Der Exzellenz auf der Spur
Seit 2007 besteht der Europäische Forschungsrat (ERC, European Research Council). Erstmals gibt es damit eine supranationale Einrichtung zur Forschungsförderung in Europa. Die ERC-Grants zählen zu den begehrtesten Förderzusagen in Europa und dienen auch der Förderung und Herausbildung von europäischer Exzellenz in der Wissenschaft. Die Innsbrucker Soziologin Dr. Barbara Bach-Hönig wirft nun einen genaueren Blick auf die Kriterien und Mechanismen, die eine Forscherin oder einen Forscher förderungswürdig machen und untersucht auch die Auswirkungen des ERC auf nationale Wissenschaftssysteme. „Mit dem ERC hat die EU-Kommission eine komplett neue Forschungsförderungs-Ebene geschaffen. Wissenschaftler konkurrieren jetzt europaweit um Gelder, das ändert natürlich die Perspektive. Mit bisher insgesamt zehn Grants ist die Universität Innsbruck hier übrigens sehr erfolgreich“, erklärt die Soziologin.
Biografie eines ERC-Geförderten
„Der ERC ist sehr kompetitiv, insgesamt werden nur rund zehn Prozent all jener, die um Fördergelder ansuchen, auch tatsächlich gefördert“, sagt Barbara Bach-Hönig. So gab und gibt es in den rund sieben Jahren, die der ERC nun existiert, rund 4.000 Fördermittelempfängerinnen und -empfänger. Rund 800 repräsentativ ausgewählte Lebensläufe dieser geförderten Forschenden will Barbara Bach-Hönig mit ihrem Team nun vergleichen und auf Gemeinsamkeiten untersuchen, daneben rund zwei Dutzend qualitative Interviews führen. „Was trägt zu diesem Erfolg bei? Natürlich geht es um herausragende Leistungen, aber gibt es Voraussetzungen, die daneben noch erfüllt sein müssen? Das wollen wir herausfinden.“ Am Ende dieser Untersuchung soll ein prototypischer Lebenslauf eines ERC-Grantees stehen.
Die neue Förder-Ebene hat auch Auswirkungen auf nationale Forschungslandschaften: „Natürlich gibt es in Europa nationalstaatliche Wissenschaftstraditionen, die meist über Jahrhunderte gewachsen sind“, sagt die Soziologin. Zwar verschwinden über Jahrhunderte gewachsene Strukturen nicht über Nacht, eine Europäisierung sei allerdings schon jetzt, nach der verhältnismäßig kurzen Zeit, die der ERC nun besteht, zu beobachten. „Schon die Vorstellung von wissenschaftlicher Exzellenz ändert sich: Begriffe wie Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit, Internationalität einzelner Unis und Karrieren oder die Akquise von Drittmitteln spielen eine immer stärkere Rolle.“ Allein das Erfordernis der Internationalisierung ändert den Wissenschaftsbetrieb in früher stärker national orientieren Wissenschaftssystemen stark, zumal die Universitäten durch immer knappere Budgets auch einen Anreiz haben, Exzellenz an ihrem Standort gezielt zu fördern, um Drittmittel zu akquirieren. Und die Position der einzelnen Grantees gegenüber den Universitäten ändert sich, da die Gelder nicht an eine Institution, sondern eine Person gebunden sind – klassische Rekrutierungsmechanismen können ERC-Grantees so leichter umgehen.
Legitimation und Kritik
Neben den einzelnen Biografien und der Auswirkung des ERC auf nationale Forschungstraditionen will sich Barbara Bach-Hönig auch der Kritik am ERC widmen: „Eine häufig vorgetragene Kritik ist, dass sich mit dem ERC erst recht nur die großen und bekannten Unis durchsetzen und die kleineren noch mehr auf der Strecke bleiben als bisher. Auch dieser und ähnliche Kritikpunkte spielen im Projekt natürlich eine Rolle.“ Der ERC fördert gezielt problemorientierte interdisziplinäre Forschung: „Die EU-Kommission schafft sich hier die Möglichkeit, wissenschaftliche Forschung auf europäischer Ebene durch die Vergabe von Fördermitteln gezielt zu beeinflussen – ein Punkt, der bisher eher nationalstaatlichen Institutionen vorbehalten war“, hält die Soziologin fest. Für das Forschungsprojekt zum ERC stellt der Tiroler Wissenschaftsfonds (TWF) Förderungen für zwei studentische Projektstellen für insgesamt ein halbes Jahr zur Verfügung.