Individualität von Luxus
Die eigentliche Bedeutung von Luxus hat Otto von Bismarck bereits vor mehr als 150 Jahren erkannt, als er von der Freiheit als Luxus sprach, den sich nicht jedermann gestatten kann. Während der Begriff Luxus alltagssprachlich eindeutig verwendet wird, verwischen die Grenzen der Definitionen auf der Ebene der Marketingliteratur. Was aber ist Luxus? Freiheit, Prunk oder Prestige? „Traditionell war man der Meinung, dass Luxus dazu verwendet wird, Status zu signalisieren. Die Hauptfunktion von Luxus lag demnach im Abheben der Konsumenten aus reicheren Schichten von anderen Schichten. Unsere Perspektive geht in eine andere Richtung. Wir wollten Luxus aus einer konsumentenorientierten Perspektive betrachten, da uns unsere persönliche Erfahrung gezeigt hat, dass dem Individuum eine viel höhere Bedeutung zukommt als angenommen und es weniger um reines Statusdenken geht“, erklärt Mag. Martina Bauer vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck. Gemeinsam haben sich Mag. Martina Bauer, Univ.-Prof. Dr. Andrea Hemetsberger und Dr. Sylvia von Wallpach auf diesem Forschungsgebiet spezia-lisiert und eine konsumentenori-entierte Konzeptualisierung von Luxus erarbeitet. „Die Studien haben bisher gezeigt, dass Luxus sehr individuell wahrgenommen wird. Für manche ist zum Beispiel bereits ein gutes Körpergefühl Luxus. Es geht weniger um Luxus als Objekt nach dem klassischen Verständnis, sondern vielmehr um die persönliche Luxuserfahrung und was damit verbunden ist“, so Bauer über das Projekt.
Luxus ohne Bühne?
Braucht Luxus Bewunderer und Mitwisser, wie es der römische Philosoph Seneca behauptete? Kann Luxus ohne Bühne existieren? Die Ergebnisse der ersten Studie des dreiköpfigen Projektteams vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus mit dem Titel „My little luxury – A consumer-centered experiential view“ legen die Schlussfolgerung nahe, dass das nicht immer der Fall sein muss. „Trotz einiger Berührungspunkte mit dem traditionellen Verständnis von Luxus im Sinne von hoher Qualität oder Exklusivität deuten die Ergebnisse darauf hin, dass bisherige Definitionen des Konzepts Luxus nicht vollständig sind. Konsumenten bestimmen selbst, was für sie Luxus bedeutet und wie sie Luxus und die damit verbundenen Luxuserfahrungen in ihren Alltag integrieren. Diese Erfahrungen sind größtenteils intime Erlebnisse, die somit kaum dem Signalisieren von Status dienen und keine Bühne benötigen.“ Luxus wird vom Konsumenten als flüchtig und situativ wahrgenommen, das heißt, die Verbraucher charakterisieren die Situationen selbst, in denen der Konsum von Luxus als adäquat oder nicht adäquat empfunden wird. „Das frühere Verständnis des Begriffs Luxus legte die Vermutung nahe, dass Luxus immer Luxus sei. Die im Rahmen der Studie gewonnenen Daten zeigen aber, dass das Gegenteil der Fall ist. Luxus hängt von der jeweiligen Situation ab. Eine Testperson erzählte, dass sie, wenn sie sich ihrem liebsten Hobby widmet, Parlanti-Stiefel – eine ganz beson-dere Luxusmarke – trägt und die Luxusstiefel sie in genau dieser Situation unterstützen, während die Stiefel für eine andere Situation nicht angemessen wären. Das war eine wichtige Erkenntnis“, führt Bauer aus. Einen weiteren interessanten Aspekt von Luxus erkannten die Forscherinnen in der Beschreibung vom Entfliehen des Alltags. Konsumsituationen, die Luxus implizieren, ermöglichen es dem Käufer, besondere Momente zu erleben und dem täglichen Leben für einen Augenblick zu entkommen. „Die Luxuslandschaften wurden von den Testpersonen, Studenten und Jungakademikern im Alter zwischen Anfang zwanzig und Mitte dreißig, als verbotene Plätze und andere Welt wahrgenommen. Allein das Kaufen stellt dabei für den Konsumenten die Eintrittskarte in eine neue Welt dar. Er fühlt sich gut und einzigartig, er trägt die Einkaufstasche mit Stolz nach Hause und das Öffnen der Tasche gleicht dem Weihnachtsritual.“
Symbolische Ressource
Dem sichtbaren Zeichen von Status in sozialen Gruppen kommt heute eine geringere Bedeutung zu, vielmehr weist Luxus eine markante Verbindung zur Identität der Verbraucher auf. „Luxus unterstützt die Identität von Individuen, da er den Konsumenten einerseits als symbolische Ressource dient und andererseits transformative Erlebnisse ermöglicht“, erläutert Bauer die Beziehung zwischen der Luxuserfahrung und der Bedeutung für das Selbst und führt weiter aus, dass „die individuellen Luxuserfahrungen dazu beitragen, wer man selber ist. Dabei kommt es auch zu transformativen Erfahrungen, das bedeutet, dass sich das Selbst durch den Konsum von Luxus bzw. die Erfahrung von Luxus verändern kann. Die bereits erwähnte weibliche Testperson beschrieb, dass sie sich durch das Tragen der teuren Luxusstiefel als bessere Reiterin wahrnahm. Durch diesen Luxus verbesserten sich für sie ihre Fähigkeiten.“ Für das Konsumverhalten spielt das Selbst eine wesentliche Rolle, der Konsum beeinflusst uns als Person und fließt als Teil in das Selbst ein. Daher geht das Team in einer zweiten Studie der Frage nach der Bedeutung von Luxus für das Selbst nach. „Die Testpersonen für unsere Studie ‚Luxury and Myself‘ mussten über zwei Wochen lang ihre persönlichen Luxuserlebnisse beschreiben. Es ging uns vor allem um die individuelle Bedeutung der Erfahrung für die einzelne Person“, so Bauer. Die Ergebnisse der Studie werden im Laufe dieses Jahres publiziert. Ungeachtet der Relevanz einer notwendigen weiterführenden Forschung stellt diese Arbeit bereits jetzt einen bedeutenden Schritt dar, die konsumentenorientierte Perspektive von Luxus zu erforschen und zu verstehen. „Wir konnten durch unsere Studien zeigen, dass sich die Wahrnehmung und Erfahrung von Luxus verändert hat und man sich heutzutage vom Statusdenken ent-fernt, versucht individuell zu sein und diese Individualität nach außen zu tragen. Die Erfahrungen, die die Befragten beschrieben haben, zeigen, dass die traditionelle Bedeutung von Luxus schwächer wird und der Luxusbegriff in eine neue Richtung geht.“
Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version steht unter folgendem Link zur Verfügung: wissenswert 2/2012