Schlüsselmechanismen für Wolkenbildung auf der Spur
Die jüngsten Ergebnisse zeigen laut den Forschern, dass von Pflanzen - besonders von den riesigen Beständen der borealen Nadelwälder während der wärmeren Jahreszeit - emittierte Kohlenwasserstoffe gemeinsam mit den vom Menschen verursachten Schwefelsäuremolekülen stabile Cluster bilden können, um die sich später Wassermoleküle anlagern. Diese oxidierten, organischen Moleküle aus natürlichen Quellen, wie Monoterpene von Nadelwäldern, fungieren bei der Bildung dieser Cluster - vereinfachend erklärt - wie eine Art Klebstoff. Schwefelsäure alleine würde laut den Forschern keine ausreichend großen und stabilen Cluster als Voraussetzung der Kondensationskeime von Wolken bilden. Dieser Nachweis im Labor bestätigt laut den Forschern auf molekularer Ebene die Ergebnisse einer Langzeitstudie zur Emission von Monoterpenen aus borealen Nadelwäldern, die von der "Boreal Forest Research Station" im finnischen Hyytiälä durchgeführt worden war.
Tiroler Know-How ist den Wolken auf der Spur
Der erste Schritt zu einer Wolke beginnt damit, dass sich Moleküle zu einem Cluster zusammenfügen. Was bei dieser Nukleation - bei der Neubildung von Partikeln (Aerosolen) - in der Atmosphäre genau passiert, welche Moleküle und Wechselwirkungen dabei eine Rolle spielen und wie verschieden diese Prozesse in bestimmten Arealen über unserer Erde ablaufen können, ist weitgehend unverstanden. Die genauen Zusammenhänge zwischen Wolken und Klima zu lüften, damit auch Klimamodellen eine umfassende Basis zu liefern, ist daher Ziel intensivster Forschung. Mit dem neuesten Ergebnis legte das Team von "Cosmics Leaving Outdoor Droplets", kurz "CLOUD", einen weiteren, ersten Schritt dazu vor.
Die Vorgänge in der Atmosphäre wurden in der Aerosolkammer am CERN simuliert und decken sich laut den Forschern auch präzise mit bisherigen, saisonalen Direktbeobachtungen. Eine der dabei eingesetzten Schlüsseltechniken ist das hochempfindliche Messverfahren "PTR-TOF-MS" (Proton-Transfer-Reaction Time-of-Flight Mass Spectrometer). Beim jüngsten Experiment hat die zwölfköpfige Gruppe unter Leitung von Prof. Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik in der Aerosolkammer des CERN dazu Pinanediol gemessen. Das ist jenes Oxidationsprodukt dieser Monoterpene, das nach weiterer Oxidation gemeinsam mit Schwefelsäuremolekülen Cluster bildet.
Das Innsbrucker Verfahren kann winzigste Mengen organischer Spurenstoffe in Echtzeit in der Kammerluft messen. Es wurde vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck in enger Zusammenarbeit mit dem Spin-Off-Unternehmen Ionicon Analytik entwickelt und wird für die Experimente am CERN stetig verfeinert. Für das Verfahren wurde das Team Hansels im Vorjahr mit dem Houska-Preis, Österreichs größtem, privaten Forschungspreis, ausgezeichnet. Im Feld der Spurenanalytik in Echtzeit gilt diese Gruppe als internationaler Pionier, da diese technische Innovation aus Tirol in Echtzeit Resultate mit extrem hoher Nachweisempfindlichkeit liefert. Zuvor gab es für die Untersuchung von Luft auf flüchtige organische Verbindungen zeit- und kostenintensive Verfahren, die erst im Nachhinein Ergebnisse lieferten.
Stichwort Wolke
Wenn sich eine Wolke bildet, kondensiert nicht einfach Wasserdampf zu Tröpfchen. Dafür braucht es winzige Teilchen (Aerosole), um die sich Wassermoleküle anlagern. Ein solcher Kondensationskeim kann sich z. B. um Meersalz oder Sandstaub bilden. Die Hälfte aller Wolken aber entsteht laut aktuellen Schätzungen um Partikel, die in der Atmosphäre neu gebildet werden. Das zeigt, wie wichtig das verbesserte Verständnis dieser Vorgänge für unser Klima ist. Denn: Aerosole wirken kühlend, damit dem so genannten "Treibhauseffekt" entgegen. Sie reflektieren das Sonnenlicht und sorgen für Wolkenbildung. Beim Großexperiment CLOUD werden die komplexen Mechanismen bei der Entstehung von Wolken erstmals erforscht.
(Gabriele Rampl)