Aus isch wird is - Die Tiroler Mundart im Wandel

Jugendliche in Innsbruck sprechen Wörter anders aus als ihre Eltern und Großeltern. Sprachwissenschaftlerin Irina Windhaber vom Institut fürSprachen und Literaturen hat sich diesen Wandel genauer angesehen.
Postkasten gelb
Das "Poschtkaschtl" wird zum "Postkastl". (Foto: BirgitH / pixelio.de)

Die Mundart in Innsbruck beginnt sich zu verändern. Alte und traditionelle Aussprachen verschwinden langsam und machen Platz für Formen der Standardsprache. Nur das für Tirol typische „k“ scheint über alle Generationen erhalten zu bleiben. Jugendliche haben sich seit jeher, aber besonders seit den 1950er und 60er Jahren mit neuen Ausdrücken von der Sprache der Erwachsenen abgegrenzt. Diese Welle brachte eine Fülle an sprachlichen Innovationen, vor allem Anglizismen, mit sich. In Innsbruck passiert schon seit längerem nicht nur eine wörtliche Abgrenzung, sondern vielmehr ein Wandel der Aussprache. Immer häufiger verwenden junge Menschen sprachliche Formen des Standarddeutschen. Ältere Varianten der Artikulation beginnen bei den Jungen in Vergessenheit zu geraten. Dies lässt sich, laut Irina Windhaber, besonders gut in Innsbruck beobachten: „Vor allem das Wort ‚ist’ ist stark betroffen.“ Sagen Erwachsene tendenziell noch: „Mei Schweschter isch krank“, so würden Jugendliche diesen Satz wohl eher so aussprechen: „Mei Schwester is krank.“ Auch das traditionelle „Poschtkaschtl“ soll, laut den Ergebnissen der Wissenschaftlerin, dem standardsprachlicheren „Postkastl“ gewichen sein. Dass Jugendliche immer mehr dazu tendieren, die traditionellen Formen der Aussprache nicht mehr zu verwenden, leitet Windhaber auf einen wissenschaftlichen Begriff, die „Regionalisierung“, zurück. Damit bezeichnet sie eine Strömung, die bereits in ganz Europa zu erkennen ist. Mundarten gehen generell zurück und beginnen, sich auszuwaschen. Sprachliche Merkmale, die in größeren Regionen vorkommen, werden dabei in kleinere Dialektgemeinschaften übernommen. Durch den Einfluss von Wien, München, aber auch dem Fernsehen, beginnen sich Formen des Standarddeutschen immer mehr durchzusetzen. Eine sogenannte „Standardisierung“ sei, laut Irina Windhaber, zu erkennen. Innsbruck sei im Vergleich zu anderen Regionen in Europa keine Ausnahme und gliedere sich in eine bereits bekannte Strömung ein.

Dialektraum Innsbruck

Die Wissenschaftlerin hat herausgefunden, dass die im Westen Tirols gesprochenen Variationen des Dialekts, einer konservativeren Grammatik folgen, als jene auf der anderen Seite der Ziller. Irina Windhaber fiel auch auf, dass Männer häufiger traditionelle Formen der Aussprache verwenden als Frauen. Letztere sollen sich bereits mehr dem Standarddeutschen angepasst haben. „Es ist wichtig“, so die Wissenschaftlerin, „darauf hinzuweisen, dass sich die Ergebnisse ausschließlich auf den Dialektraum in Innsbruck beziehen. In anderen Teilen Tirols kann die Situation noch ganz anders sein.“ Jedoch werden auch dort bereits einige Tendenzen beobachtet, die darauf hinweisen, dass sich, ebenso wie in Innsbruck, die Mundarten zu vermischen beginnen.

Grenze Zillertal

„Die hiesige Mundart zählt, wie auch die Dialekte in Südtirol, Ober- und Niederbayern sowie der Oberpfalz, zu den bairischen Dialekten“, erklärt Irina Windhaber. Diese Gebiete vereinen geographisch den größten deutschen Dialektverband. Da sich dieser Raum immer weiter ausbreitete, begannen sich die Dialektgruppen im 11. Jahrhundert zu differenzieren. Das Bairische vereint heute viele kleine Dialektgruppen, die jedoch eine große Zahl an Gemeinsamkeiten aufweisen. Eine besondere Grenze ist laut Windhaber das Zillertal. Als eine sehr alte Grenze teilte das Zillertal bereits die beiden römischen Provinzen Rätien im Westen und Noricum im Osten. Seit dem Jahr 738 wurde die Bistumsgrenze zwischen der Diözese Säben-Brixen und Salzburg entlang der Ziller festgelegt. Diese Grenze ist bis heute vorhanden, mit dem Unterschied, dass der Teil westlich der Ziller nun zur Diözese Innsbruck gehört. Das Zillertal ist somit immer noch ein bestehendes Grenzgebiet, das heute, vor allem als imaginäre Grenze, das sprachliche Ober- und Unterland voneinander trennt. In beiden Teilen haben sich Eigenheiten entwickelt, die für die jeweiligen Dialekträume typisch sind. Aus dem im Westen Tirols so ausgesprochenen „Milch“ wird östlich der Ziller das dort verbreitete „Müch“. Das „Geld“ weicht dem unterländischen „Gö(i)d“, der Bart wird sprachlich zu einem „Bascht“ verlängert und auch das Wort „kurz“ bekommt einen Teil hinzu, sodass es auf einmal „kuschz“ wird. „Diese sprachlichen Unterschiede in den tirolweiten Dialekten werden auch noch länger bestehen bleiben“, vermutet Irina Windhaber.

Sprachliche Spuren

„Innsbruck liegt herrlich in einem breiten, reichen Tale zwischen hohen Felsen und Gebirgen. Erst wollte ich dableiben, aber es ließ mir keine Ruhe.“ (Johann Wolfgang Goethe. Italienische Reise)

Goethe dokumentierte bereits im Jahre 1829 seine Reise nach Italien und seinen damit verbundenen Aufenthalt in Innsbruck. Getrieben durch seine Neugierde setzte er seine Reise durch das Wipptal und über den Brenner fort. Ähnlich wie Goethe erging es vielen Reisenden, die auf ihren Wegen Innsbruck und Tirol passierten. Die Stadt hat bereits einige historisch bedeutungsvolle Zeiten erlebt und viele Regierungen, durchziehende Händler, wechselnde Kleriker und andere einflussreiche Menschen aus ganz Europa kommen und gehen gesehen. Manche sind geblieben, andere sind wieder weitergezogen. Eines haben aber all diese Menschen gemeinsam - ihre linguistischen Variationen und Innovationen haben sie den Tirolerinnen und Tirolern hinterlassen. Wie diese dann in die bereits bestehende Mundart aufgenommen wurden und immer noch werden, bleibt den jeweiligen Dialektgruppen selbst überlassen. In jedem Fall gilt jedoch: „Es is wias isch.“

Dieser Artikel ist in der Februar-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).