Spirituelle Praxis und wissenschaftliche Theologie

Die wissenschaftliche Theologie beschäftigt sich mit religiösen Fragen nicht aus einer neutralen Außenperspektive, sondern versucht diese Fragen ausder Perspektive Angesprochener zu erschließen. Der Frage, welche Rolle spirituelle Praxis wie Gebet oder Meditation in der theologischen Erkenntisgewinnung spielen, geht die Theologin Teresa Peter in einem FWF-Projekt nach.
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Das Projekt soll einen Beitrag zur Entwicklung eines Stils theologischen Tuns leisten. (Bild: Andreas Tiefenbacher)

Das sehr vielfältige und schwer definierbare Feld der spirituellen Praxis auf der einen Seite und die akademische Theologie auf der anderen Seite sind zwei Bereiche, zwischen denen nicht selten eine Spannung besteht. Inwiefern diese beiden Bereiche aber dennoch notwendigerweise aufeinander bezogen sind, untersucht Dr. Teresa Peter vom Institut für Systematische Theologie seit 2011 in einem vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung geförderten Projekt mit dem Titel „Doing Spiritual Theology – Die Praxis Spiritueller Theologie“. Am Beispiel einer konkreten christlichen Tradition (ignatianische Tradition) und einer konkreten buddhistischen Tradition (Vipassana-Tradition) untersucht sie die Wechselwirkungen zwischen spiritueller Glaubenspraxis und intellektueller Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten. „Es geht uns nicht darum, spirituelle Phänomene im Sinne eines Forschungsgegenstandes zu untersuchen, sondern vielmehr um die Frage, wie Theologie in diesem Spannungsverhältnis eigentlich funktioniert und inwiefern spirituelle Praxis als Teil der wissenschaftlichen Arbeit verortet werden kann“, erklärt Teresa Peter. Dass die Theologin die Wechselwirkung zwischen Glaubenspraxis und Glaubensreflexion in einer christlichen und in einer buddhistischen Tradition untersucht, ist kein Zufall. „Ich verstehe mich als katholische Theologin und bin gleichzeitig oder gerade deshalb davon überzeugt, dass die Einbeziehung von Einsichten aus nicht-christlichen Traditionen, hier konkret aus der buddhistischen Religion, für mein christliches Verständnis inspirierend sein kann“.

Verstehen als spiritueller Vorgang

Im Zentrum dieses Forschungsprojekts steht die Frage, wie religiöse Inhalte tatsächlich verstanden werden können und inwieweit diese Verstehensprozesse durch spirituelle Praxis mitgetragen werden. „Denkt man an zentrale christliche Aussagen, wie beispielsweise ‚Gott wird Mensch’ oder ‚Jesus Christus ist auferstanden’, wird schnell offensichtlich, dass diese Phänomene rein intellektuell nur begrenzt verstanden werden können. Solche Einsichten stellen nicht ausschließlich propositionale Gehalte dar, sondern verweisen auf Zusammenhänge, denen existentiell nachgegangen werden muss und zwar nicht nur, um sie im Alltag anzuwenden, sondern um sie überhaupt immer neu und immer tiefer zu verstehen“, reflektiert Peter. Da der Prozess des Verstehens religiöser Einsichten nicht ausschließlich als Informationsaufnahme betrachtet oder durch logische Schlussfolgerungen vollzogen werden kann, müssen zusätzlich zur intellektuellen Erschließung weitere Wege beschritten werden, die den rationalen, intellektuellen Zugang ergänzen.

Spirituelle Praxis in Forschung und Lehre

Um der Forschungsfrage nach dem Verstehen religiöser Einsichten nachzugehen, wird im Projekt im Wesentlichen mit zwei Erkenntnisquellen gearbeitet: einer inhaltsanalytischen Untersuchung ausgewählter christlicher und buddhistischer Reflexionstexte sowie einer qualitativ-empirischen Untersuchung in Form von Interviews. Im Rahmen der empirischen Untersuchung hat die Theologin mit christlich bzw. buddhistisch geprägten Personen, die sowohl einen intellektuellen Zugang zur jeweils eigenen Tradition besitzen als auch starkes Gewicht auf die Entwicklung und Vertiefung ihrer eigenen spirituellen Praxis legen, Gespräche geführt. Neben der biographischen Entwicklung der Gesprächspartner ist für Teresa Peter die Verbindung des Intellektuellen und des Spirituellen in der beruflichen Praxis von Forschung und Lehre dieser Personen von Interesse. Eine Thematik, die sich als Zwischenergebnis der qualitativ-empirischen Untersuchung zeigt, ist die Kreativität. Wie entstehen neue Ideen, wie erschließen sich einem Forscher, einer Forscherin neue Zusammenhänge? In einigen Interviewtexten wird die Thematik der Kreativität mit einem Zusammenspiel von intellektueller Anstrengung und spiritueller Praxis in Beziehung gebracht. „So kann die Verbindung von intellektueller Arbeit und spiritueller Praxis die Entstehung neuer Ideen ermöglichen, die für die Befragten auch in ihrer wissenschaftlichen Arbeit wichtig werden und diese bereichern können“, erklärt Peter. Spirituelle Ansätze können auch Eingang in die Gestaltung von Lehre finden. „Einige Personen erzählten mir, dass sich ihr Verständnis von Lehre verändert hat. Die Vermittlung großer Wissensmengen wird der intensiven, langsamen und wiederholten Auseinandersetzung mit wenig Inhalt gegenüber gestellt“, so Peter.

Entwicklung eines Stils des Theologisierens

Für Teresa Peter ist die Einbindung spiritueller Praxis auch in wissenschaftlich theologisches Arbeiten erstrebenswert. Spirituelle Theologie versteht Peter in ihrem Projekt daher nicht als eigenständige akademische Disziplin, sondern als eine zu entwickelnde, zu erprobende und zu begründende Form theologischen Forschens und Lehrens. „Ich will mit meinem Projekt dazu beitragen, spirituelle Theologie im Sinne eines Stils theologischen Tuns zu erproben. Deshalb nennt sich das Projekt auch ‚Doing Spiritual Theology‘, das ‚doing‘ ist mir wichtig“, beschreibt Peter ein wichtiges Anliegen. Das Projekt „Doing Spiritual Theology“ wird im Rahmen des Elise-Richter-Programms durch den FWF gefördert und ist in verschiedene Forschungsschwerpunkte und -plattformen eingebunden.