Auf den Spuren des Heiligen Wolfgang

Der Falkenstein bei St. Gilgen liegt am Wallfahrtsweg nach St. Wolfgang. Eine ungemeine Menge an archäologischen Funden erzählt Geschichten über das tägliche Leben und Leid der Eremiten und Pilger. Anhand von lateinischer Literatur zum Heiligen Wolfgang lieferte der Innsbrucker Latinist Stefan Tilg den historischen Kontext zur Einsiedlerklause.
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3D-Visualisierung der Klause unterhalb der Kirche am Falkenstein (Grafik: LBI ArchPro)

Im Jahr 2009 entdeckten Forscher des Ludwig Boltzmann Instituts ArchPro mit modernsten hochauflösenden Bodenradarsystemen auf der Lichtung unterhalb der Kirche auf dem Falkenstein die im Boden verborgenen Fundamente einer Klause. Der Legende nach weilte im 10. Jahrhundert bereits der Heilige Wolfgang selbst als Eremit an diesem zurückgezogenen Ort, der ab dem 14. Jahrhundert am Weg zur viertgrößten Wallfahrtsstätte Europas gelegen, jährlich von Tausenden Pilgern besucht wurde. Im 17. Jahrhundert wurde die Klause als einfache Holzhütte für Einsiedler zur Betreuung des Falkensteins und der vorbeiziehenden Pilger errichtet und über 150 Jahre bewohnt.
Eine detaillierte Analyse schriftlicher und bildlicher Quellen durch Historiker sowie zeitgenössischer lateinischer Texte durch das Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Studien offenbarten historische Hintergründe der Legenden um das Wirken des Heiligen Wolfgang. Diese bildeten in Kombination mit den Radardaten und dem durch Laserscanning gewonnenen digitalen Geländemodell die Basis für das Forschungsprojekt und nun fertiggestellte virtuelle Rekonstruktion der Klause und ihrer Umgebung.

Historischer Kontext

Stefan Tilg, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Neulatein in Innsbruck, lieferte anhand von lateinischer Literatur zum Heiligen Wolfgang den historischen Kontext zur Einsiedlerklause am Falkenstein. Die damals zeitgenössischen Texte zum Wirken des Heiligen Wolfgang am Falkenstein deuten auf die Popularität der Pilgerstätte St. Wolfgang im Salzkammergut hin und passen zum „Boom“ des Wallfahrtswesens im Spätmittelalter und im Barock. Die Einsiedler am Falkenstein kümmerten sich um die vorbeiziehenden Pilger, die die Klause als „Zwischenstation“ am Weg nach St. Wolfgang nutzten.

Erstaunliche Funde

Hausrat, Speisereste, Münzen und Devotionalien („Wolfgangihackerl“) gestatten Einblicke in das tägliche Leben der Eremiten und Pilger. Überraschend war für die Archäologen dabei die ungemeine Bandbreite, Qualität und Üppigkeit an persönlichen Gegenständen der Einsiedler (z.B. Tabakpfeifen, Maultrommeln, Knochenflöte, Knöpfe, Gürtelschnallen und eine Taschensonnenuhr), die aufgrund der historischen Überlieferung weit einfacher gelebt haben sollen, als es der archäologische Befund ans Tageslicht brachte. Sensationell war die Entdeckung von zwei Kellerräumen unter der Klause. Diente der eine Gewölbekeller als Vorratsraum, hatte der zweite Keller eine einzigartige Funktion: dort mündete eine hölzerne Leitung aus der Wasser in die sogenannten „Wolfgangiflascherl“ abgefüllt wurde; zahlreiche Scherbenfunde zeugen von der Beliebtheit dieses Andenken unter den Wallfahrern. Gespeist wird sie wohl aus der ursprünglichen Quelle am Falkenstein, die der Legende nach vom Heiligen Wolfgang mit seinem Stab für seinen dürstenden Mitbruder aus dem Felsen geschlagen wurde.
Vor dem Gebäude wurde eine tiefe Grube gefunden, die den Einsiedlern als Latrine diente. An der Sohle der Toilettengrube konnte zur Überraschung der Forscher eine große Menge Quecksilber geborgen werden. Nach Einschätzung von Experten des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengefäßforschung belegt dieser Fund eindrucksvoll die Medikation der damaligen Volksseuche Syphilis. Diese wurde damals primär durch die orale Einnahme von Quecksilber behandelt, welches in fast unveränderter Form vom Körper wieder ausgeschieden wird.
Die Bodenradarmessungen deuten auf Grundrisse weiterer Gebäude hin, bei denen es sich möglicherweise um einfache Unterkünfte für Pilger handeln dürfte. Die Forschungen am Falkenstein werden fortgesetzt mit dem Ziel die Situation durch einen wissenschaftlich fundierten Wiederaufbau der Klause erfahrbar zu machen.