Physiker entwerfen kreative Maschine
Aus Industrie und Wirtschaft sind Roboter heute längst nicht mehr wegzudenken, und auch in Haushalten haben sie - etwa mit Staubsaugerrobotern - bereits Einzug gehalten. Während solche Maschinen meist nur starr vorgegebenen Regeln folgen, suchen Wissenschaftler in aller Welt seit Jahrzehnten nach Formen von künstlicher Intelligenz, die Maschinen einen intelligenteren Umgang mit ihrer Umwelt ermöglichen sollen. Der Quantentheoretiker Hans Briegel vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften schlägt nun gemeinsam mit der Doktorandin Gemma De las Cuevas ein neues physikalisches Modell für eine Form von künstlicher Intelligenz vor. Dieses kann in unterschiedlicher Weise umgesetzt werden und soll Maschinen einen kreativ-spielerischen Umgang mit ihrer Umgebung erlauben. „Roboter könnten damit flexibler und in ihrem Verhalten natürlicher werden, letztendlich auch im Umgang mit Menschen“, ist Hans Briegel überzeugt.
Handlungsspielraum für Maschinen
Briegel und De las Cuevas entwerfen dazu ein abstraktes Modell, in dem ein Agent Eindrücke aus der Umwelt aufnimmt, diese in einem künstlichen Gedächtnis verarbeitet und Handlungsoptionen durchspielt. In Anlehnung an psychologische Theorien sprechen sie dabei von einem episodisch-kompositorischen Gedächtnis, in dem viele einzelne Erfahrungsfragmente (Clips) gespeichert und netzwerkartig miteinander verbunden sind. Ist der Agent mit einem bestimmten Ereignis konfrontiert, werden in einer Zufallsbewegung damit zusammenhängende Clips abgerufen. Der Erinnerungsweg durch das Gedächtnis wird durch Übergangswahrscheinlichkeiten bestimmt, die vom Agenten aufgrund früherer Erfahrungen selbst modifiziert werden. So lernt die Maschine aus Erfolg und Misserfolg und kann auch selbst fiktive Clips erzeugen, die in der Folge wie reale Erfahrungen behandelt werden. „Der Agent kann damit auf Basis früherer Erfahrungen plausible zukünftige Szenarien entwerfen und über das hinausgehen, was er selbst bisher erfahren hat“, erklärt Prof. Briegel. „Dies ist ein stochastischer Prozess: Der Weg durch die Erinnerungen wird durch Wahrscheinlichkeiten bestimmt, denen ein Moment irreduziblen Zufalls zugrunde liegen kann. Durch die Existenz einer Simulationsplattform, auf der solche Zufallsprozesse ablaufen, gewinnt der Agent einen gewissen Spielraum, der - in einer sehr rudimentären Form - kreatives Verhalten hervorbringt.“ Das episodische Gedächtnis wird somit zu einer Plattform für die spielerische Auseinandersetzung mit Umwelteindrücken. Aus früheren Erfahrungen können so plausible zukünftige Szenarien entworfen und getestet werden. Briegel und De las Cuevas sprechen deshalb von projektiver Simulation. „Dabei geht es nicht um Bewusstsein oder höhere Formen von kognitiven Fähigkeiten, sondern um ein grundlegendes stochastisches Modell der Informationsverarbeitung, das Grundzüge kreativen und entwerfenden Verhaltens generiert und im Prinzip in Maschinen umgesetzt werden kann“, betont Briegel. Das abstrakte Modell kann auf verschiedene Weise implementiert werden, möglicherweise bereits mit heute existierenden Technologien.
Quantenroboter denkbar
In der vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten und nun in der Fachzeitschrift Scientific Reports der Nature Publishing Group veröffentlichten Arbeit erweitern Briegel und De las Cuevas den Vorschlag darüber hinaus in Richtung Quantenphysik. Das physikalisch formulierte Modell erlaubt erstmals eine sinnvolle Verbindung von Konzepten der künstlichen Intelligenz mit den Prinzipien der Quanteninformationsverarbeitung. „Unser Modell lässt sich auf natürliche Weise auf Agenten verallgemeinern, die die Quantenmechanik für die projektive Simulation verwenden“, sagt Briegel. „Auf diese Weise könnten Quanteneffekte wie die Interferenz nutzbar gemacht werden, was ein großes Potential für noch leistungsfähigere künstliche Agenten erwarten lässt.“