Ethisches Labyrinth der Fortpflanzungsmedizin

Frauen über 60 werden Mütter, alleinstehende Frauen bringen Mehrlinge zur Welt. Die Fortpflanzungsmedizin macht's möglich. Nicht so in Österreich: Die gesetzlichen Regelungenzur künstlichen Befruchtung sind hier kompromissloser als in anderen Ländern.
Die gesetzlichen Regelungen zur künstlichen Befruchtung sind in Österreich härter als …
Die gesetzlichen Regelungen zur künstlichen Befruchtung sind in Österreich härter als in anderen Ländern. (Foto: istockphoto.com)

Maria und Wolfgang wünschen sich seit langem ein eigenes Kind. Die Versuche der natürlichen Fortpflanzung sind fehlgeschlagen. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr ziehen vorbei und der Wunsch bleibt aufrecht, aber er wird nicht erfüllt. Die Konsultation eines Arztes bringt sodann Klarheit. Maria kann keine Eizellen erzeugen. Um ein Kind auf die Welt zu bringen, sind Maria und Wolfgang daher auf eine Eizellspende angewiesen. Der österreichische Gesetzgeber verbietet jedoch die Eizellspende gänzlich, wodurch dem Ehepaar die Möglichkeit auf eigenen Nachwuchs verwehrt wird. Erlaubt ist bisher nur, dass männliche Samenzellen für die künstliche Insemination, das Einführen des Samens in die Gebärmutter der Frau, von dritten männlichen Personen stammen dürfen. Die weibliche Eizelle muss hingegen von der Frau selbst stammen, in die sie eingesetzt werden soll. Defekte Samenzellen sind ersetzbar, defekte Eizellen sind es demnach nicht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kam daher hier zu dem Schluss, dass das Verbot von Eizellspenden unverhältnismäßig das Recht auf eine Familiengründung einschränkt. Bisher hat sich aber auf Gesetzesebene noch nichts geändert. Aus diesem Grund begeben sich viele Paare mit Kinderwunsch in Länder mit liberaleren Gesetzen, um zu einer Eizellspende zu gelangen. Dieser so genannte Fortpflanzungstourismus boomt – All-inclusive-Urlaub mit Sonne, Strand, Meer und Embryo im Bauch.

Rechtlicher Rahmen

Aber von vorne. „Die Fortpflanzungsmedizin kommt rechtlich erst zur Anwendung, wenn die Fortpflanzung auf natürlichem Weg nicht möglich ist. Also dann, wenn die Ei- oder Samenzellen defekt sind und man die moderne Medizin in Anspruch nehmen muss, damit die Befruchtung funktioniert“, erklärt Caroline Voithofer, Juristin am Institut für Zivilrecht der Uni Innsbruck. Die Inanspruchnahme der Fortpflanzungsmedizin ist in Österreich im so genannten Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) geregelt, das aus dem Jahr 1992 stammt. Darin setzt der Gesetzgeber den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin für verheirate und in einer eheähnlichen aufrechten Lebensgemeinschaft lebende Paare verschiedenen Geschlechts fest. Damit verbunden ist die Ausgrenzung bestimmter Personengruppen wie homosexueller Paare oder alleinstehender Frauen und Männer. „Österreich hat hier eigentlich starken rechtspolitischen Handlungsbedarf und zwar dahingehend, dass momentan nur reagiert und nicht agiert wird. Mit dem österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz, das vor zwanzig Jahren beschlossen wurde, wird ein konservatives Familienleitbild aufrechterhalten“, stellt Magdalena Flatscher-Thöni, Assistenzprofessorin an der UMIT, fest. Der österreichische Gesetzgeber blendet die Lebenswirklichkeit vieler Familien jenseits des traditionell-bürgerlichen Familienmodells aus. Das traditionelle Familienbild ist schon seit Jahren aufgehoben und einem toleranteren Bild gewichen. Auch die Statistik bestätigt dieses Bild. Es leben etwa 154.000 alleinerziehende Mütter und 21.000 alleinerziehende Väter mit Kindern unter 27 Jahren auf österreichischem Boden. 35.000 Eheschließungen stehen etwa 19.000 Scheidungen pro Jahr gegenüber. Dementsprechend äußerte der österreichische Oberste Gerichtshof, dass es heutzutage nicht angemessen ist, homosexuelle Paare von der Möglichkeit der Fortpflanzungsmedizin auszuschließen.

Moral versus Machbarkeit

„Die Fortpflanzungsmedizin stellt uns rechtlich vor ein großes Problem. Einerseits werden dadurch rechtssoziologische Aspekte berührt, andererseits geht es aber auch um rechtsökonomische Aspekte, die betroffen sind. Man denke nur an den Gebrauch von Samen- und Eizellen in Form von handelbaren Gütern, der in gewissen Ländern an der Tagesordnung steht“, erläutert Flatscher-Thöni die rechtliche Problematik. Eine rechtliche Einbindung der Eizellspende in das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz bedeutet in Folge auch die Zulassung einer gewissen Art von Gewerbe, unabhängig davon, wie dies rechtlich geregelt wäre. In Ländern wie Spanien oder dem osteuropäische Raum kann man diesen Markt bereits beobachten. Der Grund dafür, dass die Eizellspende nicht ähnlich rechtlich geregelt wird, wie es bei der Samenspende der Fall ist, ist vor allem das Fehlen von empirischer Forschung hinsichtlich der Eizellspende. Eizellspenden sind in der Medizin noch relativ neu, daher sind Forschungen über die gesundheitlichen Folgen bislang kaum unternommen worden bzw. waren bis dato nicht möglich. „Man weiß nicht genau, was mit dem weiblichen Körper während der künstlich herbeigeführten Produktion der Eizellen passiert. Der Körper wird sehr stark hormonell stimuliert, damit es zu der Spende von Eizellen kommen kann und es gibt noch keine Langzeitstudien“, erklärt die Rechtswissenschaftlerin. Diese Problematik wird momentan auch sehr stark im amerikanischen Raum diskutiert. Da der amerikanische Markt frei ist, kann jede junge Frau ab Volljährigkeit ihre Eizellen spenden. Amerikanische Studentinnen finanzieren sich mit den Eizellspenden ihr Studium – je nach Universität kann man viel oder wenig dafür verlangen. Studentinnen, die zum Beispiel an der renommierten Harvard-Universität studieren, können ihre „wertvollen“ Eizellen um bis zu 150.000 Euro verkaufen. In Österreich spricht man nicht vom Verkauf von Samenzellen, sondern von einer Samenspende, weil kein Geldfluss erlaubt ist. Die Person, die Samenzellen, Blut oder Plasma spendet, erhält kein Geld für die Spende selbst, sondern lediglich eine Refundierung der entgangenen Zeit. „Österreich verhindert durch seine restriktive Haltung in der Gesetzgebung, dass zum Teil gewisse ethische Probleme entstehen. So erhält man zur Samenspende keine Informationen über den Spender, im Gegensatz zu den USA. Dort kann man das Sperma mit detaillierten Beschreibungen zur Person wie Ausbildung, Haarfarbe, Größe, Gewicht, etc. aus einem Katalog aussuchen – Spermshopping sozusagen“, so Voithofer. Das Verlagern der Fortpflanzung in die Hände der Medizin, um perfekte Menschen zu schaffen, sei eine Idee, die moralisch wohl kaum vertretbar ist. Eine Fortpflanzungsmedizin, die für alle zugänglich ist, die sie benötigen, weil ein Kinderwunsch sonst unerfüllt bliebe, sei jedoch erstrebenswert.

Dieser Artikel ist in der Juni-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version steht unter folgendem Link zur Verfügung: wissenswert 3/2012