Namibische Vetternwirtschaft?
„In Namibia existieren nahe nebeneinander eine Region mit relativ starkem Biomassewachstum und eine mit geringem Biomassevorkommen“, erklärt Dr. Björn Vollan, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Institut für Finanzwissenschaft. Um herauszufinden, ob und wie sich das Verhalten der Menschen in diesen beiden Regionen unterscheidet, führte er dort mit seinen Kollegen Sebastian Prediger und Benedikt Herrmann ein ökonomisches Experiment durch. „Das Setting unseres Experiments – ein sogenanntes Vergnügen-am-Zerstören-Spiel aus der Spieltheorie – sah so aus, dass jeder Teilnehmer einen Teil seines Kapitals einsetzen konnte, um einem anderen Spieler einen Verlust zu bescheren – er selbst hat davon allerdings keinen Vorteil“, beschreibt Vollan. Das Ergebnis dieser Studie, die er in beiden Regionen in Namibia durchführte, überraschte den Finanzwissenschaftler: In der Biomasse-reichen Region entschieden sich nur 20 Prozent der Teilnehmer dazu, einem Mitspieler durch Einsatz ihres Kapitals zu schaden – in der ressourcenknappen Region waren es dagegen 40 Prozent. „Die Ressourcenknappheit führt offenbar dazu, dass Menschen eine höhere Bereitschaft haben, anderen Schaden hinzuzufügen – vermutlich um ihre eigene relative Situation verbessern zu können“, resümiert Vollan.
Clanstrukturen und Demokratie
In einem weiteren Forschungsprojekt, das vom Nachwuchsförderungs-Fonds der Universität Innsbruck unterstützt wird, will der Finanzwissenschaftler zusammen mit Sebastian Prediger, Esther Blanco und Michael Kosfeld nun in derselben Region Namibias herausfinden, welche Rolle der Nepotismus – die Bevorzugung Verwandter oder Bekannter – hier spielt. „Namibia bietet optimale Voraussetzungen, da hier neben demokratisch gewählten Volksvertretern auch Clanstrukturen existieren, aus denen traditionelle Leader hervorgehen“, erklärt Vollan. Mittels experimenteller Ökonomie will er untersuchen, welche Gruppe der dortigen Führungspersonen – demokratisch gewählte oder traditionell bestimmte – stärker dazu neigt, Bekannte oder Verwandte zu bevorzugen. „Unsere Ausgangshypothese besagt, dass bei demokratisch gewählten Personen der Nepotismus schwächer ausgeprägt ist, da diese stärker am Gemeinwohl interessiert sind – schon allein aus dem Grund, weil sie, anders als traditionelle Leader, abgewählt werden können“, so Vollan. Um diese Hypothese zu belegen oder zu negieren, ist ein zweistufiges Experiment geplant: Zuerst wird ein Teil der Bevölkerung an einem Öffentliche-Güter-Spiel teilnehmen. Bei diesem Standard-Experiment der Spieltheorie wird den TeilnehmerInnen ein Anfangskapital zugeteilt, von dem sie eine beliebige Summe in einen öffentlichen Topf investieren können. Dieser wird leicht vervielfacht und unter allen TeilnehmerInnen – also auch jenen, die nichts investieren – aufgeteilt. In einem zweiten Schritt erhalten dann die politischen und traditionellen Leader die Möglichkeit, die Spieler zu sanktionieren oder zu belohnen. Als Entscheidungsgrundlage für die Bestrafung oder Belohnung erfahren sie aber wahlweise nur die Namen der Spieler oder die Summen, die investiert wurden. „Entscheiden sich die Leader dafür, die Namen zu erfahren, ist klar, dass ihnen der Nutzen für die Allgemeinheit egal ist und sie nur nach Bekanntheit belohnen wollen“, beschreibt Björn Vollan, der schon auf die Ergebnisse gespannt ist. Die Durchführung der Experimente ist für den Sommer 2014 geplant.