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Palastarchitektur in Ägypten und ihre räumliche Semiotik.

Hyksos- und ägyptische Paläste in Avaris/Tell el-Daba

Projektnummer P 34601

 

Projektmitwirkende


Prof. emer. Manfred BIETAK, Projektleiter

Dr. Silvia PRELL, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin

Dr. Mario MARTIN, wissenschaftlicher Mitarbeiter

Dominik FILL, Grafiker



Beteiligte Institutionen


Universität Innsbruck, Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik

Technische Universität Wien,    Institut für Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege: Forschungsbereich Baugeschichte und Bauforschung



Projektbeschreibung


In jüngerer Zeit gab es in der Archäologie aufgrund von der Sozialanthropologie geprägten Theorien den Trend, Kulturen nicht vom Palast, sondern von den Haushalten einfacher Menschen zu erfassen. Schließlich  wurde man gewahr, dass man auch bisher die Paläste in ihrer architektonischen und kulturellen Aussage nicht genügend gewürdigt hatte. Dies führte in der vorderasiatischen Archäologie zu  einer Trendumkehr, welche sich in sorgfältig recherchierten Publikationen von Palästen in Nordsyrien und Mesopotamien niederschlägt. In der ägyptischen Archäologie hingegen liegen die meisten Palastgrabungen bald hundert Jahre zurück, die Architektur ist nur in Übersichtsplänen und das Fundmaterial nur unzureichend dokumentiert und publiziert, sofern es sich nicht um Kunstgegenstände handelt.

Aus Tell el-Dabꜥa, der Hauptstadt der Hyksos, liegen ein palastartiges Herrenhaus (Abb. 1), ein Palast der Hyksoszeit vorderasiatischen Typs und ein großer tuthmosidischer Palastbezirk (Abb. 2) vor, der allem Anschein nach mit der dortigen Lokalisierung der Flottenstation Tuthmosis’ III. und Amenophis’ II. namens ‚Peru-nefer‘ in Zusammenhang gesehen werden muss. Alle drei Objekte sind nach modernen Standards ausgegraben, aber nur in Vorberichten publiziert. Welche Ergebnisse sind vorstellbar?

In einer top-down Strategie kann man erwarten, dass Palasthaushalte mit ihrer Architektur, ihrer Ausstattung und ihrem Fundgut viel besser als einfache Haushalte die internationalen Beziehungen und damit die zeitgenössische Politik repräsentieren. Das Importgut zeigt viel eher das gesamte Spektrum der Handelsbeziehungen und z.B. die minoischen Fresken im Tuthmosiden-Palast auch die kulturellen und vielleicht diplomatischen Beziehungen auf, als dies das reduzierte und kanalisierte Fundgut von einfachen Haushalten offenlegen würde. Hier wäre jedoch der Vergleich von Palasthaushalt zu normalem Haushalt interessant.

Ein besonders interessantes Kapitel ist die Architektur der Paläste, wobei beispielsweise Fremdeinflüsse anhand der allgemeinen Struktur wie agglutinierende Bauweise oder durch die Integration von Heiligtümern im Palastbereich festgestellt werden können. Solche Feststellungen zeigen, dass sich unter den Entscheidungsträgern in Ägypten, die natürlich zur Elite gehörten, auch Personen aus dem Vorderen Orient befanden, die mächtig genug waren, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen. In diesem Fall wollte man den König unter dem gleichen Dach wie seine bevorzugte Gottheit wissen, die ihm Schutz und Wohlergehen angedeihen sollte.

Semiotik spielt heute auch in der Architektur und der Analyse des Raumes eine wichtige Rolle. Die Lage, die Größe des Palastes, seines Thronraumes, seiner Magazine, die Zahl seiner Wohnungen mit der Hierarchie ihrer Größen und ihrer Säulenanzahl: Dies alles spielt für die Beurteilung des Bauwerkes eine besondere Rolle. Ebenso geben die Palastwerkstätten und ihre Funde Auskunft über Teilaspekte der Funktion der Anlage. Viel Gesagtes lässt sich in der digitalen dreidimensionalen Rekonstruktion nachempfinden. Manche Fragestellungen lassen sich nur auf diese Weise verifizieren.



Herrenhaus der frühen 13. Dynastie

Abb. 1 3D-Rekonstruktion des Herrenhauses der frühen 13. Dynastie in Tell el-Dabꜥa, Areal F/I

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Tuthmosidischer Palastbezirk in ꜥEzbet Helmi

Abb. 2 Plan und 3D-Rekonstruktion des Thutmosidischen Palastbezirkes in ꜥEzbet Helmi

© M. Bietak/N. Math

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