Klimawandel: Wasserreservoir Gletscher
In ihrer jetzt veröffentlichten Studie zeigen die Gletscher- und Klimaforscher um Prof. Georg Kaser und Dr. Ben Marzeion vom Institut für Geographie der Universität Innsbruck, dass Gletscher regional sehr unterschiedlich zur Wasserversorgung von Siedlungsgebieten beitragen. Die Wissenschaftler haben dazu erhoben, wie viel Niederschlag auf einzelnen Gletscher niedergeht und zu welchem Zeitpunkt dieses Wasser wieder abgegeben und damit in Siedlungsgebieten verfügbar wird. „Es macht einen großen Unterschied, ob die Gletscher das Wasser in der Trockenzeit wieder abgeben oder, wie in den Monsungegenden Asiens, in einer Periode, in der ohnehin viel Niederschlag fällt“, erklärt Ben Marzeion. „Es gibt aber auch Gebiete, wie um den Aralsee, in denen die Niederschläge im Winter in den Gebirgen fallen. Dort ist die sommerliche Gletscherschmelze lebenswichtig für die Bewohner der angrenzenden Regionen.“ Die Innsbrucker Forscher haben einen Index berechnet, aus dem sie ablesen können, wie hoch die Abhängigkeit der Menschen einer bestimmten Region vom Gletscherwasser ist. Dabei zeigt sich, dass vor allem hochgelegene Gebiete stark vom Gletscherwasser abhängig sind, die Bevölkerungsdichte dort aber meist relativ gering ist. „Kritisch ist die Situation vor allem in mittleren Höhen, wo bereits viele Menschen leben und das Gletscherwasser immer noch einen hohen Anteil zum verfügbaren Wasser beiträgt“, so die Klimaforscher.
Regionale Unterschiede
Anstoß für die Studie war die verbreitete Diskussion um den Einfluss des Klimawandels auf die Wasserversorgung von großen Siedlungsgebieten. „Hier wurden in den letzten Jahren immer wieder Zahlen genannt, die einer genaueren Prüfung nicht standhalten“, sagt der Gletscher- und Klimaforscher Georg Kaser. „Wenn etwa behauptet wird, dass das Abschmelzen der Gletscher die Wasserversorgung von 2 Milliarden Menschen gefährdet, ist das stark übertrieben.“ Mit der aktuellen Studie wollten die Innsbrucker Wissenschaftler auf die erheblichen regionalen Unterschiede aufmerksam machen. „Denn für kleinere Gemeinschaften in Gebirgen kann die erwartete Klimaentwicklung durchaus eine existenzielle Bedrohung darstellen.“
Grundlage für die Untersuchung waren Daten aus Gletscherinventaren, globale Temperatur- und Niederschlagsdaten und ein digitales Geländemodell. Untersucht wurden Einzugsgebiete rund um den Himalaya, in den Anden, am Kaukasus, in Sibirien, Nordamerika und Neuseeland. „Es ist im Grunde ein sehr einfacher Forschungsansatz, der aber wichtige Argumente für eine differenziertere Diskussion in der Klimaforschung liefert“, freut sich Kaser über das Ergebnis der Studie, die nun in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde. „Wir liefern damit auch in Hinblick auf den nächsten Bericht des Weltklimarats (IPCC) die Grundlage für regional präzisere Aussagen und zeigen, dass einige Gebiete mehr und andere weniger stark von den erwarteten Veränderungen betroffen sein werden“, so Kaser abschließend.