Arktis: Fische als Bioindikatoren
„Durch seine abgeschiedene Lage, seine enorme
Tiefe und die im Vergleich zu anderen arktischen Seen höhere Sedimentationsrate
stellt der rund 540 km2 große Lake Hazen ein hervorragendes
Klimaarchiv dar“, sagt Günter Köck vom Institut für Zoologie und
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Da Sedimentbohrkerne idealer
Weise an der tiefsten Stelle entnommen werden, war die Suche dieses bisher
unbekannten Punktes Voraussetzung für die weitere Arbeit.“ Die Teammitglieder
konnten dabei als erste Österreicher Studien an diesem See durchführen. „Da die
kanadischen Nationalparkverwaltung Forschungsgenehmigungen an diesem See
restriktiv handhabt, war das auch eine Auszeichnung für unser
kanadisch-österreichisches Team.“
Die Forscher haben sich aufgrund der extremen
Rahmenbedingungen für eine eher ungewöhnliche Untersuchungsmethode entschieden.
„Natürlich wären Echolotmessungen von einem Boot aus schneller gegangen“,
erzählt Köck. „Doch der Einsatz von Booten wird aus zwei Gründen erschwert:
Selbst im Sommer ist der See nur selten völlig eisfrei und kann so nicht zu
Gänze befahren werden. Darüber hinaus wird auf dem riesigen See aus
Sicherheitsgründen eine recht großes Boot benötigt, das nur mit enormem
logistischem und finanziellem Aufwand zum See geflogen werden könnte.“ Die
Forscher haben sich deshalb entschieden, die Echolotmessungen im Frühjahr
durchzuführen, wenn der See noch eine geschlossene Eisdecke aufweist. Dabei
wird das Messsignal mit dem Sensor direkt durch die Eisdecke geschickt. „Um die
Messgenauigkeit zu überprüfen, mussten wir jedoch immer wieder Löcher durch die
Eisdecke bohren“, so Günter Köck. „Bei einer Eisdicke von rund 180 cm ist das
ein sehr schweißtreibendes Unterfangen.“ Für die Vermessung von über 360
Tiefenpunkten haben die Forscher mit SkiDoos mehrere hundert Kilometer auf dem
See zurückgelegt. „Als Krönung der Arbeit haben wir an der tiefsten Stelle des
Sees in 267 Metern Tiefe sechs Sedimentbohrkerne entnommen“, zeigt sich Köck
stolz.
Das Projekt liefert damit nicht nur wertvolle
topographische Seedaten, sondern bildet die Basis für die weitere klima- und
schadstoffbezogene Langzeitforschung an diesem See. Darüber hinaus ist die
Tiefenkartierung auch für andere Forschungsdisziplinen (z.B. Hydrologie,
Geologie) von Interesse. So etwa ermöglichen die Daten nicht nur eine genauere
Bestimmung des Seevolumens, sondern auch eine Schätzung der
Wasseraustauschzeit.
Langjährige Arktisforschung
Seit 1997 werden im Rahmen der
österreichisch-kanadischen Arktisforschungskooperation High-Arctic
jährlich die Einflüsse von Klimaveränderungen auf Seesaiblinge aus Seen in der
kanadischen Arktis untersucht. High-Arctic
ist mittlerweile die mit Abstand detaillierteste Untersuchung zu diesem
Themenkreis, die bisher in der kanadischen Arktis durchgeführt wurde, und ist
auch das am längsten durchgehend laufende österreichische Arktisprojekt. Der
Ausgangspunkt für das Projekt war eine in den 1990er-Jahren an Seesaiblingen
aus Tiroler Hochgebirgsseen durchgeführten Studie, deren Ergebnisse einen
möglichen Zusammenhang zwischen Metallanreicherung und Klimaänderungen vermuten
ließen. Seit 1997 werden umfangreiche Untersuchungen an etwa 30
Seen auf sechs Inseln in der kanadischen Hocharktis durchgeführt. Als
„Basislager“ fungiert die Forschungsstation von Polar Continental Shelf Project (PCSP)
in Resolute Bay, wo dem Projekt umfassende logistische und technische
Unterstützung zur Verfügung gestellt wird. Die Mitarbeiter analysieren in den
Fischen Metalle wie Cadmium und Quecksilber, organische Schadstoffe und die
Verteilung stabiler Isotopen. Einen Forschungsschwerpunkt des Projektes bildet seit mehreren Jahren die
Untersuchung der Einflüsse der
Klimaerwärmung auf die Quecksilberanreicherung im Ökosystem der arktischen
Seen. Dieses Schwermetall reichert
sich in der Nahrungskette an und ist daher für Tier und Mensch besonders
problematisch.
Darüber hinaus werden paläolimnologische
Untersuchungen an Seesedimenten durchgeführt. In den Sedimentbohrkernen lassen
sich neben biologischen und physikalisch-chemischen Veränderungen im Ökosystem
auch der Eintrag von Schadstoffen über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte
zurückverfolgen. Sedimentbohrkerne sind damit ein hervorragendes Klimaarchiv, mit
dem Umweltveränderungen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart erforscht
werden können.
Zur Person
Günter Köck hat 1978 am Bundesgymnasium Gmunden maturiert und danach in Innsbruck Biologie studiert. Seine Fachgebiete sind die Fischbiologie und noch mehr die Erforschung von Umwelteinflüssen (Verschmutzung, Klima) auf die Ökologie unserer Gewässer. Zu diesen Themen hat er an der Universität Innsbruck viele Forschungsprojekte durchgeführt. Seit 1997 ist er Projektleiter der österreichisch-kanadischen Forschungskooperation „High Arctic“, seit 2004 Koordinator der internationalen Forschungsprogramme der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er vertritt Österreich in vielen internationalen Gremien und ist Mitglied einiger wissenschaftlicher Beiräte. Er ist Mitherausgeber des Fachjournals „eco.mont“ und hat über 160 Publikationen veröffentlicht. Im Jahr 2000 wurde er mit dem Kanada-Preis der Universität Innsbruck und 2010 mit der kanadischen „Go for Gold“ Ehrenmedaille ausgezeichnet.