Vorgestellt: Soziales Verhalten auf dem Prüfstand
„Methodisch gesehen bin ich – und wenn ich das sage fühle ich mich ein bisschen wie ein Versuchstier – ein experimenteller Ökonom“, schmunzelt Balafoutas. Der Wissenschaftler und seine Kolleginnen und Kollegen benützen Experimente als Methode ihrer Forschungsarbeit. Dabei liegt ihr Fokus auf der Verhaltensökonomie, wobei, wie der Name schon sagt, das tatsächliche Verhalten der Menschen untersucht und beobachtet wird. „Unsere Gesellschaft und das Wirtschaftssystem in dem wir leben sind die Produkte der Interaktion von tausenden von Menschen – also von uns allen“, so der Ökonom. Um dieses weite Forschungsfeld untersuchen zu können, muss der Wissenschaftler besonders auch psychologische und soziale Aspekte berücksichtigen, was die Interdisziplinarität des Forschungsbereichs unterstreicht. Altruismus, Kooperation und Fairness sowie jede Art von Emotionen und alle Parameter die tatsächliche Entscheidungen von Menschen beeinflussen, interessieren Balafoutas. Um Daten zu sammeln, arbeiten der Wissenschaftler und seine Kolleginnen und Kollegen im Labor. Dabei werden Studierenden als Probanden Situationen präsentiert, in denen Sie entsprechende Entscheidungen treffen müssen. Diese werden dann in einem weiteren Schritt analysiert. „Dafür werden sie selbstverständlich belohnt“, betont der Balafoutas. Besonders spannend wird die Datenerhebung aber bei Experimenten, die im Feld durchgeführt werden.
Lohnt es sich ein Held zu sein?
Der Wirtschaftswissenschaftler geht der Frage nach, wie sich Menschen im sozialen Umfeld verhalten und ob sie, wenn es notwendig ist, Mitmenschen maßregeln. Balafoutas erklärt: „Es wird allgemein beobachtet, dass Menschen als Spezies ziemlich kooperativ sind. Eine hohe Bereitschaft zu prosozialem Verhalten lässt sich zwar beobachten, jedoch nur schwer erklären – vor allem gegenüber Fremden.“ Besonders interessiert Balafoutas die Frage, wie man sich die Evolution dieses kooperativen Verhaltens erklären kann. „Ein Faktor der ein solches Verhalten erklären könnte ist die Tatsache, dass Sanktionen gegen nicht-kooperierende Individuen verhängt werden können“, so der Ökonom. Er geht davon aus, dass Menschen diejenigen bestrafen, die gewisse soziale Normen verletzen. Um dies herauszufinden, stellte sich Balafoutas selbst als Versuchsobjekt zur Verfügung. In der U-Bahn in Athen, die ein sehr sauberer Ort ist, ließ sein Team absichtlich Müll fallen, nur um zu ermitteln, ob und wie sie gemaßregelt und sanktioniert werden. Etwa sechs Prozent der Fahrgäste machte die Umweltsünder auf ihr Vergehen aufmerksam und forderte sie auf, den Müll ordnungsgemäß zu entsorgen. In Deutschland zeigte ein Folgeprojekt, das in Köln durchgeführt wurde, dass dort die Bereitschaft Mitmenschen zu bestrafen und Normen durchzusetzen, höher ist. Hier machten den Wissenschaftler etwa 17 Prozent auf sein Vergehen aufmerksam. „Einhergehend mit diesen Ergebnissen kann die Frage gestellt werden, ob es sich überhaupt lohnt, ein Held im Alltag zu sein. Welche Art von Menschen sind bereit soziale Normen durchzusetzen, und welche Motivation führt sie dazu?“, erklärt der Wissenschaftler. Balafoutas ist überzeugt, dass es einen gewissen Anteil an Menschen braucht, die das Risiko etwas zu sagen und Normen durchzusetzen auf sich nehmen, denn nur so kann das System stabil bleiben.
Vertrauen ist gut, Kontrolle wäre besser
Balafoutas ist begeistert, welche Fülle an wissenschaftlichen Forschungsfeldern die Methode der Experimente mit sich bringt: „Es gibt sehr viele Bereiche die mich interessieren und Experimente in der Verhaltensökonomie erlauben es uns, eine möglichst vielseitige Forschung zu betreiben.“ So untersucht Balafoutas auch eine ganz spezielle Form von ökonomischen Gütern. In vielen Fällen sind die Konsumentinnen und Konsumenten auf die Beratung einer Expertin oder eines Experten angewiesen. Bei sogenannten Vertrauensgütern, wie Wirtschaftswissenschaftler solche Dienstleistungen und Produkte nennen, ist erhöhte Vorsicht geboten. Nicht selten nützen die Anbieterinnen und Anbieter ihren Informationsvorteil gegenüber den Kundinnen und Kunden aus, um einen Vorteil für sich zu erwirtschaften. „Solche Vertrauensgüter begegnen uns im täglichen Leben sehr häufig. Da denke ich beispielsweise an diverse Reparaturen, wie etwa von Computern oder dem Auto, medizinische Leistungen oder Taxifahrten in einer unbekannten Stadt“, erläutert Balafoutas. Die Konsumentinnen und Konsumenten können hier nur schwer selbst überprüfen, ob sie die ihnen angebotenen Leistungen tatsächlich brauchen, und wenn ja, in welcher Menge. „Bei Taxifahrten zeigt sich zum Beispiel deutlich, dass Menschen, die offensichtlich die Stadt nicht kennen eher Gefahr laufen über den Tisch gezogen zu werden, als jene, die zu verstehen geben, dass sie sich zumindest ein bisschen auskennen“, erklärt der Ökonom. Dies sei beispielsweise aber auch bei Reparaturen zu beobachten. „Als Kunde der keine Ahnung von Autos hat, habe ich eindeutig einen Nachteil darin zu überprüfen, ob ich die ausgetauschte Zündkerze tatsächlich gebraucht hätte, oder nicht“, so Balafoutas. Geht es beispielsweise um Vitaminpillen, so können die Betroffenen auch nach dem Kauf häufig nicht nachvollziehen, ob der Kauf unbedingt notwendig gewesen wäre. „Der Schlüssel für eine bessere Behandlung ist die Information“, erläutert der Wissenschaftler. Er empfiehlt, sei es bei Taxifahrten, bei Reparaturen, oder auch bei medizinischen Leistungen anzudeuten, dass man ein gewisses Vorwissen mitbringt: „Auch wenn man in einer fremden Stadt mit dem Taxi fährt, so kann man ja in einem Zeitalter der modernen Kommunikationstechnologien das Smartphone zücken und via GPS die Route mitverfolgen!“
Studierende begeistern
Experimente und das weite Feld der Verhaltensökonomie ist auch Bestandteil des Lehrplans. Vor allem Studierende aus dem Master und dem PhD Studium haben die Möglichkeit, sich für diese Fachrichtung zu spezialisieren. Balafoutas freut sich, dass sein Fach auch bei den Studierenden in den ersten Semestern Anklang findet: „Besonders Studentinnen und Studenten im ersten Jahr freuen sich, neben all den grundlegenden Modellen und Mathematik, auch etwas über die Praxis zu erfahren. Ich bemühe mich, meine Forschungsergebnisse in den Unterricht miteinfließen zu lassen.“
Zur Person:
Professor Loukas Balafoutas wurde 1981 in Athen geboren. Er studierte Banking und Financial Management bevor er seinen Master und PhD der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Edinburgh absolvierte. Im Jahr 2013 habilitierte sich Balafoutas an der Universität Innsbruck. Im Laufe seiner Karriere war Balafoutas international tätig. Er studierte und lehrte in Athen, Edinburgh und Innsbruck. Außerdem war er als Gastprofessor an der Universität in Athen, an der Brown University, University of California at San Diego und Georgetown University School of Foreign Service in Qatar tätig. Zusätzlich zu seiner wissenschaftlichen Karriere arbeitete Balafoutas für die OECD. In dieser Zeit entstand ein Buch mit Balafoutas als Koautor über die Konditionen am Arbeitsmarkt in der Gegend des schwarzen Meeres und in Asien. Im Jahr 2008 wechselte der Ökonom an die Universität Innsbruck, wo sich er sich auf Verhaltensökonomie und Experimente spezialisiert hat.„Ich war ziemlich begeistert von der Idee, in Österreich zu wohnen. Da ich auf einer deutschsprachigen Schule war und daher auch eine Verbindung zur deutschsprachigen Kultur habe, fühlte ich mich damals ein bisschen wie‚ 'back to the roots'“, freut sich der aus Griechenland stammende Wissenschaftler.