Das Tier und wir
Das Tier und wir: Eine Beziehungskiste, die komplexer ist, als man meinen möchte und die angesichts aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zunehmend in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskussionen rückt und rücken muss. Davon sind jedenfalls die Initiatorinnen und Initiatoren der Ringvorlesung mit dem Titel Human Animal Studies überzeugt. „Wissenschaftliche Erkenntnisse, zum Beispiel aus Biologie und Verhaltensforschung zeigen, dass Menschen und Tiere gar nicht so verschieden sind, daher müssen wir auch den Umgang mit ihnen überdenken“, sagt Ao.Univ.-Prof. Gabriela Kompatscher vom Organisationsteam und fügt hinzu: „Meine Erwartungen wären erfüllt, wenn die Teilnehmer nach der Veranstaltung eine kritische Haltung gegenüber tradierten Lehrmeinungen annehmen, aber auch die präsentierten Inhalte nicht kritiklos übernehmen würden.”
Die Bandbreite der vierzehnteiligen Reihe reicht von historischen, philosophischen, rechtswissenschaftlichen über medizinische bis hin zu sprachwissenschaftlichen und alltagspraktischen Zugängen, die von internen und externen Vortragenden aus den unterschiedlichsten Bereichen dargestellt werden. Einer davon ist Univ.-Prof. Andreas Scheil vom Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Universität Innsbruck, der sich insbesondere mit dem Straftatbestand der Tierquälerei beschäftigen wird.
Strafrecht hat Signalwirkung
Das vorsätzliche, rohe Misshandeln und das unnötige Quälen von Tieren stehen in Österreich ebenso unter Strafe wie das Aussetzen hilfloser Tiere und das Vernachlässigen von Tieren beim Transport. Ein Verstoß gegen das Gesetz kann gemäß Paragraf 222 des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bedroht werden. Auch das mutwillige Töten eines Wirbeltiers ohne Grund ist ein Straftatbestand, der allerdings erst vor wenigen Jahren als letzte Änderung des Gesetzes ergänzt wurde. „Vor einigen Jahren hat ein Hundebesitzer aus Oberösterreich seinen Hund erschossen, weil er ihm lästig wurde. Sein Handeln war nicht strafbar, weil er mit dem Hund als seinem Eigentum tun und lassen konnte, was er wollte“, berichtet Andreas Scheil. Diese Gesetzeslücke wurde auf Initiative einer Aktivistin geschlossen. Ein wichtiger Schritt, wie der Rechtswissenschaftler meint, denn in seinen Augen trägt das Strafrecht erheblich zur Bewusstseinsbildung bei. „Um Menschen zu einem respektvollen Umgang mit Tieren zu bringen, gibt es natürlich zuerst einmal andere Rechtsmaterien, unter anderem eine schier unüberblickbare Zahl an Bestimmungen für den Tiertransport, von europäischer Ebene abwärts. Das Strafrecht ist dann das letzte Mittel, um grobe Verstöße zu sanktionieren“, sagt er und ergänzt, dass es im Jahr 2011 laut Verurteilungsstatistik 44 Verurteilungen wegen Tierquälerei gegeben hat. „Dass man vor Gericht landet, wenn man einem Tier unnötig Qualen zufügt, hat schon einen sittenbildenden Charakter“, verdeutlicht Scheil, dem es als Tierfreund ein persönliches Anliegen ist, einen Beitrag zum Thema zu leisten. „Wie man mit Tieren umgeht, ist ein Ausdruck von Kultur.“
Umstrittene Fragen
Den Umgang mit Tieren regeln allerdings noch andere Gesetze, wie das Tierversuchsgesetz, das Andreas Scheil – im Bewusstsein, dass es sich dabei um ein sehr kontroversielles Thema handelt – in seiner Vorlesung ebenfalls erörtern will. „Die medizinische Forschung arbeitet mit Tierversuchen. Für die gefährliche, aber unerlässliche medizinische Forschung am Menschen sind sie Voraussetzung, es gibt gesetzliche Hierarchien der Gefährdung“, beschreibt er die Rechtslage. Einschränkungen bei Tierversuchen sind im Laufe der Jahre immer wieder durch Novellen hinzugekommen. Für den Test von Kosmetikprodukten und deren Inhaltsstoffen dürfen zum Beispiel seit 1999 keine Tierversuche mehr durchgeführt werden. „Das ist schon ein großer Fortschritt, insgesamt ist das Bewusstsein deutlich geschärft worden“, sagt Scheil.
Er will ein noch weiteres, in seinen Augen wichtiges und nicht weniger umstrittenes Thema einbringen: das rituelle Schlachten von Tieren nach mosaischem und islamischem Ritus. „Hier kommt die Frage der Religionsfreiheit ins Spiel. Es gab dazu in Innsbruck eine Verurteilung nach dem Tierquälerei-Paragraphen, die im Sinne der Religionsfreiheit vom Obersten Gerichtshof für nichtig erklärt wurde“, schildert Scheil. „In der Diskussion um das Schächten steht häufig nicht der Tierschutz im Vordergrund, sondern starke Ressentiments gegenüber anderen Religionen und Kulturen“, gibt er zu bedenken. Es lohne sich daher, in diesem Zusammenhang auch darüber zu sprechen.
Offen für alle
Die auf Initiative der universitären Interessengemeinschaft für Tierrechte LIFE ins Leben gerufene und vom Institut für Sprachen und Literaturen, vom Institut für Germanistik und vom Institut für Philosophie veranstaltete Ringvorlesung wird für Studierende mehrerer Fakultäten angeboten und anerkannt. Die Vorträge stehen auch allen Interessierten offen. Die Reihe gliedert sich in vier große Blöcke: das Verhältnis von Mensch und Tier in der europäischen Geschichte, Mensch und Tier im modernen gesellschaftlichen Diskurs, Tiere in Sprache und Literatur, Tierrechte in Theorie und Praxis. Sie hat am 4. Oktober begonnen und endet am 31. Jänner 2013. Termine: an Donnerstagen während der Vorlesungszeit ab 17:15 Uhr in unterschiedlichen Hörsälen im Gebäude Innrain 52e. Informationen im Web.
Universitäre Interessensgemeinschaft
Der Verein LIFE versteht sich als universitäre Interessengemeinschaft für Tierrechte und widmet sich der Aufklärung und Bewusstseinsbildung im Hinblick auf Tierschutz und Tierrechte, vorrangig an der Universität Innsbruck. Gegründet wurde er von Studierenden und Lehrenden der Universität Innsbruck, sowie von Interessierten aus verschiedensten Berufsbereichen. Es können alle mitwirken, denen Tierschutz ein Anliegen ist. Das Thema betrachten die Mitglieder des Vereins nicht isoliert, sondern auch im Kontext von Klimawandel und Nahrungsmittelknappheit.
Dieser Artikel ist in der Oktober-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version steht hier zur Verfügung (PDF).