Österreich – zweite Republik. Befund, Kritik, Perspektive
Diese Buchreihe, erschienen im Studienverlag, bezweckt anlässlich der Republiksjubiläen eine kritische Reflexion der Nachdenkarbeit über Österreich. Aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven werden Entwicklungslinien gezeichnet, die die Veränderungen in Gesellschaft, Politik und Kultur zwischen 1945 und 2005 reflektieren.
Die AutorInnen der einzelnen Bände, Gerald Sourzh, Hannes Androsch, Emmerich Tálos, Anton Pelinka, Brigitte Bailer-Galanda und Eva Blimlinger, sind durchwegs Persönlichkeiten, die den Anspruch haben, Entwicklungen und gesellschaftliche Sachverhalte und Diskurse nicht nur positivistisch zu beschreiben. Sie ziehen Bilanz, verweisen auf Gelungenes und Versäumtes, leisten eine Standortbestimmung aus historischer Perspektive, die einen Blick in die Zukunft ermöglicht.
Die Buchreihe kann und will keine Enzyklopädie der wichtigen Persönlichkeiten, Ereignisse, Zahlen, Daten und Fakten der Republik, keine Festschrift zu den Jubiläen, keine Folge von Laudationes auf Österreich sein. Die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik ist eindrucksvoll. Die Analysen und Essays der Reihe zeigen jedoch auch Brüche, Schwachstellen und Versäumnisse auf. Die Bücher der Reiche zeichnen große gesellschaftshistorische Entwicklungslinien nach, sie setzen sich aber auch mit der spezifisch österreichischen Erinnerungskultur, den „Lebenslügen“ und Identifikationskonstruktionen auseinander.
Band 6: Vom Glanz und Elend der Parteien. Struktur- und Funktionswandel des österreichischen Parteiensystems von Anton Pelinka
Demokratie braucht Parteien - keine Demokratie ohne Parteien. Die Demokratie der Zweiten Republik Österreich war, beginnend mit ihrer Gründung 1945, in besonderem Maße von Parteien geprägt. Parteien einigten sich über die Grundlagen und die Verfassung der österreichischen Demokratie. Parteien erfüllten die Regeln der Demokratie mit Leben. Parteien sorgten nicht nur für die Auswahl der Personen, die in Parlament und Regierung Entscheidungen trafen - sondern auch für die Auswahl derer, die in Wirtschaft, Medien und Justiz an den Schalthebeln der Macht sitzen.
Österreich war mehr noch als andere Demokratien ein Parteienstaat. Die Zahl derer, die sich als Mitglieder an die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ banden, erreichte in den 1970er Jahren einen Höhepunkt, der einen europäischen Spitzenwert darstellte. Und mehr als 90 Prozent wählten regelmäßig eine der beiden Großparteien. Doch die Kraft der beiden großen Parteien, politische Loyalität zu binden, begann in den 1980er Jahren nachzulassen.
Österreich ist heute weniger Parteienstaat als in den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik. Das bedeutet "Verwestlichung" - Anpassung an westeuropäische Standards. Das bedeutet aber auch abnehmende politische Berechenbarkeit. Anton Pelinka veranschaulicht den vielschichtigen Wandel der österreichischen Parteienlandschaft von 1945 bis zur Gegenwart.