Evolution: Die Verwandten von Bandwürmern + Co

Mit aufwändigen genetischen Analysen hat der Innsbrucker Zoologe Bernhard Egger gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern einenStammbaum der Familie der Plattwürmer erstellt. Dieser definiert die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Ordnungen dieser weitverbreiteten Tiergruppe zum Teil neu.
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Der Tiger-Plattwurm lebt im Meer und zählt wie alle freilebenden Plattwürmer zur Klasse der Strudelwürmer. (Foto: Kate Rawlinson)

Plattwürmer sind weit verbreitet, man findet sie fast überall: im Meer, am Strand, aber auch hierzulande in Auen und Mooren. Nur rund ein Sechstel dieser Tiere lebt aber im Freien. Der größere Teil hat sich im Laufe der Evolution als Parasiten auf das Leben in Menschen und Tieren spezialisiert; ein Beispiel dafür sind die Bandwürmer. Dr. Bernhard Egger vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck untersuchte während eines dreijährigen Forschungsaufenthalts in der Arbeitsgruppe von Prof. Maximilian J. Telford am University College in London den Tigerplattwurm (Maritigrella crozieri), eine besonders prächtige, freilebende Spezies mit mehreren Zentimetern Länge. Für ein besseres Verständnis der Evolutionsbiologie dieser Tiere zog er Vergleiche mit anderen Arten. „Die Verwandtschaftsverhältnisse unter den Plattwürmern waren bis dahin allerdings keineswegs geklärt“, erzählt Bernhard Egger. „Viele Arten ähneln sich sehr stark, was morphologische Vergleiche erschwert. Auch die Untersuchung einzelner Gene lieferte kaum gesichertes Wissen.“ Gemeinsam mit der englischen Arbeitsgruppe machte er sich deshalb an eine umfassende, genetische Analyse von insgesamt 27 Plattwurm-Arten. Die Wissenschaftler bestimmten fast 1.400 Gene dieser Tiere, von denen Egger einige auch in Tirol gesammelt hatte.

Neuer Stammbaum, neue Namen

„Mit der statistischen Auswertung dieser Daten konnten wir den Stammbaum und die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Plattwürmer neu bestimmen“, sagt Zoologe Egger. „Damit schaffen wir eine wichtige Grundlage für die evolutionsbiologische Erforschung dieser Tiere.“ Die Analysen der genetischen Daten förderten auch einige wissenschaftliche Überraschungen zutage. So war bisher sehr umstritten, welche freilebenden Plattwürmer die nächsten Verwandten der parasitären Wurmarten sind. „Unsere Analysen zeigen nun, dass die nach heutigem Wissensstand nur aus einer Art bestehende Gruppe der Bothrioplanida eine Schwestergruppe der Parasiten ist“, erzählt der Zoologe. Den parasitären Lebensstil haben die Würmer erst im Laufe der Evolution entwickelt. „Diese Neubestimmung ist deshalb interessant, weil sie uns ein besseres Verständnis des Parasitismus ermöglichen könnte, was in der Nutztierhaltung auch von enormer wirtschaftlicher Bedeutung wäre,“ sagt Bernhard Egger.
Die Genanalyse lieferte auch neue Einblicke in die Evolution der Embryonalentwicklung von Plattwürmern. Denn bei einigen Gruppen befindet sich der Dotter nicht in der Eizelle, sondern ist in Form von Dotterzellen um das Ei gruppiert. Wie die Untersuchungen von Egger und seinen Kollegen nun zeigen, ist diese erstaunliche Art der Embryonalentwicklung im Laufe der Evolution der Plattwürmer zweimal entstanden.
Mit der Neugruppierung der einzelnen Äste des Stammbaums der Plattwürmer gingen auch einige Neubenennungen einher, die die Wissenschaftler um Bernhard Egger für einzelne Gruppen vorschlagen. Veröffentlicht wurden diese gemeinsam mit den aktuellen Ergebnissen nun in der renommierten Fachzeitschrift Current Biology.

Regenerationsfähigkeit auf der Spur

Einige Plattwurm-Arten haben eine erstaunliche hohe Regenerationsfähigkeit. Während viele Plattwürmer den hinteren Teil nachwachsen lassen können, sind manche sogar in der Lage ihren Kopf zu ersetzen. Bernhard Egger beschäftigt sich als Leiter der Arbeitsgruppe Regeneration an der Universität Innsbruck nun mit der Frage, warum diese Fähigkeit bei den verschiedenen Arten so unterschiedlich ausgeprägt ist. „Es gibt Hinweis, dass die Regenerationsfähigkeit mit der Art der Fortpflanzung zusammenhängt“, sagt der Zoologe. „Während asexuell vermehrende Tiere oft eine hohe Regenerationsfähigkeit haben, ging diese bei sich sexuell fortpflanzenden Würmern oft verloren“, erzählt Egger. Bei der Untersuchung, wie sich die Regenerationsfähigkeit der Plattwürmer im Laufe der Evolution verändert hat, hilft ihm das nur erworbene Wissen über deren Verwandtschaftsverhältnisse.