Eiszeitliches Klima: Parallelen zwischen Grönland und Mitteleuropa
Das Hölloch im Allgäu ist die zweitgrößte Höhle Deutschlands, nur sehr schwer befahrbar und somit ausschließlich für Geübte zugänglich. Die Geologen Dr. Gina Moseley, Mag. Susanne Brandstätter und Prof. Christoph Spötl wählten diese Höhle als Schauplatz für ihre Untersuchungen, um Informationen darüber zu erlangen, wie sich das Klima in Mitteleuropa vor 30.000 bis 60.000 Jahren gestaltete. Unterstützt wurden sie von Kollegen der Universitäten in Minneapolis und Kopenhagen. „Da wir in unseren Breitengraden weder Eis- noch Tiefseeuntersuchungen durchführen können, ist das konservierende Potenzial der Höhlen ein ganz entscheidender Schlüssel zur Vergangenheit“, erklärt Spötl, der das vom FWF geförderte Forschungsprojekt leitete. Um Rückschlüsse auf die klimatischen Bedingungen ziehen zu können, entnahmen die Forscher Proben aus nach oben wachsenden Tropfsteinen, den Stalagmiten. Informationen über die tatsächlichen klimatischen Bedingungen lassen sich durch einen „Blick in den Sauerstoff“ herausarbeiten, erklärt Gina Moseley: „Wir haben insgesamt vier Stalagmiten aus der Höhle mit vier Proben pro Millimeter auf ihre Sauerstoff-Isotope untersucht“. Aus dem Verhältnis zwischen den leichteren und schwereren Isotopen von Sauerstoff lassen sich Rückschlüsse auf die klimatischen Bedingungen, wie z.B. Temperaturschwankungen, ziehen. „Wir können in den Stalagmiten lesen wie in einem Buch, vergleichbar mit Jahresringen bei Bäumen, allerdings Tausende Jahre weiter zurück als es mit Baumringen möglich ist“, sagt Moseley. Diese Ergebnisse ergänzten die Geologen mit Daten zur Chronologie, d.h. durch möglichst präzise Angaben zum Alter der Proben und verglichen sie mit Daten aus anderen Teilen der Erde. Drei Jahre arbeitete das Team um Gina Moseley an dieser vor Kurzem im Fachmagazin „Geology“ veröffentlichten Studie, die letztlich knapp 60 genaue Altersbestimmungen und etwa 4900 Sauerstoffisotopenmessungen der beprobten Stalagmiten enthält.
Schnell wechselndes Klima
Für die eiszeitliche Periode vor 30.000 bis 60.000 Jahren sind keine flächendeckenden Klimainformationen verfügbar, Ausnahmen bilden hier China und vor allem Grönland. „Über Grönland gibt es aufgrund der kilometertiefen Eiskernbohrungen seit Beginn der 1990er Jahre relativ genaue Daten über die klimatische Entwicklung“, erklärt Christoph Spötl. „Diese Veränderungen fanden in einem raschen Tempo statt und mit viel größeren Ausschlägen als dies etwa in den vergangenen Jahrhunderten der Fall war“, betont Spötl. Die Untersuchungsergebnisse der Proben aus dem Hölloch ergaben nun ein durchaus vergleichbares Bild: „Die sehr schnellen Schwankungen des Klimas treffen nicht nur für Grönland in dieser Zeitperiode zu, sondern waren auch in den Alpen annähernd 1:1 zu spüren“, sagt Moseley. Die Innsbrucker Geologen stellten fest, dass nicht nur große Parallelen in den Temperaturschwankungen festzustellen sind, sondern dass sie auch zur fast gleichen Zeit bzw. in Mitteleuropa sogar etwas früher stattfanden. „Daraus können wir ableiten, dass diese raschen Klimaschwankungen der damaligen Zeit auch in unseren Breitengraden klimabeherrschend waren“, so Gina Moseley. „Unsere Untersuchungen belegen einmal mehr, dass das Klimasystem unter bestimmten Umständen zu sehr schnellen Änderungen imstande ist“, sind sich Moseley und Spötl einig. Die Forscher sehen ihre Ergebnisse als weiteren Puzzlestein für ein besseres Verständnis der Klimageschichte, die nicht zuletzt auch einen Beitrag zu präziseren Klimamodellierungen für die Zukunft leisten können.
Dr. Gina Moseley plant für den kommenden Sommer eine Expedition nach Nordost-Grönland, um in dortigen Höhlen ebenfalls Untersuchungen zur historischen Entwicklung des Klimas durchführen zu können. Um Teile dieser kostspieligen Expedition finanzieren zu können, hat die Geologin eine Crowdfunding Kampagne gestartet. Weitere Informationen: http://www.crowdfunder.co.uk/northeast-greenland-caves-project
Christoph Spötl erzählt über das „Klima-Archiv“ Höhle: Der Geologe zu Gast im Podcast der Uni Innsbruck „Zeit für Wissenschaft“: www.uibk.ac.at/podcast/zeit