhofeigenschaft trotz hoher Schulden. – Eine bestehende Schuldenlast ist bei der für die Erbhofeigenschaft maßgeblichen Leistungsfähigkeit des Betriebes zu berücksichtigen. Bestehen konkrete Chancen, Teile der land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaften in absehbarer Zeit zu veräußern und damit die aushaftenden Forderungen zu befriedigen, und kann der festgestellte Durchschnittsbedarf zweier Personen aus dem verbleibenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gedeckt werden, ist die Erbhofeigenschaft ungeachtet der vorhandenen Schulden zu bejahen.
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D. Pflichtteils- oder Noterbrecht
I. Einschränkung der Testierfähigkeit
Die Testierfreiheit – als wichtige Erscheinungsform der Privatautonomie und Ausformung der Geschäftsfähigkeit – wird durch das Pflichtteilsrecht insoweit eingeschränkt, als bestimmte Personen vom Erblasser nicht übergangen werden dürfen, vielmehr bedacht werden müssen; §§ 762 ff ABGB. Das Gesetz nennt den „Erbteil, welchen diese Personen zu fordern berechtigt sind … Pflichtteil” und die Forderungsberechtigten „Noterben”; § 764 ABGB. – Das Pflichtteilrecht unterlag historischen Schwankungen. Am jüngsten ist das Pflichtteilsrecht der Ehegatten, woran sich die starke gesellschaftliche Aufwertung gefühlsmäßiger Nahbeziehungen ausserhalb von Verwandtschaft zeigt.
1. Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Die Personen, die der Erblasser „in der letzten Anordnung bedenken muss, sind ...”:
• „seine Kinder [= Nachkommen / Deszendenten], [und] in Ermangelung solcher
• seine Eltern,
• und der [überlebende] Ehegatte.”
§ 763 ABGB bringt die berühmte gesetzliche Festlegung der Begriffe „Kinder” und „Eltern” verbunden mit dem Hinweis, dass „hier zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlechte; zwischen ehelicher und unehelicher Geburt kein Unterschied statt” findet.
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2. Pflichtteilsbemessung
Als Pflichtteil gebührt:
Wer erhält wieviel?
• jedem Kind (= Nachkommen) und dem Ehegatten die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen Erfolge zugefallen wäre; § 765 ABGB
Vorfahren (nur Eltern) ein Drittel; § 766 ABGB.
Daher die Merkregel: Um den konkreten Pflichtteil bestimmen zu können, muss immer zuerst der gesetzliche Erbteil errechnet werden.
Merkregel
Die §§ 784-786 bestimmen die „Art der Ausmessung und Berechnung des Pflichtteiles” näher.
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3. Zum Pflichtteilsanspruch
Der Pflichtteilsanspruch ist eine Forderung auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlasswertes in Geld und kein Anspruch auf einen aliquoten Teil des Nachlasses; SZ 45/36 (1972) oder EFSlg 20.127. – Der Pflichtteilsanspruch entsteht bereits mit dem Tod des Erblassers und nicht erst mit seiner Geltendmachung; SZ 57/11 (1984). Er ist eine Nachlassschuld, und daher nur gegen die Erben, nicht gegen Legatare geltend zu machen; zB SZ 11/71 (1929). Pflichtteilsansprüche können nur im Prozess geltend gemacht werden; SZ 54/122 (1981) ua. – Adoptivkinder sind pflichtteilsberechtigt, auch wenn die Adoption erst nach Testamentserrichtung erfolgte; RZ 1955, 146. – Nach dem Tod von Sohn oder Tochter des Erblassers sind nach § 779 Abs 1 ABGB deren Kinder (= Enkel des Erblassers) pflichtteilsberechtigt; EvBl 1987/48.
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4. Enterbung, Erbverzicht, Pflichtteilsminderung
Aus schwerwiegenden, im Gesetz genannten Gründen – §§ 767 ff ABGB: zB schwere Straftaten oder ein unsittlicher Lebenswandel – kann ein/e ErblasserIn einer pflichtteilsberechtigten Person auch den Pflichtteil entziehen; Enterbung. – Keinen Pflichtteilsanspruch hat ferner, wer auf seinen Pflichtteil verzichtet hat; § 767 ABGB.
Enterbung als Pflichtteilsentzug
Zu einer Pflichtteilsentziehung kann es nach § 782 ABGB auch dann kommen, wenn „der Erbe beweisen kann, dass ein mit Stillschweigen übergangener Noterbe sich einer der in den §§ 768-770 angeführten Enterbungsursache schuldig gemacht hat”. – Die Übergehung gilt dann als „stillschweigende rechtliche Enterbung”.
§ 773a ABGB (in Kraft seit 1991) kennt die Möglichkeit der Pflichtteilsminderung, wenn das an und für sich pflichtteilsberechtigte Kind und der vererbende Elternteil „zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis [standen], wie es in der Familie zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich besteht”; Reduktionsmöglichkeit auf die Hälfte des Pflichtteils. – Das trifft häufig nichteheliche Kinder.
Pflichtteilsminderung
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5. Wie ist der Pflichtteil zu hinterlassen?
§ 774 ABGB bestimmt, wie der Pflichtteil zu hinterlassen ist; zB als Erbteil oder als Vermächtnis. – Der Pflichtteil muss zwar nicht als solcher bezeichnet werden, aber er „muss … dem Noterben ganz frei bleiben. Jede denselben einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig.”
Von praktischer Bedeutung bei der Pflichtteilsberechnung ist immer wieder die Frage der Anrechnung von Vor(aus)empfängen, insbesondere von Schenkungen; dazu → Anrechnung auf den Pflichtteil: §§ 787 ff ABGB Vgl den Grundsatz des § 787 Abs 1 ABGB:
Anrechnung von Vor(aus)empfängen
„Alles, was die Noterben durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten, wird bei Bestimmung ihres Pflichtteiles in Rechnung gebracht.”
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II. Rechtsmittel des Noterben
Bei widerrechtlicher Enterbung oder einer Verkürzung des Pflichtteils kann ein Noterbe „den ihm gebührenden vollen Pflichtteil oder eine Ergänzung desselben verlangen; § 775 ABGB. – Das gilt nach § 776 ABGB bei „einer gänzlichen [stillschweigenden] Übergehung” eines dem Erblasser bekannten Kindes. War dem Erblasser „das Dasein” des Kindes dagegen unbekannt, kann der/die Übergangene einen Erbteil verlangen; näheres § 777 ABGB. – Stirbt ein Kind vor dem Erblasser und hinterlässt Nachkommen, so „treten diese mit Stillschweigen übergangenen Abstämmlinge in Ansehung des Erbrechts an die Stelle des Kindes”; § 779 Abs 1 ABGB. § 779 Abs 2 ABGB erstreckt die Regel der Pflichtteilsminderung des § 773a ABGB auf die „Nachkommen eines vorverstorbenen Noterben”. Nach § 780 ABGB sind auch die „Abstämmlinge eines enterbten Kindes … bloß befugt, den Pflichtteil zu verlangen”, und dies auch, „wenn der Enterbte den Erblasser überlebt hat”. – Auch der Ehegatte oder die Eltern können, wenn sie „mit Stillschweigen übergangen” wurden, „nur den Pflichtteil fordern”.
1. Wer muss zur Entrichtung des Erb- oder Pflichtteils beitragen?
Nach § 783 ABGB müssen immer dann, „wenn einem Noterben der gebührende Erb- oder Pflichtteil gar nicht oder nicht vollständig ausgemessen worden ist, … sowohl die eingesetzten Erben als auch die Legatare, nicht jedoch der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung beitragen”.
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2. Anrechnung auf den Pflichtteil: §§ 787 ff ABGB
Literaturquelle
§ 787 Abs 1 ABGB stellt grundsätzlich fest, dass alles, „was die Noterben durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten, … bei Bestimmung ihres Pflichtteiles in Rechnung gebracht” wird.
§ 788 ABGB erstreckt das auf das Heiratsgut der Tochter oder Enkelin und die Ausstattung von Söhnen oder Enkeln. Auch das, was der/die Erblasser/in „zur Bezahlung der Schulden eines volljährigen Kindes verwendet hat, wird in den Pflichtteil eingerechnet”. – Nach § 789 ABGB sind auch Vorschüsse und das gesetzliche Vorausvermächtnis in den Pflichtteil einzurechnen.
Heiratsgut
Vgl dazu auch die Ausführungen im Rahmen der Schenkung → KAPITEL 3: Schenkungsanrechnung.
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3. Unterhalt des Noterben
§ 795 ABGB statuiert schließlich, dass auch einem Noterben, „der von seinem Pflichtteil … gesetzmäßig ausgeschlossen” wurde, „doch immer der notwendige Unterhalt ausgemessen werden” muss.
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E. Erbvertrag – Vermächtnisverträge
I. Erbvertrag
1. Abschlussvoraussetzungen
Das ABGB regelt mit dem Erbvertrag ein altes Rechtsinstitut, das historisch vielfach dynastischen Zwecken gedient hat, heute aber kaum noch vorkommt.
Die §§ 1249–1254 ABGB regeln, als Teil des 28. HptSt „Von den Ehepakten”, den Erbvertrag. § 1249 ABGB bestimmt, dass Erbverträge nur zwischen Ehegatten abgeschlossen werden können, wobei eine doppelte Formvorschrift zu beachten ist:
• Einerseits wurde das schlichte Schriftformerfordernis des ABGB vom NotZwG (§ 1 lit a) zum Notariatsakt gesteigert; vgl auch die Entwicklung bei der Schenkung → KAPITEL 3: Form der Schenkung?.
• Darüber hinaus bestimmt § 1249 Satz 2 ABGB, dass zur „Gültigkeit eines solchen Vertrages ... notwendig [ist], dass er ... [auch] mit allen Erfordernissen eines schriftlichen Testaments errichtet wird”.
Das bedeutet, dass nicht einmal die Form des Notariatsakts genügt, sondern entweder ein zweiter Notar oder zwei weitere Zeugen beigezogen werden müssen; §§ 56, 67 NO.
Ist ein Formmangel unterlaufen, kann der ungültige Erbvertrag uU in ein gültiges Testament umgedeutet werden; zur Umdeutung / Konversion → KAPITEL 15: Die Umdeutung oder Konversion.
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2. Abschlussmöglichkeit für Brautpersonen
Ein HfD von 1817 (JGS 1340/1817) gestattet es auch „Brautpersonen „, Erbverträge zu schließen, sofern „die Abschließung der Ehe zwischen ihnen erfolgt”. – Auf Grund dessen lässt man in Analogie zum HfDK auch gemeinschaftliche Testamente zwischen Verlobten zu; Kralik, Erbrecht 141 (1993).
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3. Wirkungen des Erbvertrags
Mittels Erbvertrag kann man – wie durch Testament – letztwillig über sein Vermögen verfügen. Der Erbvertrag schafft den stärksten Erbrechtstitel / Berufungsgrund.
Wie andere Verträge, können auch Erbverträge nicht einseitig widerrufen werden; pacta sunt servanda: § 1254 ABGB. – Darin liegt der Unterschied zum Testament!
Kein Widerruf
§ 1253 ABGB bestimmt, dass mittels Erbvertrags nur über 3/4 des Nachlasses verfügt werden darf; ein „reinesViertel (= keine wie immer gearteten Belastungen, sei es durch Pflichtteil oder sonstige Schulden; die Handhabung ist umstritten) muss für Testamente oder die gesetzliche Erbfolge vorbehalten bleiben.
„Reines” Viertel
Das gilt nach § 1253 ABGB auch dann, wenn der Erblasser über dieses Viertel nicht verfügt hat oder dem Vertragserben die ganze Verlassenschaft versprochen wurde.
Mittels Erbvertrag können sich nach hM und Rspr nur die Vertragspartner– also Ehe- oder Brautleute – gegenseitig zu Erben einsetzen; nicht dagegen Dritte. – Es gibt demnach keinen Erbvertrag zugunsten Dritter.
Keine Einsetzung „Dritter”
Das Recht aus dem Erbvertrag ist zweifach bedingt:
Recht: Zweifach bedingt
• einerseits durch den Tod des Versprechenden und
• andrerseits durch das Überleben des anderen Vertragsteils.
§ 1252 Satz 1 ABGB stellt klar, dass ein abgeschlossener Erbvertrag die Vertragspartner nicht daran hindert, mit dem eigenen Vermögen zu Lebzeiten „nach Belieben zu schalten”; Parallele zum Testament. – Das freie Verfügungsrecht des Erblassers zu seinen Lebzeiten wird demnach durch den Erbvertrag nicht eingeschränkt. Nach § 1252 ABGB richtet sich der Anspruch des Vertragserben ausschließlich auf den Nachlass.
Freie Verfügung zu Lebzeiten
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II. Vermächtnisverträge
Erbverträge können nicht nur – vgl schon das zur Erbeinsetzung Gesagte – über einzelne Nachlassgegenstände geschlossen werden. Die hM bejaht auch in Analogie zum Erbvertrag zwischen Ehegatten und Brautleuten die Zulässigkeit von Vermächtnisverträgen, wodurch dem überlebenden Ehegatten die Stellung eines Vermächtnisnehmers eingeräumt wird. Diese Stellung kann einseitig – also nur einem Gatten – oder gegenseitig eingeräumt werden.
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F. Die Erbenhaftung
Das Erben hat nicht nur „angenehme” Seiten, es birgt auch Gefahren: Erben haften nämlich auch für Schulden; und zwar:
• für solche des Erblassers (Erblasserschulden) und
• solche, die erst mit dem Erbgang entstehen; Erbgangs- oder Erbfallsschulden.
Beide zusammen machen die Nachlassverbindlichkeiten aus.
I. Erblasserschulden
Nach § 548 ABGB übernimmt „Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte, ... sein Erbe.”
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 49/136 (1976): Hat der Erblasser ein Auto gekauft, aber noch nicht geliefert bekommen und daher auch nocht nicht bezahlt, geht diese offene Kaufpreisschuld auf den/die Erben über. – OGH: Es reicht hin, wenn eine Schuld auch nur dem Rechtsgrund nach zu Lebzeiten des Erblassers entstanden ist, der Modus zum Zeitpunkt des Erbfalls also noch fehlt.
OGH 25. 4. 2001, 3 Ob 220/00z, EvBl 2001/172: Ehegattin und Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes kämpft um ihr Recht, in der Ehewohnung bleiben zu können (§ 758 ABGB). Die entsprechende Liegenschaft aus dem überschuldeten Nachlass wird versteigert ohne dass das gesetzliche Vorausvermächtnis in die Versteigerungsbedingungen aufgenommen wird. – OGH: Der gesetzliche Voraus geht Erblasserschulden im Range nach. Demnach hat der aus § 758 ABGB Berechtigte, wenn das Wohnrecht nicht dinglich begründet wird, keinen Schutz gegenüber Gläubigern des Erben. Der Ersteher einer Liegenschaft übernimmt mit dem Zuschlag nicht die Verpflichtung des Nachlasses auf Gewährung des gesetzlichen Voraus gegenüber dem überlebenden Ehegatten. (?)
Vgl auch § 1337 ABGB, wonach entstandene Schadenersatzverbindlichkeiten des Erblassers auf die Erben übergehen. Heute gilt das auch für Schmerzengeld → KAPITEL 9: Schmerzen(s)geld.
§ 1337 ABGB
Erblasserschulden treffen zunächst den Nachlass und nach Einantwortung der Erbschaft (Erbserklärung) den/die Erben; § 547 ABGB. – Das gilt auch für die Erbschaftssteuer, die nach § 12 Abs 1 Erbschafts- und SchenkungssteuerG grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers entsteht; es bestehen aber zahlreiche Ausnahmen. – Keine Erblasserschulden sind höchstpersönliche Schulden des Erblassers; sie erlöschen mit seinem Tod. So etwa ein Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 364c Satz 1 ABGB) oder eine persönliche Leibrentenverpflichtung des Erblassers. Auch das Vorkaufsrecht ( → KAPITEL 2: Das Vorkaufsrecht) ist nach § 1073 iVm § 1074 ABGB ein „persönliches Recht”.
Erblasserschulden treffen zunächst den Nachlass
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II. Erbgangs- oder Erbfallsschulden
Sie entstehen erst mit dem Erbgang und treffen bis zur Einantwortung den Nachlass, dann wiederum den/die Erben. – § 549 ABGB nennt die Kosten für ein „angemessenes Begräbnis” des Verstorbenen und dazu werden im Zusammenhang damit noch weitere Todfallskosten gezählt: etwa Grabkosten, Todesanzeigen etc. – Praktisch wichtig sind auch die Pflichtteils- und Unterhaltsschulden, Vermächtnisse und Abhandlungskosten.
Entstehen erst mit dem Erbgang
Rechtssprechungsbeispiel
GH 13. 9. 1999, 4 Ob 204/99s, EvBl 2000/40: Nach dem Tod ihres Kindes streiten sich die Eltern darüber, wer die Begräbniskosten zu tragen hat. Zu Lebzeiten des Kindes erbrachte der Vater den Unterhalt (§ 140 ABGB) in Form von Geld, die Mutter durch Betreuungsleistungen. – OGH: Begräbniskosten sind nicht Unterhalt iSd § 140 ABGB; gem § 549 ABGB sind die Kosten primär Nachlassverbindlichkeiten. – Reicht der Nachlass nicht aus, ergibt sich die Pflicht der ehemals Unterhaltspflichtigen zur anteiligen Zahlung aus dem nahen Verwandtschaftsverhältnis. Die Begräbniskosten ihres Kindes haben grundsätzlich beide Eltern je zur Hälfte zu zahlen.
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III. Wer haftet vor, wer nach der Einantwortung?
Vor Einantwortung haftet (bloß) der Nachlass → Erbrecht im objektiven und im subjektiven Sinn Nachlass und Erbenvermögen sind bis zur Einantwortung rechtlich getrennt. – Mit Einantwortung wird der Erbe aber Universalsukzessor (Gesamtrechtsnachfolger) des Erblassers und übernimmt damit (neben Rechten) auch dessen Schulden. – Die beiden getrennten Vermögensmassen verschmelzen nunmehr zu einer.
Wie kann sich ein Erbe gegen finanzielle Nachteile schützen, die dadurch entstehen können, dass der Nachlass überschuldet ist? Vgl auch → Erbserklärungen – Die bedingte und unbedingte Erbserklärung gelten als reine Verfahrenserklärungen, auf die nicht die Regeln der §§ 869 ff ABGB Anwendung finden. Sie könne daher grundsätzlich (nachträglich) nicht widerrufen oder angefochten werden.
Nachlass überschuldet
1. Bedingte Erbserklärung
Das Gesetz gewährt für solche Fälle die bedingte Erbserklärung: Das ist Erbschaftsantritt mit der Rechtswohltat des Inventars, also cum beneficio inventarii. Sie bewirkt eine Haftungsbeschränkung des Erben auf das übernommene Nachlassvermögen, das zu seiner Feststellung inventarisiert wird; sog pro viribus hereditatis-Haftung (= Betragsbeschränkung).
Rechtswohltat des Inventars
Die Inventarerrichtung kann mit einer sog Gläubigerkonvokation / Gläubigereinberufung einhergehen (§§ 813 ff ABGB und §§ 133 ff AußStrG), die unbedingt zu empfehlen ist, da Erben ohne erfolgte Konvokation nach § 815 ABGB, sonst gegenüber sich allenfalls erst später meldenden Gläubigern haften.
Gläubigerkonvokation
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2. Die unbedingte Erbserklärung
Sie bedeutet unbeschränkte Erbenhaftung und sollte nur abgegeben werden, wenn feststeht, dass der Nachlass nicht überschuldet ist. – Im Familienkreis weiß man das meist, sonst ist jedoch Vorsicht geboten.
Unbeschränkte Erbenhaftung
Mit Einantwortung findet (auch hier) die Trennung zwischen dem Nachlass- und dem Erbenvermögen ein Ende. Gläubiger des Erben können nunmehr auf das Gesamtvermögen des Erben greifen, zu dem nun auch die Erbschaft gehört.
Ist der Erbe überschuldet, können die Nachlassgläubiger aber die Absonderung der Verlassenschaft / Nachlassseparation / separatio bonorum verlangen; § 812 ABGB. – Denn die Rechte der Nachlassgläubiger könnten durch die Vermögensvereinigung von Nachlass und Erbenvermögen beeinträchtigt werden. Verlangt wird dafür eine Gefahrbescheinigung.
Nachlassseparation
Nur die Nachlassgläubiger verfügen über ein eigenes Schutzmittel, nicht die Erbengläubiger, die sich nicht dagegen wehren können, dass ein Erbe bspw einen überschuldeten Nachlass unbedingt antritt. – Grenzen gegen ein solches Vorgehen bieten allenfalls Rechtsmissbrauch und Schikane: §§ 1295, 1305 ABGB → KAPITEL 11: Rechtsmissbrauch und Schikane.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 12. 4. 2000, 4 Ob 80/00v, SZ 73/69 = EvBl 2000/175: Erblasser hinterlässt 2 Söhne; der Nachlass ist überschuldet. Im Verlassenschaftsverfahren gibt ein Bruder im eigenen Namen und als Bevollmächtigter des andern Bruders eine unbedingte Erbserklärung ab. Der vertretene Bruder will die Erbserklärung idF wegen Irrtums anfechten, da der Gerichtskommissär über die Folgen der unbedingten Erbserklärung nicht aufgeklärt habe. – OGH vertritt weiterhin die Meinung, dass auf die Erbserklärung, als Verfahrenserklärung, die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr bestimmten Vorschriften der §§ 869 ff ABGB nicht anzuwenden sind. Erbserklärungen können daher auch nicht wegen Irrtums angefochten werden. – OGH betrachtet die Erklärung als reine Prozesshandlung und nicht etwa als quaestio mixta.
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IV. Miterben – Miteigentumsgemeinschaft
Erben mehrere Personen – kraft Gesetzes oder Erblasserwillens – entsteht mit Einantwortung eine Miteigentumsgemeinschaft. Die Miterbengemeinschaft ist Bruchteilsgemeinschaft; zum schlichten Mit- oder Bruchteilseigentum → KAPITEL 8: Schlichtes oder ideelles Miteigentum. – Wie beim schlichten Miteigentum kann auch jeder Miterbe über seinen ideellen Anteil frei verfügen, nicht aber über das Ganze oder reale Teile. Auch hier ist nicht die Sache, sondern nur das Recht geteilt.
Bruchteilsgemeinschaft
1. Verwaltung
Wie beim schlichten Miteigentum entscheidet die Anteilsmehrheit über Fragen der ordentlichen Verwaltung. – Die Rechtsgemeinschaft beginnt mit der Einantwortung. Die Miterben werden schlichte Miteigentümer der körperlichen (beweglichen und unbeweglichen) Sachen und Mitgläubiger allfälliger Nachlassforderungen; §§ 889, 890 ABGB.
Rechtsgemeinschaft beginnt mit der Einantwortung
Zu erinnern ist daran, dass der Erbgang der häufigste Fall der Entstehung von schlichtem Miteigentum ist.
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2. Haftung für Nachlassschulden
Für Nachlassschulden gilt für Miterben folgendes:
• Bei unbedingter Erbserklärung haften Miterben im Außenverhältnis unbeschränkt und solidarisch; § 820 Satz 1 ABGB. Im Innenverhältnis dagegen „nach Verhältnis ihrer Erbteile”; § 820 Satz 2 ABGB.
• Bei bedingter Erbserklärung (samt Rechtswohltat des Inventariums) haften Miterben – wenn die Schuld teilbar ist – beschränkt (pro viribus hereditatis) und anteilig; § 821 Satz 2 ABGB. Bei Unteilbarkeit der Schuld haften Miterben zwar betragsbeschränkt bis zur Höhe des Nachlasswertes, aber solidarisch.
Kombination beider Möglichkeiten: Haben einzelne Miterben eine unbedingte, andere eine bedingte Erbserklärung abgegeben, kommt allen Miterben die Rechtswohltat des Inventars, also eine beschränkte und anteilige Haftung zugute; § 807 Satz 1 ABGB.
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3. Aufhebung der Erbengemeinschaft
Die Erbengemeinschaft kann durch Erbteilung aufgehoben werden. Dies geschieht durch ein gerichtliches oder außergerichtliches Erbteilungsübereinkommen, das Einstimmigkeit braucht. – Bei Nichteinigung ist mittels Erbteilungsklage vorzugehen; § 170 AußStrG.
Erbteilung
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G. Der Erbschaftskauf
Literaturquelle
I. Erbschaftskauf als Glücksvertrag
Das ABGB regelt den Erbschaftskauf, das ist der Kauf einer (vom Verkäufer bereits angetretenen, oder ihm wenigstens angefallenen) Erbschaft, im 29. Hauptstück: „Von den Glücksverträgen”; §§ 1278-1283 ABGB → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte. Dies deshalb, weil der Käufer einer Erbschaft „nicht allein in die Rechte [des Verkäufers = Erben eintritt]; sondern auch in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erbe, insoweit diese nicht bloß persönlich sind. Wenn also bei dem Kaufe kein Inventarium zugrunde gelegt wird, ist auch der Erbschaftskauf ein gewagtes Geschäft”; § 1278 ABGB. – Es empfiehlt sich daher stets ein Inventarium zu errichten.
1. Form
Die III. TN statuierte eine – ursprünglich im ABGB nicht bestehende – Formpflicht: Notariatsakt oder Beurkundung durch gerichtliches Protokol l; § 1278 Abs 2 ABGB. – Formbedürftig ist nach hA aber nicht nur der Erbschaftskauf, sondern auch die Erbschaftsschenkung; NZ 1999, 124 (126).
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2. Haftung für Erbschaftsschulden
Erbschaftsgläubiger und Vermächtnisnehmer können sich nach § 1282 ABGB wegen „ihrer Befriedigung ... sowohl an den Käufer der Erbschaft, als an den Erben selbst halten. Ihre Rechte, sowie jene der Erbschaftsschuldner werden durch den Verkauf der Erbschaft nicht geändert ...”
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3. Haftung des Verkäufers gegenüber dem Käufer
Wurde dem Verkauf ein Inventar zugrunde gelegt, haftet der Verkäufer danach; wurde der Kauf ohne ein solches geschlossen, haftet der Verkäufer dem Käufer für die „Richtigkeit seines Erbrechtes” und „für allen dem Käufer durch sein Verschulden zugefügten Schaden”; § 1283 ABGB.
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II. Praktische Bedeutung
Interessante Nachlässe finden immer wieder ihre Käufer. Diese hoffen auf für sie wertvolle Bestandteile der Erbschaft, seien es Möbel, Bücher, alte Urkunden, Korrespondenzen, Bilder oder sonstige Wertgegenstände. – Als Sonderfall des Kaufs in Pausch und Bogen (§§ 930, 1049, 1276 ABGB) wird die Gesamtsache Erbschaft so gekauft „wie sie [steht] und [liegt], ohne Zahl, Maß und Gewicht”; § 930 ABGB. Es handelt sich um einen Hoffnungskauf → KAPITEL 2: Hoffnungskauf; vgl die Marginalrubrik vor § 1275 ABGB. – Zu achten ist bei solchen Käufen auf die grundsätzlich bestehende Haftung gegenüber Erbschaftsgläubigern → Der Erbschaftskauf.
Sonderfall des Kaufs in Pausch und Bogen
Beachte
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H. Einweisung in die Erbschaft – Das Verlassenschaftsverfahren
Anders als etwa nach schweizerischem (Art 560 ZGB) oder deutschem Recht (§ 1922 BGB) erlangt ein Erbe nach ABGB den Nachlass nicht automatisch mit dem Tod des Erblassers, sondern erst durch richterliche Einweisung (Einantwortung) im Rahmen eines ausgeformten Verlassenschaftsverfahrens. – Darauf wird in der Folge überblicksmäßig eingegangen.
Rechtshistorisch sei angemerkt, dass die österreichische Lösung dem antiken griechischen Recht entspricht, die deutsche und schweizerische dagegen eher dem römischen.


Erbrecht folgt Lehre von Titel und Modus
Abbildung 17.14:
Erbrecht folgt Lehre von Titel und Modus
I. Ziele des Verlassenschaftsverfahrens
Wir haben gehört, dass das ABGB das Erbrecht – unzutreffenderweise – noch zu den dinglichen Rechten zählt; § 308 ABGB. Deshalb wendet es auf das Erbrecht auch die für den Erwerb dinglicher Rechte charakteristische Lehre von Titel und Modus an: §§ 380, 425 ABGB → KAPITEL 2: Die Lehre von Titel und Modus. Der jeweilige erbrechtliche Berufungsgrund (Gesetz, Testament oder Erbvertrag) ist danach der Titel (§ 799 ABGB); als Modus fungiert die gerichtliche Einantwortung, womit die Übergabe in den rechtlichen Besitz erfolgt (§ 797 ABGB).
Titel und Modus
Als Ziel des Verlassenschaftsverfahrens sind zu nennen:
• Das Verhindern von Streit und verbotener Eigenmacht; vgl die Ziele des Besitzschutzes!
• Das Gericht sorgt auch für die nötige Richtigstellung des Grundbuchs und den Schutz Pflegebefohlener;
• schließlich soll dadurch auch sichergestellt werden, dass die anfallenden Gebühren, Abgaben und Steuern entrichtet werden.
1. Verlassenschaftsverfahren – Zeitlicher Ablauf
Ist eine Person verstorben, übersendet das Standesamt, das ua das Sterbebuch führt (→ Das Personenstandsrecht: Personenstandsrecht), die Sterbeurkunde(in Abschrift) an das Wohnsitz-Bezirksgericht des Verstorbenen, das für das Verlassenschaftsverfahren zuständig ist; sog Todfallsanzeige → Der Verfahrensablauf Sachlich zuständig für die in der Folge stattfindende Todfallsaufnahme (→ Von der Todfallsaufnahme (§§ 34–60 AußStrG) und weiteren Regelungen des Verlassenschaftsverfahrens) ist jenes Bezirksgericht, bei dem die/der Verstorbene zuletzt ihren / seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte; § 21 AußStrG iVm § 105 JN.
Todfallsanzeige und Todfallsaufnahme
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2. Gliederung des Verlassenschaftsverfahrens
Das Verlassenschafts-, Nachlass- oder Abhandlungsverfahren wird in ein:
Vorverfahren, in dessen Mittelpunkt die sog Todfallsaufnahme steht, und
• die Verlassenschaftsabhandlung, als Hauptverfahren unterteilt.
Ziel des Vorverfahrens ist es, jene Fälle zu bestimmen, bei denen es zu einer Verlassenschaftsabhandlung kommen soll, und alle anderen auszusondern; insbesondere:
Ziel des Vorverfahrens
• die sog Abtuung armutshalber → Von der Todfallsaufnahme (§§ 34–60 AußStrG) und weiteren Regelungen des Verlassenschaftsverfahrens: § 72 AußStrG.
• Einen unbedeutenden und zugleich überschuldeten Nachlass kann das Gericht, wenn keine unbedingte Erbserklärung abgegeben wurde, den Nachlassgläubigern an Zahlungsstatt überlassen; sog iure crediti-Einantwortung → Von der Todfallsaufnahme (§§ 34–60 AußStrG) und weiteren Regelungen des Verlassenschaftsverfahrens: § 73 AußStrG.
Nach § 67 Abs 1 KO ist über einen überschuldeten (aber nicht unbedeutenden) Nachlass der Nachlasskonkurs zu eröffnen (§ 815 ABGB: Kridamäßige Nachlassverteilung) → Von der Todfallsaufnahme (§§ 34–60 AußStrG) und weiteren Regelungen des Verlassenschaftsverfahrens: § 74 AußStrG.
Mit der vom Gericht zu veranlassenden Todfallsaufnahme (dazu gleich unten), wird regelmäßig ein Notar beauftragt, der als Gerichtskommissär tätig wird.
Notar als Gerichtskommissär
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II. Der Verfahrensablauf
§ 797 ABGB steht unter der Überschrift: „Von der Besitznehmung der Erbschaft”. Das Gesetz ordnet an:
„Niemand darf eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen. Das Erbrecht muss vor Gericht verhandelt und von demselben die Einantwortung des Nachlasses, das ist, die Übergabe in den rechtlichen Besitz, bewirkt werden.”
§ 798 ABGB verweist materiell in Bezug auf die weitere Vorgangsweise auf das Abhandlungs- oder Verlassenschaftspatent = AußStrG (§§ 20–180), RGBl 1854/208. – Die Durchführung des Verfahrens wird – wie erwähnt – in den meisten Fällen von Notaren vorgenommen. Die von ihnen vorzunehmenden Amtshandlungen sind in § 1 Abs 1 GerichtskommissärG (GKG), BGBl 343/1970 festgelegt. Davon ausgenommen und den Gerichten vorbehalten sind die richterlichen Entscheidungen: zB Einantwortung, förmliche Vernehmung und Ansuchen um Gewährung von Rechtshilfe außerhalb des österreichischen Bundesgebiets; § 1 Abs 2 GKG.
AußStrG: §§ 20–180
Das AußStrG wird deshalb mit den Synonyma Abhandlungs- oder Verlassenschaftspatent bezeichnet, weil der Grossteil seiner Regelung diesen Bereich betrifft. – Zu den wichtigsten Änderungen des AußStrG → KAPITEL 19: Das außerstreitige Verfahren.
Reform des AußStrG
1. Die Todfallsaufnahme
Aufgrund der Todfallanzeige ist von Amts wegen die Todfallsaufnahme anzuordnen; → Verlassenschaftsverfahren – Zeitlicher Ablauf Damit beginnt das Vorverfahren: Darin sind alle Umstände, die für die Verlassenschaftsabhandlung oder für pflegschaftsbehördliche Maßnahmen von Bedeutung sind, umgehend zu erheben (§§ 38 ff AußStrG), und zwar auch dann, wenn der Verstorbene mittellos war; § 51 Abs 1 AußStrG. – Alle schriftlichen Testamente und Kodizille müssen kundgemacht werden, ob sie aufgehoben worden oder ungültig sind, ist unbeachtlich; § 61 Abs 1 AußStrG. Die Kundmachung erfolgt in Anwesenheit zweier Zeugen und wird in einem Formblatt protokolliert.
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2. Erbserklärungen
Das Gericht oder der Gerichtskommissär hat die (voraussichtlichen) Erben vom Erbanfall zu verständigen und sie aufzufordern, die Erbserklärung abzugeben; § 75 AußStrG.
In den von § 77 AußStrG bestimmten Fällen ist von Amts wegen ein Erbenkurator zu bestimmen: zB für Erben, deren Aufenthaltsort unbekannt ist, oder wenn die eigenen Interessen des gesetzlichen Vertreters von minderjährigen oder pflegebefohlenen Erben im Widerspruch mit denen der Vertreter stehen.
Erbenkurator
Der Erbe, der die Erbschaft in Besitz nehmen will, muss seinen Erbrechtstitel ausweisen und ausdrücklich erklären, dass dies unbedingt, oder bedingt mit Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars geschehen soll; §§ 799 f ABGB.
Erbrechtstitel ausweisen
Zur Erbserklärung rechnet man nicht nur die Annahmeerklärung – positive Erbserklärung, sondern auch die Erbs­ent­schlagung – negative Erbserklärung, Erbsausschlagung, Erbverzicht.
Erbserklärung
Unter Ausschlagung wird die gegenüber dem Abhandlungsgericht abgegebene Erklärung verstanden, eine Erbschaft nicht anzunehmen. Sie bewirkt, dass die Erbschaft dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt, sodass anzunehmen ist, das Recht sei schon mit dem Tod des Erblassers dem Nachberufenen angefallen; SZ 67/115 (1994) und NZ 1999, 124 (126).
Ausschlagung
Nach hA ist eine Erbsentschlagung ab Kenntnisnahme des Gerichts unwiderruflich, einseitig also nicht mehr zurücknehmbar; SZ 54/98 (1981) oder SZ 67/12 (1994). Eine negative Erbserklärung kann jedoch im Rechtsweg etwa wegen Willensmängeln oder fehlender Geschäftsfähigkeit angefochten werden; SZ 44/72 (1971). – Wegen der konstitutiven Wirkungen von Prozesserklärungen sind auch Erbserklärungen generell bedingungsfeindlich → KAPITEL 13: Bedingungs- und befristungsfeindliche Rechtsgeschäfte. Eine allfällige Abgabe unter einer Bedingung kann daher im Rechtsweg überprüft werden; NZ 1999, 124 (126).
Im Falle der unbedingten Erbserklärung haftet der Erbe persönlich mit seinem ganzen Vermögen allen Gläubigern des Nachlasses für ihre Forderungen und allen Legataren für ihre Vermächtnisse, auch wenn der Nachlass überschuldet ist; § 801 ABGB → Die Erbenhaftung
Unbedingten Erbserklärung
Will der Erbe die Erbschaft mit dem Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars antreten – sog bedingte Erbserklärung, ist vom Gericht ein Inventar aufzunehmen.
Bedingte Erbserklärung
Damit haftet er den Gläubigern und Legataren lediglich in der Höhe der Nachlassaktiven; § 802 ABGB. Der Vorbehaltserbe kann seine bedingte Erbserklärung mit einem Antrag auf Einberufung der Gläubiger verbinden; Gläubigerruf, Gläubigerkonvokation (§ 813 ABGB). Das Gericht fordert daraufhin die Gläubiger auf, ihre Ansprüche binnen angemessener Frist anzumelden. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, haftet der Erbe unbekannten Gläubigern auch im nachhinein, wie wenn sie ihm von Anfang an bekannt gewesen wären; § 815 ABGB → Die Erbenhaftung
Rechtssprechungsbeispiel
RdW 1985, 244: Amtshaftung bei Nichtaufklärung über zu erwartende Steuerschulden der Verlassenschaft durch den Gerichtskommissär; OGH 14.11.1984, 1 Ob 33/84.
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3. Einantwortung
Hat das Gericht die rechtmäßigen Erben festgestellt, und haben diese die erforderlichen Erfüllungsnachweise erbracht, wird ihnen die Erbschaft eingeantwortet und die Abhandlung für beendet erklärt; §§ 819 Satz 1 ABGB und 174 AußStrG.
Zu den Erfüllungsnachweisen gehören der Testamentserfüllungsausweis (zB Nachweis der Eintragung einer Nacherbschaft im Grundbuch, Erfüllung von Vermächtnisforderungen, Erfüllung von Testamentsauflagen), der Pflichtteilsausweis, und der Endausweis, wenn der Erblasser nur einen einzigen Erben hinterlassen hat.
Erfüllungsnachweise
Dieser bewirkt, dass der Nachlass in den rechtlichen Besitz des Erben übergeht. – Das Vermögen des Erblassers verschmilzt mit dem des Erben zu einer Einheit; Gesamtrechtsnachfolge / Universalsukzession.
Einantwortung durch Gerichtsbeschluss
Die Übergabe (§ 427 ABGB) erfolgt mit Zustellung der Einantwortungsurkunde. – Mit dem Beschluss über die Einantwortung ergeht ein Endbeschluss, mit dem über alle noch nicht erledigten Verfahrenspunkte abgesprochen wird.
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4. Widersprechende Erbserklärungen – Erbrechtsklage
Geben mehrere Erben einander widersprechende Erbserklärungen ab, hat das Gericht alle (Erklärungen) anzunehmen. Es muss jedoch die Parteien in einem Zwischenverfahren vernehmen und entscheiden, wer auf den Rechtsweg zu verweisen ist; §§ 125 ff AußStrG → Von der Todfallsaufnahme (§§ 34–60 AußStrG) und weiteren Regelungen des Verlassenschaftsverfahrens
Allfälliges Zwischenverfahren
Dieser Erbansprecher oder Prätendent hat die Möglichkeit, im streitigen Verfahren mit der Erbrechtsklage (§§ 125 ff AußStrG), einer negativen Feststellungsklage (→ KAPITEL 19: Das Verfahren erster Instanz), gegen die anderen vorzugehen. – Die Erbrechtsklage kann nur bis zum Schluss des Verlassenschaftsverfahrens erhoben werden und klärt die Rechtslage bei widersprechenden Erbserklärungen noch vor Einantwortung.
Erbrechtsklage
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/195: Schwächerer Erbrechtstitel (§ 126 AußStrG) – Auf den Rechtsweg ist jener Prätendent zu verweisen, der den schwächeren Titel hat. Das ist idR der gesetzliche Erbe gegenüber dem Testamentserben. Wer sich aber auf ein in Verlust geratenes Testament stützt, ist gegenüber dem gesetzlichen Erben schwächer tituliert.
SZ 27/132 (1954): Annahme der Erbserklärung ist keine Voraussetzung der Zulässigkeit der Erbrechtsklage. Ein erbserklärter Erbe kann bei widersprechenden Erbserklärungen vor Erlassung der Einantwortungsurkunde weder namens der Verlassenschaft noch im eigenen Namen für den Erblasser Prozess führen.
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5. Erbschaftsklage
Ist ein Einantwortungsbeschluss aber schon ergangen, kommt nur mehr die Erbschaftsklage (§ 823 ABGB) in Betracht. – Sie ist eine Leistungsklage (→ KAPITEL 19: Das Verfahren erster Instanz), mit der unter Behauptung eines besseren oder doch gleichen (Erb)Rechts vom eingeantworteten Erben die Herausgabe der ganzen Erbschaft oder des der Berechtigung entsprechenden Teiles begehrt wird.
Klagebegehren
Obsiegt der Kläger, erlangt er mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils rückwirkend (auf den Zeitpunkt des Erbschaftserwerbs durch den Erbschaftsbesitzer) die Stellung eines Gesamtrechtsnachfolgers des Erblassers. – Auf allfällige Rückstellungsansprüche sind nach § 824 ABGB die Regeln über den redlichen und unredlichen Besitz anzuwenden → KAPITEL 3: Redlicher Besitz.
Literaturquelle
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III. Von der Todfallsaufnahme (§§ 34–60 AußStrG) und weiteren Regelungen des Verlassenschaftsverfahrens
• § 36 AußStrG: Sobald das Bezirksgericht von einem Todesfall Nachricht erhält, hat es die Todfallsaufnahme zu veranlassen.
• § 38 AußStrG: Der Gerichtsabgeordnete, dem die Todfallsaufnahme übertragen ist, hat die Umstände, die für die Verlassenschaftsabhandlung oder für pflegschaftsbehördliche Maßnahmen von Bedeutung sind, ehestens und, wenn Gefahr im Verzug ist, insbesondere wenn sich niemand des Nachlasses annimmt oder eine Verschleppung des Nachlasses zu besorgen ist, sofort zu erheben. Er hat zu diesem Zwecke bei den Angehörigen oder den Hausgenossen des Verstorbenen oder sonst bei Personen, die seine Verhältnisse kennen, erforderlichenfalls in der Wohnung oder im Geschäftslokal des Verstorbenen, die notwendigen Erkundigungen einzuziehen und nötigenfalls die Versiegelung des Nachlasses vorzunehmen.
• §§ 61-70 AußStrG: Von der Kundmachung des letzten Willens
• §§ 71-91 AußStrG: Von den Verfügungen des Gerichtes über die Todfallsaufnahme und die letzte Willenserklärung.
• §§ 72 Abs 1 AußStrG: Sog Abtuung armutshalber: Ergibt sich aus der Todfallsaufnahme, dass der Verstorbene kein nennenswertes Vermögen hinterlassen hat (= brutto, also ohne Abzug der Schulden, nicht mehr als 30.000 ı + keine Liegenschaft + auf einen pflegebefohlenen oder pflichtteilsberechtigten Erben entfallen nicht mehr als 5.000 ı an Bargeld, Wertpapieren und Einlagebüchern, oder die Erben beantragen keine Abhandlung), so unterbleibt eine Verlassenschaftsabhandlung; sog Abtuung armutshalber.
§ 73 Abs 1 AußStrG: Sog iure-crediti-Einantwortung
(1) Ist der Nachlass unbedeutend und nach den Umständen zu vermuten, dass nur die dringendsten Verlassenschaftsschulden berichtigt werden können [dh „bei überwiegendem Schuldenstande”], so hat das Gericht ... das dadurch erschöpfte Vermögen den Gläubigern an Zahlungs Statt zu überlassen ....” Solange das Vermögen nicht verteilt ist, besteht die Rechtspersönlichkeit (des Nachlassvermögens) fort; vgl § 68 KO.
• § 74 AußStrG: Verlassenschafts- oder Nachlasskonkurs oder Ausgleich: Vgl dazu die §§ 66 ff, insbesondere § 67 KO sowie § 73 AO. – § 67 KO: „Eröffnung des Konkurses … über das Vermögen juristischer Personen und über Verlassenschaften … „. – Zur Rechtsstellung des Nachlasses auch → Der Nachlass
• § 75 Abs 1 AußStrG: Verständigung der Erben –Das Gericht hat ferner die vermutlichen Erben vom Erbanfall mit der Aufforderung zu verständigen, die Erbserklärung beizubringen; § 75 Abs 1 AußStrG uH auf §§ 116 ff: Von der Erbserklärung.
• §§ 92–114 AußStrG Von dem Inventar und dem eidesstattigen Vermögensbekenntnisse.
§ 97 Abs 1 AußStrG
(1) Das Inventar muss ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitze sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat, enthalten und den damaligen Wert und Betrag desselben klar anzeigen.”
§ 92 AußStrG
(1) Ein Inventar des Nachlasses ist zu errichten, wenn eine bedingte Erbserklärung überreicht, von einer zufolge des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches berechtigten Person um dessen Errichtung angesucht oder auf Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben gedrungen wird (§§ 802, 804, 812 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).”
(2) Von Amtswegen hat der Richter ein Inventar aufzunehmen, wenn
1. der Erbe oder dessen Aufenthaltsort unbekannt ist, wenn er unter Vormundschaft oder Kuratel steht, oder für ihn zum Behufe der Verlassenschaftsabhandlung ein Kurator bestellt wird, oder wenn auch nur bei einem von mehreren Miterben Verhältnisse dieser Art eintreten;
2. wenn die Erbschaft oder ein Erbteil den Armen, einer Stiftung, Gemeinde, Kirche, öffentlicher Anstalt oder dem Staate zufällt;
3. wenn der Erblasser dem Erben die Verbindlichkeit auferlegt hat, die Erbschaft oder einen verhältnismäßigen Teil derselben dritten Person zu hinterlassen. (Substitution)
4. Gegenstandslos”
§ 114 Abs 1 AußStrG: Eidesstattiges Vermögensbekenntnis –
(1) Im Falle einer unbedingten Erbserklärung hat der Erbe das Verlassenschaftsvermögen nach allen seinen Bestandteilen, ebenso wie in einem Inventar, zu beschreiben und die Richtigkeit der Angaben entweder selbst, oder durch einen hiezu mit besonderer Vollmacht versehenen Bevollmächtigten mit eigenhändiger Unterschrift Eides Statt zu bekräftigen.
§§ 115–132 AußStrG: Von der Erbserklärung
§ 116 Abs 1 AußStrG
(1) Die Bezirksgerichte haben die Erben oder deren Vertreter zur Abgabe der Erbserklärung idR zu einer Tagsatzung vorzuladen und ihnen in der Vorladung aufzutragen, die zur Nachweisung ihres Erbrechts etwa erforderlichen Behelfe mitzubringen. Bei der Tagsatzung ist von jedem derselben die Erklärung abzufordern, ob und auf welche Weise er die Erbschaft antreten, oder ob er dieselbe ausschlagen wolle. Das Gericht hat diejenigen unter ihnen, welche nicht mit einem rechtskundigen Sachwalter versehen sind, über die gesetzlichen Folgen der bedingten und unbedingten Erbserklärung undder Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger zu belehren, und hienach ihre Äußerungen oder Erbserklärungen zu Protokoll zu nehmen.”
§ 121 Abs 1 AußStrG
(1) Jeder Erbe hat zur Antretung der Erbschaft eine mit den Erfordernissen der §§ 799 und 800 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches versehene Erbserklärung beizubringen.
§ 123 Abs 1 AußStrG
(1) Wer nach den bei der Todfallsaufnahme oder deren Ergänzung gemachten unverdächtigen Angaben der Angehörigen, der Hausgenossen oder anderer glaubwürdiger Zeugen als der nächste zur gesetzlichen Erbfolge berufene Verwandte erscheint, oder in einem dem Inhalte und der äußeren Form nach vorschriftsmäßig eingerichteten letzten Willen zum Erben eingesetzt ist, wird solange für den rechtmäßigen Erben gehalten, als dagegen von anderen oder näheren Verwandten kein Widerspruch erhoben oder die Rechtsgültigkeit des Testamentes nicht bestritten wird.”
• § 799 ABGB: „Wer eine Erbschaft in Besitz nehmen will, muss den Rechtstitel, ob sie ihm aus einer letzten Anordnung; aus einem gültigen Erbvertrag; oder aus dem Gesetze zufalle, dem Gericht ausweisen, und sich ausdrücklich erklären, dass er die Erbschaft annehme.” [Erfordernis der Antretung]
• § 800 ABGB: Die Antretung der Erbschaft oder die Erbserklärung muss zugleich enthalten, ob sie unbedingt, oder mit Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventariums geschehe. [Inhalt der Antretung]
• § 125 AußStrG: Verfahren bei vorkommenden widersprechenden Erbserklärungen – Richter verteilt Klagsrollen(!)
widersprechende Erbserklärungen
§ 126 AußStrG
(1) Gegen den Vertragserben, welcher einen mit den erforderlichen Förmlichkeiten versehenen Vertrag für sich hat, dessen Echtheit nicht widersprochen wird, muss zur Bestreitung des Erbrechts jedermann, dessen Anspruch sich nur auf eine letzte Willenserklärung oder auf die gesetzliche Erbfolge stützt, gegen den Erben aus einer in der gehörigen Form errichteten und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen letzten Willenserklärung jedermann, dessen Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen, als Kläger auftreten.
(2) Sind aber die Erbserklärungen testamentarischer oder gesetzlicher Erben untereinander im Widerspruche, so hat das Gericht nach Vernehmung beider Teile denjenigen der streitenden Erben zur Überreichung der Klage anzuweisen, welcher um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners vorerst entkräften müsste.
§ 127 AußStrG
(1) Wird die Klage von dem auf den Rechtsweg verwiesenen Teile in der festgesetzten Frist überreicht, so ist mit der Verlassenschaftsabhandlung bis zur Entscheidung des Rechtsstreites innezuhalten. Doch steht jedem Teile frei, einstweilen die gerichtliche Sequestration des Nachlasses anzusuchen.”
• §§ 133-136 AußStrG: Von der Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger
• §§ 137–144 AußStrG: Von den besonderen Vorkehrungen in Rücksicht der Verlassenschaften der Ausländer
• §§ 149–180 AußStrG: Von der Einantwortung der Verlassenschaft. Die §§ 810 ff ABGB sind zu beachten!
§ 149 Abs 1 AußStrG
„Um die Einantwortung des Nachlasses zu erwirken, muss der Erbe nicht nur sein Erbrecht gehörig dargetan haben, sondern auch ausweisen, dass er alle übrigen von dem Gesetz oder dem Erblasser ihm auferlegten Verbindlichkeiten soweit erfüllt habe, als in den §§ 157 bis 162 gefordert wird.”
§ 174 AußStrG
(1) Sobald der Erbe sein Erbrecht gehörig ausgewiesen, und alle ihm obliegenden Verbindlichkeiten erfüllt hat, ist ihm die Verlassenschaft einzuantworten, die allenfalls erfolgte Versiegelung der Masse aufzuheben und die Verlassenschaftsabhandlung für beendet zu erklären.
(2) In der Einantwortungsverordnung muss insbesondere:
1. der Name und Vorname des Erblassers und der Tag des Todes,
2. der Name und Vorname des Erben, der Rechtstitel zur Erbschaft, die Art der Erbserklärung, und wenn mehrere Erben eintreten, das Verhältnis, nach welchem sie an der Erbschaft teilnehmen, mit Berufung auf die vor der Einantwortung etwa bereits vorgenommene Erbteilung ausgedrückt sein. Es muss
3. daraus ersichtlich sein, ob die Verlassenschaft dem Erben als freies Eigentum zugefallen, oder inwiefern er in Rücksicht des Fruchtgenusses oder der Verfügung über die Substanz durch ein bestehendes Substitutionsband beschränkt sei. Bei Substitutionen und den denselben gleichgestellten Anordnungen (§ 158) ist insbesondere der Substitut, welchem das Vermögen bei dem Eintritte des Substitutionsfalles übergeben werden soll, soweit er bereits bekannt ist, mit Bestimmtheit zu bezeichnen.
4. Ist der Erbe minderjährig oder pflegebefohlen, so muss dieses ausdrücklich bemerkt werden.
§ 177 AußStrG
Die Eintragung der Einantwortungsverordnung in die öffentlichen Bücher zur Übertragung des Eigentums der in denselben vorkommenden zur Verlassenschaft gehörigen unbeweglichen Güter, oder auf unbeweglichen Gütern haftenden Forderungen kann von dem Erben nur bei der Abhandlungsbehörde angesucht werden, welche dieselbe, wenn die Einantwortung rechtskräftig ist, zu bewilligen, und sofern das unbewegliche Gut einer anderen Gerichtsbehörde untersteht, dasselbe um den Vollzug zu ersuchen hat.
§ 179 Abs 1 AußStrG
Nachträgliche Auffindung von Vermögen – „Wird nach erfolgter Einantwortung ein vorher nicht bekanntes Verlassenschaftsvermögen aufgefunden, so sind nachträglich die erforderlichen Amtshandlungen darüber vorzunehmen. Eine neuerliche Erbserklärung und Einantwortung ist hiebei nicht erforderlich.”
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 29. 11. 2000, 3 Ob 96/00i; SZ 73/189: Nach rechtskräftiger Einantwortung stellt ein „Ziehsohn” des Erblassers einen Antrag auf Feststellung, ob noch weiteres Nachlassvermögen vorhanden sei; in concreto: Einlagen bei einer Schweizer Bank. – OGH verneint die Möglichkeit eines solchen Antrags, da ein „Ziehsohn” kein Noterbe gemäß § 762 ABGB ist. Er fällt nämlich auch nicht unter den Begriff „Kinder”.
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I. Das Personenstandsrecht
Literaturquelle
Rechtsquellen: – PersonenstandsG (PStG), BGBl 1983/60 und PStVO, BGBl 1983/629 idgF.
Der Staat sucht seit Jahrtausenden Informationen über seine Bürger zu erlangen; vgl nur das Lukasevangelium II 3:
Zielsetzungen
„Alle gingen hin, sich aufschreiben zu lassen ....”
Die Grundlagen des Dokumentations-, Register-, Urkunden- und Archivwesens in der Antike sind griechischen Ursprungs.
Heute werden Bürger nicht nur gezählt, auch ihr Personenstand wird festgehalten; dh: Daten über Geburt, Name, Geschlecht, Eltern, Heirat, Kinder, Tod uam werden staatlich registriert. – Der moderne Staat benötigt diese Daten für vielfältige Zwecke: Schulen, Wohnbau, Sozialleistungen, Kindergärten, Universitäten, Förderungen verschiedenster Art etc. Das geschieht durch Volkszählung, Mikrozensus / ÖSTAT.
Das heute geltende Personenstandrecht, insbesondere die Personenstandsbücher bauen auf dem kirchlichen Matrikelwesen auf, das seit dem Mittelalter wichtige Lebensdaten ihrer Gläubigen festhält (seit Joseph II zum Teil im Auftrag des Staates): Geburt, Eltern, Taufe, Heirat und Tod.
Personenstandsbücher
Vgl Josephinisches Gesetzbuch (→ KAPITEL 1: Zur Entstehung des ABGB) 3 § 39:
Josephinisches Gesetzbuch
„Jeder Pfarrer, Pastor oder Rabiner ist schuldig, alle in seiner Pfarre geschlossenen Ehen mit deutlicher Benennung der Eheleute, wie auch der dabei gegenwärtigen Zeugen, dann mit Benennung des Orts, wo die Ehe geschlossen worden, und ob selbe vor ihm selbst, oder vor einem andern in seinem Namen, und vor wem sie geschlossen worden, in die zu diesem Ende bestimmten Trauungsbücher eigenhändig einzutragen, damit jeder über die Ehe, und Zeit, wann sie geschlossen worden, entstehende Zweifel daraus vollständig gehoben werden könne.”
Ein eigenes staatliches Personenstandsrecht in Österreich gibt es erst seit 1938; Einführung des deutschen Personenstandsrechts: dtPStG 1937.
Seit 1938
Heute ist für Personenstandsangelegenheiten das Standesamt oder – in kleineren Gemeinden – der/die Standesbeamte/in zuständig; § 59 PStG.


Personenstandsrecht (1)
Abbildung 17.15:
Personenstandsrecht (1)


Personenstandsrecht (2)
Abbildung 17.16:
Personenstandsrecht (2)


Geburten und Todesfälle seit 1970
Abbildung 17.17:
Geburten und Todesfälle seit 1970


Entwicklung der Geburtenzahlen
Abbildung 17.18:
Entwicklung der Geburtenzahlen


Geburtenraten in Europa
Abbildung 17.19:
Geburtenraten in Europa
Zur Entwicklung der Eheschließungen und Scheidungen → KAPITEL 16: Die Ehe.
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