Literatur als Lebenswissen – Migration als Chance
„Migration ist ein gesellschaftliches Phänomen, dem sich auch Österreich nicht entziehen kann. Die Fakten werden in Österreich aber allzu oft ausgeblendet und man glaubt, die bereits existierende Realität durch restriktive Einwanderungspolitik korrigieren oder rückgängig machen zu können. Dahinter steht oft eine diffuse Angst vor dem Fremden“, erklärt Univ.-Prof. Ursula Moser, die Leiterin des Forschungszentrums "Kulturen in Kontakt", den Hintergrund der breit gefächerten Arbeitsgebiete des Zentrums.
Migration als kreativer Impuls
40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät beschäftigen sich unter dem Überbegriff "Kulturen in Kontakt" mit diesem Thema aus der Sicht der Geisteswissenschaften. Dabei nähern sie sich ihm aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln, wobei die Beschäftigung mit Texten, die aus der Situation des Kulturkontakts entstanden sind und diesen auf unterschiedlichste Weise reflektieren, im Zentrum steht. „Mit unserem Schlagwort "Migration als Chance" wollen wir verdeutlichen, dass Migration alltäglich ist und nicht nur als Last und Bedrohung gesehen werden sollte. Sie enthält nämlich auch ein ungeheures ökonomisches, soziales und kulturelles Potenzial“, zeigt sich Moser überzeugt. So seien das Erlebnis des Grenzübertrittes oder die Verdopplung der Perspektiven oft nicht nur schmerzliche Erfahrungen, sondern auch Impulse zur Freisetzung kreativer Kräfte und Auslöser schöpferischer Prozesse. Damit berühren die ForscherInnen des Zentrums ein zweites Feld, das sich mit "Literatur als Lebenswissen" umschreiben lässt.
Wörterbuch der anderen Art
Um solches Lebenswissen geht es beispielsweise im "literarischen Lexikon" der MigrationsautorInnen in Frankreich von 1981-2008, dem größten Einzelprojekt dieses Zentrums. Ursula Moser und Birgit Mertz-Baumgartner stellen darin über 300 AutorInnen aus über 50 Ländern vor, die im Erwachsenenalter nach Frankreich emigriert sind, beziehungsweise aus der Migrationserfahrung die wesentlichen Impulse für ihr Schreiben bezogen haben.
Weitere Forschungsprojekte, die im Forschungszentrum "Kulturen in Kontakt" bearbeitet werden, beschäftigen sich unter anderem mit den Nachlässen österreichischer AutorInnen in israelischen Archiven, mit dem Einfluss der französischen Kulturpolitik 1945 -1955 auf das literarische und kulturelle Leben in Vorarlberg, mit der russischen Moderne im europäischen Vergleich sowie mit der Darstellung der Sklaverei in der englischen Literatur von 1772-1834.
Tirol aus der Sicht der anderen
Das Projekt Literatur-Land-Karte Tirol beschäftigt sich mit Literatur zu Tirol und mit Autoren, die durch dieses Bundesland reisten, beziehungsweise hier verweilten. Ziel dieses Projekts ist es, mit Hilfe der Datenbank „Dokumentation Literatur in Tirol“ sowie weiterer Recherchen einen „literarischen Reiseführer“ zu erstellen.
Konzentration der Forschung
Das Forschungszentrum "Kulturen in Kontakt" ist in die Forschungsplattform Cultural Encounters and Transfers (CEnT) der Universität Innsbruck integriert. Diese Plattform führt die bislang an der Universität Innsbruck bestehenden historischen, kulturwissenschaftlichen und medienwissenschaftlichen Forschungen, die sich mit kulturellen Transferprozessen sowie mit kulturellen Kontaktphänomenen beschäftigen, zusammen.