Kopf der Woche: Ursula Moser
Unter den 16 eingereichten Werken fiel die Wahl des beratenden Komitees und der Jury einstimmig auf Ursula Mosers Buch «Dany Laferrière. La dérive américaine» (Montréal, VLB éditeur, 2003): „Die Jury hat die große wissenschaftliche Seriosität des Werks hervorgehoben … sie hat insbesondere die literarische und akademische Kultur des Essays gewürdigt sowie die Intensität, mit der die Autorin … Werk und Leben von Dany Laferrière analysiert, eines Romanciers haitianischen Ursprungs …“ (Auszug aus der Jury-Begründung). Die ausgezeichnete Publikation ist die erste umfassende Studie zu Leben und Werk dieses Autors, der mit seinem ersten 1985 erschienenen Roman „Comment faire l'amour avec un nègre sans se fatirgue?“ einen viel Aufsehen erregenden Bestseller landete. Heute zählt sein inzwischen 10-bändiges Romanoeuvre zu den meist beachteten Werken der amerikanischen Migrationsliteratur. Laferrière stammt aus Haiti, aus dem er politisch bedingt flüchten musste. Seither lebte er zuerst in Montréal, dann in Miami, um schließlich wieder nach Kanada zurückzukehren.
Die Wissenschaftlerin
Ursula Moser hat sich auf romanische Literaturen spezialisiert. Neben der neueren französischen Literatur unter besonderer Berücksichtigung des Realismus-Naturalismus, des Existenzialismus, der Résistance- und Frauenliteratur, gehören auch die frankophonen Literaturen, hier vor allem die kanadische Literatur der Moderne, zu ihren Schwerpunkten. Die frühe Erzählliteratur und die Volkserzählung, der Realismo, das zeitgenössische Theater und Musiktheater sowie die Frauenliteratur erweitern das große Spektrum der Wissenschafterin im Bereich der spanischen Literatur. Gesamtromanisch ist sie Expertin für Fragen der Textmusik. Die intensive Beschäftigung mit dem französischen Chanson führte 1985 zur Gründung der Abteilung „Textmusik in der Romania“, aus dem sich – unter ihrer Leitung – das europaweit einzigartige Archiv für Textmusikforschung am Innsbrucker Institut für Romanistik entwickelte. Veranstaltungen und Tagungen sowie ein zweimal jährlich erscheinendes Informationsheft öffnen diese Sammlung dem wissenschaftlichen Diskurs.
Das Kanada-Zentrum
Ursula Mosers Interesse für die Literatur Québecs führte sie in die internationale „Gesellschaft für Kanada-Studien in deutschsprachigen Ländern“, deren Präsidentin sie von 1995 bis 1997 war. Im Anschluss daran wurde über ihre Initiative unter Rektor Smekal 1997 das österreichweit erste Zentrum für Kanadastudien errichtet. Es hat sich die Förderung der Kanadastudien in Forschung und Lehre, die Anregung und Vernetzung wissenschaftlicher Kontakte von österreichischen und kanadischen UniversitätslehrerInnen und Studierenden sowie die Vertiefung der kulturellen Beziehungen der beiden Länder zum Ziel gesetzt. In den letzten Jahren konnten zahlreiche Projekte gefördert und Kontakte intensiviert werden. Auch im kulturellen Bereich kam es zu regem Austausch, unter anderem war im Jahr 2001 der kanadische Bestsellerautor Alberto Manguel im Rahmen der Innsbrucker Sprachenmeile in Innsbruck. Erwähnenswert ist auch ein internationaler Kongress anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Zentrums für Kanadastudien, der sich mit dem Kultur- und Wissenstransfer zwischen Österreich und Kanada auseinander setzte. Zuletzt war auf Initiative von Ursula Moser auch der Premierminister des 1999 gegründeten Territoriums Nunavut, Paul Okalik, in Innsbruck. Er eröffnete mit seinem Vortrag „5 Years Nunavut“ eine multidisziplinären Ringvorlesung.
In Zukunft will Ursula Moser im Bereich der Migrationsliteratur weiter forschen. Geplant ist bereits, gemeinsam mit einem Kollegen von der Universität Sorbonne, die Herausgabe eines speziellen AutorInnenen-Lexikons. Dargestellt sollen darin all jene AutorInnen werden, die außerhalb Frankreichs in französischer Sprache schreiben. Das Lexikon soll den Beitrag dieser AutorInnen zur französischen Nationalliteratur aufzeigen.
Zur Person
Ursula Moser wurde am 9. Mai 1950 in Gmunden geboren. Sie studierte Romanistik und Anglistik-Amerikanistik (Lehramt) an der Universität Innsbruck. 1973 erfolgte die Sponsion zum Mag. phil., 1976 promovierte sie mit einer Arbeit über Stendal „sub auspiciis Praesidentis rei publicae“. 1983 folgte die Habilitation, 1991 die Verleihung des Berufstitels außerordentliche Universitätsprofessorin. Seit 1. Oktober 2002 ist Ursula Moser ordentliche Universitätsprofessorin für Romanistik. Als Gastprofessorin lehrte sie im Studienjahr 1989/90 an der Universität Erlangen-Nürnberg, im WS 1990/91 an der Universität Salzburg und im SS 2002 an der Université de Montréal. Für ihre Habilitationsschrift wurde Ursula Moser im April 1982 mit dem Theodor-Körner-Preis und im Dezember 1985 mit dem Liechtensteinpreis ausgezeichnet. Im März 1996 wurde sie mit dem Officier de l'Ordre des Palmes Académiques bedacht.