Entwaldung hat keinen Einfluss auf Gletscherrückgang

Entwaldung in der Nähe von Gletschergebieten hat keinen nachweisbaren Einfluss auf den Rückgang der Gletscher – das zeigt eine neue Studie, an der InnsbruckerKlimaforscher maßgeblich beteiligt waren. Zugleich zeigt die Studie aber, dass Entwaldung zu weniger Niederschlag in mittleren Gebirgslagen führt und damit Einfluss auf die Lebensqualität der Bewohner des jeweiligen Gebiets hat.
ipoint_kilimanjaro.jpg
Blick auf den Kilimanjaro von Südosten, im Vordergrund ist tropische Buschvegetation zu sehen. (Bild: Douglas Hardy)

Die Beschaffenheit der Landoberfläche – etwa Vegetationstyp und Nutzung der Fläche – reguliert den Austausch von Strahlung, fühlbarer Wärme und Wasserdampf zwischen Oberfläche und darüber liegender Luft und hat somit einen direkten Einfluss auf das bodennahe Klima. In ihrer Studie haben Innsbrucker Klimaforscher zum ersten Mal quantitativ untersucht, ob Änderungen der Landbedeckung in Gebirgen das Potenzial haben, zum Gletscherrückgang beizutragen. „Als Fallbeispiel haben wir den Kilimanjaro in Ostafrika gewählt, wo seit den 1970ern deutliche Verluste der Wälder zwischen rund 1.800 und 3.000 Metern Seehöhe registriert wurden, sowohl durch illegale Rodung als auch durch vermehrte Waldbrände“, erklärt der Klimaforscher Thomas Mölg, der seit 1. Oktober 2011 in Berlin tätig ist, die Studie mit seinem Team aber noch davor an der Uni Innsbruck fertiggestellt hat. Die Gletscher im Kilimanjaro-Gebiet schrumpfen seit vielen Jahrzehnten, zudem führen Innsbrucker und amerikanische Klimaforscher dort seit fast zehn Jahren intensive glaziologische und meteorologische Messungen durch – Idealvoraussetzungen für eine tiefergehende Studie eines möglichen Zusammenhangs zwischen Waldverlust und Gletscherrückgang.

Neue Methode

Voraussetzung für die Studie, die am 5. Februar 2012 online in „Nature Climate Change“ publiziert wurde, war die Anwendung einer neuen Methode, die ein Gletschermodell und ein Atmosphärenmodell in einer Weise koppeln, die keine statistischen Korrekturen mehr erfordert (Kaser/Mölg, 2011 im Journal of Geophysical Research publiziert). Direkte Messungen verschiedener Klimaelemente, darunter Temperatur, Luftfeuchte, Strahlung und Niederschlag am Kilimanjaro sowie der Gletschermassenänderung zeigen, dass die neue Methode die Realität sehr gut simuliert. „Auf Basis dieser Evaluierung haben wir im Atmosphärenmodell schließlich die Vegetationsbedeckung geändert – einmal 1976, einmal die aktuelle Situation – und den Effekt auf die Gletschermasse berechnet“, sagt Thomas Mölg.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Vegetationsänderung vor allem den Niederschlag über den Gletschern ändert, jedoch mit unterschiedlichen Vorzeichen im Nord- und Südsektor des Berges (Zunahme bzw. Abnahme), was zu lokalem Massengewinn bzw. -verlust auf den Gletschern führt. „Je nach Jahreszeit beträgt der Beitrag zum Gletscherverlust im Südsektor nicht mehr als sieben bis 17 Prozent. Wir können somit die Hypothese, dass der Waldverlust am Kilimanjaro ein wichtiger Beitrag zum Gletscherrückgang ist, nicht bestätigen“, erklärt Thomas Mölg.

Weniger Niederschlag in mittleren Höhen

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass relativ kleinräumige Änderungen der Landoberfläche wie am Kilimanjaro das Gebirgsklima nicht genug stören können, um die Effekte des globalen Klimawandels auf Gletscher zu beeinflussen. „Ein wichtiger Seitenaspekt der Ergebnisse ist jedoch, dass die Entwaldung zu viel größeren Niederschlagsreduktionen in mittleren Höhenlagen etwa zwei Kilometer unterhalb der Gletscher führt als in den Gipfelregionen.“ Das hat Folgen für den lokalen Wasserhaushalt und reduziert die Wasserverfügbarkeit für die lokale Bevölkerung.