Mit dem Computer gegen Lawinen
Laut Saisonbericht der österreichischen Lawinenwarndienste starben in der vergangenen Wintersaison 27 Personen durch Lawinen, 58 Personen wurden verletzt. Auch im laufenden Winter gab es bereits Lawinentote. Schaut man sich die Zahlen im langjährigen Durchschnitt an, so erkennt man trotz des drastischen Anstieges an Wintersportlern, die sich im freien Skigelände aufhalten, einen gleichbleibenden Trend. Dies verdeutlicht u.a. die Bedeutung der Lawinenwarndienste: Für die Einschätzung der Lawinengefahr sind in Tirol der Lawinenwarndienst, in den einzelnen Gemeinden die Lawinenkommissionen zuständig. Mit zwei Forschungsarbeiten unterstützen Innsbrucker Informatik-Studenten den Lawinenwarndienst in der täglichen Arbeit. Das Ergebnis einer der beiden Arbeiten ist bereits im produktiven Einsatz. „Ein wichtiger Teil der Arbeit des Lawinenwarndienstes sowie der Lawinenkommissionen ist die genaue Analyse der Schneedecke und deren Interaktion mit dem aktuellen Wettergeschehen“, erklärt DI Robert Binna, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Datenbanken und Informationssysteme (DBIS) am Institut für Informatik.
Untersuchung von Schneeprofilen
Zur Einschätzung der Lawinengefahr erstellt der Lawinenwarndienst sogenannte Schneeprofile. „Ein Schneeprofil hält die Zusammensetzung der Schneedeckefest: Dabei geht es um die Analyse der einzelnen Schichten, wie z.B. die Kornformen, die Korngröße, die Feuchtigkeit, die Härte, insbesondere aber um die Verbindung der einzelnen Schichten untereinander. Anhand dieser und weiterer Daten können Experten beurteilen, ob Lawinengefahr besteht oder nicht“, sagt Robert Binna. Für die Erfassung dieser Profile werden Löcher in den Schnee gegraben und die einzelnen Schichten gemessen, danach in speziellen Computerprogrammen eingetragen und ausgewertet. In der von Robert Binna betreuten Bachelor-Arbeit hat der Student Aleksandar Stojakovic den Prototypen eines Web-Portals entwickelt, mit dem diese Daten einfacher erfasst und gespeichert werden und vor allem vereinheitlicht werden können.
Das zweite Projekt, mit dem die Forschungsgruppe DBIS den Lawinenwarndienst unterstützt, betrifft die Auswertung der Schneeprofile: „So ein Schneeprofil können Sie sich grafisch dargestellt wie ein um neunzig Grad gedrehtes Balkendiagramm vorstellen: Je nach Beschaffenheit der einzelnen Schneeschichten sind die Balken länger oder kürzer bzw. dünner oder breiter“, erläutert Robert Binna. In seiner Masterarbeit hat der Student Christian Schaiter nun Algorithmen entwickelt, die eine automatische Auswertung dieser Schneeprofile in Form von Schneeprofiltypen ermöglichen. Die grafisch dargestellten Schneeprofile werden dafür automatisch mit vordefinierten Mustern verglichen. „Das klingt einfacher, als es ist – zwar gibt es nur zehn grundsätzliche Schneeprofil-Typen, aber ungleich mehr unterschiedliche tatsächliche Erscheinungsformen der Profile, die ja die Schneebeschaffenheit zeigen“, sagt Robert Binna, der diese Arbeit betreut hat. Das Programm muss dementsprechend auch erkennen können, welchem Typ ein Schneeprofil am ehesten entspricht und damit andere ausschließen können – ähnlich, wie ein Experte das machen würde.
Weitere Parameter
Ursprünglich sei auch vorgesehen gewesen, weitere Datenpunkte einzuarbeiten, um Gefahrenmuster automatisch zu erkennen: So hängt die Lawinengefahr nicht nur von der Schneebeschaffenheit, sondern auch vom Wetter der vergangenen Tage, der Temperatur, der Beschaffenheit des Hanges und noch einigen weiteren Faktoren ab. „Wir haben versucht, diese Punkte zu berücksichtigen, um eine automatische Gefahrenmustererkennung durchführen zu können – leider hat sich die aktuell zur Verfügung stehende Menge an Trainingsdaten als zu gering herausgestellt, um zuverlässig Aussagen treffen zu können.“ Dennoch: Die Arbeit von Christian Schaiter wird aktuell in Kooperation mit einer Wiener Firma für den produktiven Einsatz im Webportal des Lawindenwarndienstes vorbereitet, um die Zuordnungsarbeit der Schneeprofile für den Lawinenwarndienst zu beschleunigen.