Kopf der Woche: Rainer Graefe
Rainer Graefe ist Ordinarius des Instituts für Baugeschichte und Denkmalpflege an der Fakultät für Architektur. Mit der von ihm initiierten Gründung des Archivs für Baukunst wird im internationalen Netz von Architektur-Archiven eine Lücke mitten in Europa geschlossen. Besonderes Augenmerk wird der Alpenregion mit Tirol, Südtirol und den Nachbarregionen Trentino und Vorarlberg gelten.
Ein Schwerpunkt der Sammlung ist die klassische Moderne mit der Tiroler Architektur der 20er und 30er Jahre. Jetzt bereits finden die zeichnerischen Nachlässe von Franz Baumann, Wilhelm Stigler, neuerdings Hans Feßler und künftig auch Theodor, Wilhelm Nikolaus und Hubert Prachensky eine neue Heimstätte. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Werke herausragender Architekten seit der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.
Die Vereinigung von Architektur und Ingenieurbaukunst in einem Archiv stellt unter vergleichbaren Institutionen eine Ausnahme dar. Die Geschichte des Konstruierens, ein Forschungsschwerpunkt am Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege, wird am Archiv für Baukunst einen weiteren Akzent in Sammlung und Forschung setzen. In diesem Zusammenhang sind die Ingenieurbauten in Bergregionen mit ihren eigenen Bedingungen und Herausforderungen von besonderem Interesse.
Das Archiv für Baukunst ist eine Abteilung des Instituts für Baugeschichte und Denkmalpflege der Architekturfakultät. Prof. Graefe`s Forschungsprojekte auch werden in Zusammenhang mit den Lehrveranstaltungen des Instituts unter Beteiligung der Studenten durchgeführt.
In Ausstellungen und Publikationen, Tagungen und Vorträgen werden Bestände und Neuzugänge der Öffentlichkeit zugänglich und der internationalen Forschung verfügbar gemacht. Unter der Leitung von Prof. Rainer Graefe soll hier ein wesentlicher Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes und zur Förderung der Baugeschichtsforschung geleistet werden.
Zur Person
Rainer Graefe wurde 1941 in Berlin geboren und studierte Theaterwissenschaften, Philosophie und Germanistik in Würzburg und Berlin. Praktika an verschiedenen Berliner Theatern. 1969 Magister Artium („Idee des Bauhaus-Theaters“). 1976 Dr.phil. mit einer archäologisch-baugeschichtlichen Dissertation (römische Theatervela). Seit 1969 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter von Frei Otto am Institut für Leichte Flächentragwerke an der Universität Stuttgart und hier in Forschung und Lehre tätig. Seit 1971 forschte er am gleichen Institut im Sonderforschungsbereich „Weitgespannte Flächentragwerke“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In diesem Rahmen leitete er 1984-91 das Forschungsprojekt „Geschichte des Konstruierens“. 1991 wurde Prof. Graefe an die Universität Innsbruck berufen. Hier führte er 10 Jahre lang den Vorsitz des Sachverständigenbeirats für Stadt- und Ortsbildschutz. Im Jahr 2003 wurde ihm in Anerkennung seiner Forschungen in Moskau die „Suchov-Goldmedaille“ durch die USEA (Union of Scientific and Engineering Associations) und die AES (A.A. Prochorov-Academy of Engineering Sciences) verliehen. Rainer Graefe ist international bekannt durch seine Forschungen vor allem zur „Geschichte des Konstruierens“, in denen er Prozesse analysiert, in denen historische Baukonstruktionen entstanden sind. In diesem Zusammenhang untersucht er Wölbkonstruktionen, eiserne Baukonstruktionen im 19. Jahrhundert, Membrankonstruktionen, Form und Konstruktion historischer und moderner Leichtbauten. Ein weiterer thematischer Schwerpunkt sind Bezüge zwischen Architektur und Natur beispielsweise in der Gartenkunst. Unter den derzeit laufenden Forschungsprojekten ist vor allem die Untersuchung von Antoni Gaudis unvollendeter Kirche in der Colonia Güell zu nennen, deren Ziel die Rekonstruktion des verloren gegangenen Entwurfs ist. Eine Buchveröffentlichung zu diesem Thema ist in Vorbereitung. Eine weitere Untersuchung befasst sich mit den Stufenlinden bzw. geleiteten Linden, welche zu lebenden Bauwerken umgeformt wurden. Dieses Brauchtum geht auf uralte Vegetationskulte zurück. Begehbare Tanzlauben in Linden sind vereinzelt bis heute noch in Gebrauch.
Graefe ist Autor und Herausgeber zahlreicher Veröffentlichungen, darunter die Bücher wie
- Vela erunt. Die Zeltdächer der römischen Theater, Mainz 1979
- Zur Geschichte des Konstruierens, Stuttgart 1989
- Hrg. m. M. Gappoev u. O. Pertschi: Vladimir G. Suchov 1853-1939. Die Kunst der sparsamen Konstruktion, Stuttgart 1990 (russ. Ausg. Moskau 1994)
- Hrg. m. Ch. Schädlich und D.W. Schmidt: Avantgarde I 1900-1923. Russisch-Sowjetische Architektur, Stuttgart 1991