Die Familie
Galli-Bibiena stammt aus Bibiena bei Bologna und war eine der
bedeutendsten Künstlerfamilie des 17. und 18. Jahrhunderts.
Die Tätigkeit der verschiedenen Familienmitglieder erstreckt
sich über Italien, Spanien, Portugal, Deutschland und
Österreich,
insbesondere Wien. Die besondere Bedeutung dieser Familie liegt
im Theaterbau und in der szenischen
Dekoration
(Thieme-Becker,
Bd. 3, S. 596).
Der erste Künstler der Familie, Giovanni Maria
Galli (1625 - 1665), war Maler und nahm den Beinamen "da Bibiena"
an, um
sich von einem gleichnamigen Schüler im Atelier von
Francesco Albani zu unterscheiden. Dieser Beiname blieb auch den
Nachkommen. Giovanni Maria ehelichte Orsola Maria Possenti, mit
der er drei Kinder hatte. Seine Tochter und Schülerin
Maria
Oriana (1656-1749) malte Historienbilder und Porträts, ist
aber wenig bekannt.
Sein jüngerer Sohn Francesco (1659-1739),
war Maler und Architekt und zunächst in seiner Heimat tätig.
Er wirkte an
mehreren italienischen Höfen und ist der erste
dieser Künstlerfamilie, den wir in Wien antreffen. 1710 erscheint
er als erster Theatralingenieur in den Hofrechnungen und in den
in Wien gedruckten Textbüchern verschiedener Opern. Die Dauer
seines Aufenthaltes in Wien lässt sich aufgrund der
Matrikelangaben seiner Kinder errechnen: Angegeben ist die Geburt
eines
Sohnes im Jahr 1710 und einer Tochter 1711, welche jedoch
1712 als gestorben gemeldet ist. In diesem Jahr dürfte er
Wien wieder verlassen haben, da in diesem Jahr sein Bruder Ferdinando
mit dem neuen Kaiser Karl VI. nach Wien gekommen war und Francescos
Stelle einnahm.
Giovanni Carlo (1710 - 1760), der Sohn Francescos ist uns kaum bekannt.
Ferdinando (1657 - 1743), war der wohl hervorragendste Künstler
dieser Familie, dessen Ruf weit über Italien hinausgegangen
war. Seine große Vorliebe galt der Theaterdekorationsmalerei.
Wie alle Mitglieder der Familie, insbesondere seine Söhne
Alessandro, Giuseppe und Antonio, war er ein ausgezeichneter Künstler
der theatralischen Schein-, Dekorations- und Prospektenarchitektur.
Sein Talent war besonders am Wiener Hof sehr gefragt.
Ferdinandos
ältester Sohn Alessandro (1687 - vor 1769), war Architekt
und Maler und hatte mit Wien wenig zu tun.
Giuseppe (1696 - 1756)
stand seinem Vater Ferdinando sowohl in Barcelona, wie auch in
Wien als Gehilfe tatkräftig zur Seite. 1712 begleitete er
seinen Vater nach Wien. 1718 wird er in den Operntextbüchern
als zweiter Theatralingenieur genannt. Guiseppe wurde bald zu
den großartigsten Festlichkeiten an verschiedener Herren
Höfe berufen. Schließlich erbat Ferdinando, der aufgrund
seines Augenleidens zunehmend dienstuntauglich geworden war, seine
Stelle des ersten Theatralingenieurs seinem Sohn Giuseppe zu verleihen.
Erst 1726 kam man dieser Bitte nach. Giuseppe war ein glänzender
Inszenator und Theatralingenieur. Die Albertina in Wien besitzt
eine Reihe von Handzeichnungen (Birke, Veronika, Die Italienischen
Zeichnungen der Albertina, Bd. III [1995], Bd. VI [1997]).
Sein
Sohn Carlo (1728 - nach 1778), war ein ebenso vortrefflicher Theatralarchitekt
wie Inszenator und war an den verschiedensten Höfen gerne
gesehen.
Antonio folgte 1721 seinem Bruder Giuseppe nach Wien.
Er war wie sämtliche Familienmitglieder Maler, Architekt
und glänzender Dekorateure. 1726 wird er auf Ansuchen seines
Vaters zweiter Theatralingenieur am Wiener Hof. Er war mit der
Tochter des Stuckateurs Santino Bussis verheiratet.
Ferdinandos
jüngster Sohn Giovanni Maria d.J., wirkte als Maler und
Architekt um 1739 bis 1769 in Prag. Wir wissen nur
sehr wenig von
ihm. Bei Albert Ilg findet dieser keine Erwähnung (Ilg, S.
622ff.). Zanotti berichtet, dass er "eine so reiche
Frau geheiratet hat, dass er mit Ruhe und in Ehre von dem
Seinen zehren kann" und deshalb sehr wenig gearbeitet habe
(Zanotti, Storia dell'Accademia Clementina).
Luigi Lanzi hatte bereits 1789 die theatralischen Aktivitäten
dieser Familie als "le piu' sontuose che mai vedesse l'Europa"
bezeichnet. Erst wieder im letzten Drittel des 19. Jh. kümmerte
man sich um diese Dynastie von Theaterarchitekten. Die Blütezeit
dieser Künstlerdynastie war unter Ferdinando, Antonio und
Giuseppe, die in hoher Gunst Kaiser Karl VI. standen. "Aber
ihre dem Tage gewidmete Kunst, hat der Tag wieder zerstört"
(H.Tietze).
Im Wesentlichen sind uns nur Stiche und Zeichnungen
erhalten geblieben, die uns ein eher dürftiges Bild der Arbeiten
dieser großartigen Arrangeure und Theaterkünstler vermitteln.
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