Sprachbarrieren am Fußballfeld?

Foul, Elfmeter oder Abseits: Von der Regionalliga bis hin zu Spitzenclubs scheint die „Sprache“ des Fußballs immer die gleiche zu bleiben. Dass sich Fußballvereine mitinternationaler Zusammensetzung aber durchaus mit dem Gelingen und Scheitern von Kommunikation auseinander setzen sollten, das zeigt Jasmin Steiner in ihrer Doktorarbeit am Beispiel des FC Wacker Innsbruck.
Mehrsprachigkeit im Fußball
Auch im Fußball können Fremdsprachenkenntnisse eine wichtige Rolle spielen. (Foto: istockphoto.com)

Als Zuschauerin oder Zuschauer ist man sich meist der Tatsache nicht bewusst, dass der Arbeitsplatz eines Fußballers oder Fußballtrainers sehr stark durch Mehrsprachigkeit geprägt ist. Wie funktioniert eigentlich die Kommunikation in Fußballmannschaften, in denen Spieler mit unterschiedlichen Muttersprachen als Team auftreten sollen? Ist die „Sprache“ des Fußballs wirklich international und allgemein verständlich? Bereits in ihrer Magisterarbeit am Institut für Romanistik, die Jasmin Steiner im Rahmen der „Innsbruck Football Research Group“ an der philologisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät verfasste, versuchte sie anhand von Interviews mit Spielern und Trainern verschiedenster Clubs erste Antworten auf diese Fragen zu finden. Dabei wurde schnell klar, dass in diesem bisher wenig erforschten Bereich ein großer Nachholbedarf besteht. „Es gibt immer noch den weit verbreiteten Glauben, dass es für den fußballerischen Erfolg keine Rolle spielt, ob Spieler aus dem Ausland die Sprache des jeweiligen Vereins verstehen oder nicht“, sagt Steiner. „Meine Forschungsergebnisse legen aber die Vermutung nahe, dass die sprachliche Integration ausländischer Spieler direkt mit der Qualität der spielerischen Leistung zusammenhängen kann“.

Heimmannschaft im Fokus

Nachdem auch vonseiten des FC Wacker Innsbruck das Interesse an diesem Themenbereich zunahm, erhielt Steiner 2010 eine Anstellung im Clubmanagement und ist seitdem für die Betreuung der nicht-deutschsprachigen, im Speziellen der spanischsprachigen Spieler, verantwortlich. „Ich bin sozusagen das Mädchen für alles: Ich unterrichte die Legionäre in deutscher Sprache, helfe ihnen bei Amtswegen oder dolmetsche Interviews“, so die Romanistin. Aber auch aus wissenschaftlicher Perspektive erweist sich diese Anstellung als sehr wertvoll, denn Steiner erhält dadurch Einblicke in einen sonst für Außenstehende sehr schwer zugänglichen Bereich. Über mehrere Saisonen hinweg konnte sie direkt am Ort des Geschehens forschen, in der Saison 2011/12 gab es beim FC Wacker Innsbruck sechs Legionäre aus Spanien, Tschechien, Slowenien und Polen und in der Saison 2012/13 vier Legionäre aus Spanien, Tschechien und Brasilien. „Somit hatte ich die Möglichkeit, persönliche Interviews mit diesen Spielern zu führen und als Beobachterin bei Trainings dabei zu sein“, erklärt Steiner. Das wichtigste Datenmaterial für ihre Dissertation ergab sich aber aus Video- und Audioaufzeichnungen.

Spieler verkabelt

Steiner war es ein großes Anliegen, die Sprachsituation der beiden Saisonen beim FC Wacker Innsbruck möglichst authentisch widerzuspiegeln. „Natürlich liefern die persönlichen Gespräche mit den Spielern auch interessante Informationen, aber die Objektivität fehlt“, verdeutlicht die Doktorandin. „Meistens betonten die Spieler, dass es keine Probleme gibt, dass sie eigentlich alles verstehen“. Daher entschied sich Steiner zu einer bisher kaum verwendeten Methode. Während fünf Trainingseinheiten verkabelte Steiner einen Teil der ausländischen Spieler sowie den Chef-Trainer und den Co-Trainer. Dazu verwendete sie Diktiergeräte mit kleinen Mikrofonen, die sie mit Tapes am Körper der Spieler und des Trainers befestigte. Gleichzeitig filmte Steiner die Trainingseinheiten vom Spielfeldrand aus. Anschließend analysierte sie das mehr als 20 Stunden umfassende Material, indem sie Bild und Ton synchronisierte und jedes gesprochene Wort transkribierte. „Die Transkriptionen dieser Trainings lieferten die mit Abstand aufschlussreichsten Informationen für meine Dissertation“.

Dialekt als lingua franca?

Die Auswertung des Materials zeigte, dass in Gesprächen unter den Spielern während der untersuchten Saisonen weder Hochdeutsch noch Englisch eine große Rolle spielten. Die Erklärungen des Trainerteams und die Kommunikation der Spieler untereinander fand beim FC Wacker Innsbruck fast ausschließlich im Tiroler Dialekt statt. „Natürlich waren dann die ausländischen Spieler immer wieder mit der Situation konfrontiert, dass sie z.B. taktische Anweisungen einfach nicht verstanden“, erklärt Steiner. Obwohl die sprachliche Integration der Legionäre dem Verein ein großes Anliegen ist, waren die von Steiner abgehaltenen Deutsch-Kurse in dieser Situation nur begrenzt hilfreich: „Denn den Tiroler Dialekt haben sie nicht oder kaum verstanden“. Diese Spieler waren dann auf nonverbale Kommunikation oder Nachahmung angewiesen.

„Tuats weiter!“

Als Steiner die Spieler und den Trainerstab mit ihrer Auswertung der Audio- und Videomaterialien konfrontierte, zeigten sie sich sehr überrascht. „Es war ihnen gar nicht bewusst, dass sie fast durchgängig nur Tiroler Dialekt sprechen; sie gingen davon aus, dass die Legionäre durch meine Deutsch-Kurse ausreichend vorbereitet wären“, erklärt die Doktorandin. Dennoch zeigten die Aufnahmen, dass Legionäre – selbst wenn sie noch nicht allzu lange im Verein spielten – bereits nach kurzer Zeit einige Dialektbegriffe unbewusst annahmen und sogar in der Kommunikation mit anderen ausländischen Spielern verwendeten. „Ausdrücke wie ‚Bist du deppert?’, ‚Tuats weiter!’ oder ‚Gemma, gemma!’ waren sehr häufig zu hören, und zwar von allen Spielern“, erzählt Steiner. Diese Ergebnisse veranlassten die Romanistin dazu, ihre Deutscheinheiten nochmals zu überarbeiten und die Vermittlung gewisser dialektaler Ausdrücke miteinzubauen. „Ich habe sich wiederholende Floskeln der Trainer aufgeschrieben und mit den Spielern besprochen“, sagt Steiner.

Verbesserungsvorschläge

Etliche Clubs bieten für ihre Legionäre Sprachkurse an. Ein Zeugnis dafür, dass die Bedeutung der sprachlichen Integration in gewissen Bereichen - langsam aber sicher - doch in den Fokus rückt. Die Doktorandin konnte auch bei Hospitationen bei anderen (inter-)nationalen Vereinen, wie SV Werder Bremen, FC Red Bull Salzburg, FC St. Gallen, SV Sandhausen und RFK Terek Grosny, beobachten, dass mangelnde Integration von Legionären zu schlechten Leistungen der Spieler geführt hat. „Spieler, die gut integriert sind und sich als Teil der Mannschaft empfinden, sind motivierter und können ihre Leistung besser abrufen“, sagt Steiner „Und Integration läuft zu einem sehr großen Teil über die Sprache, dafür muss unbedingt ein Bewusstsein geschaffen werden“. Es läge daher durchaus auch im Eigeninteresse der Mannschaften, darauf zu achten, dass die Kommunikation zwischen Trainern und Spielern funktioniert. „Das kann dazu beitragen, dass der Teamgeist gestärkt wird, denn der Wohlfühlfaktor sollte im Zusammenhang mit spielerischer Leistung nicht unterschätzt werden“, so Steiner.

Jasmin Steiner wird ihre Doktorarbeit in Kürze fertigstellen, betreut wird sie von Prof. Eva Lavric und Prof. Wolfgang Stadler. Steiner erhielt vom Vizerektorat für Forschung ein Doktoratsstipendium zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses der Universität Innsbruck.

Jasmin Steiner zu Gast in der Radiosendung der Uni Innsbruck, uni konkret: