Erfahrung macht den Unterschied
Lernen von den besten: High-Performers wie IBM, Shell oder BMW haben vorgemacht, dass Internationalisierung zur Gewinnmaximierung führen kann. Julia Hautz von Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus hat gemeinsam mit ihren Kollegen Christian Stadler (University of Warwick) und Michael Mayer (University of Bath) untersucht, welche Faktoren – wie beispielsweise Eigentümerstrukturen oder makro-ökonomische Faktoren – die Expansionsstrategien Produktdiversifikation und Internationalisierung beeinflussen und wie diese voneinander abhängen. „Es hat sich gezeigt, dass sich in Unternehmen, die bereits Erfahrung mit diesen Expansionsvarianten sammeln konnten, beide Strategien positiv beeinflussen. Diese Unternehmen können also durchaus davon profitieren, gleichzeitig ihren Markt und ihre Produktpalette zu erweitern“, erklärt Julia Hautz. Sie betont allerdings, dass diese positive Wechselwirkung eher den europäischen Markt betrifft. „Durch die relativ kleinen Heimatmärkte, in denen europäische Unternehmen agieren, waren diese früh gezwungen, entweder in neue Produktmärkte oder geografisch zu expandieren. Sie verfügen deshalb über entsprechend viel Erfahrung in Bezug auf Expansionsstrategien“, verdeutlicht die Wirtschaftswissenschaftlerin. „In Unternehmen mit weniger Erfahrung – wie zum Beispiel viele US-Unternehmen, die aufgrund des relativ großen Heimatmarktes lange keine Expansionsstrategien verfolgt haben – fanden wir allerdings einen negativen Zusammenhang zwischen den beiden Wachstumsstrategien. Diese sollten besser eine der beiden Strategien wählen.“
Wertvolles Wissen für Unternehmen
Auf diesen Studien aufbauend wollen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse nun auch praxisorientiert an Unternehmen weitergeben. „Da die Unternehmen spezielles Interesse an Internationalisierung signalisiert haben, wollen wir näher auf die Frage eingehen, ob sich Internationalisierung als Expansionsstrategie für alle Unternehmen eignet“, so Hautz. Um diese Frage umfassend zu beantworten, haben die Wissenschaftler Daten für knapp 20.000 Unternehmen in 30 Ländern über einen Zeitraum von 20 Jahren gesammelt und analysiert. Um Verzerrungen auszuschließen, inkludieren ihre Untersuchungen sowohl Unternehmen, die international tätig sind, Unternehmen, die lokal geblieben sind und auch Unternehmen, die nicht den gesamten Zeitraum überlebt haben. Auch bei dieser Studie, zu der die Wissenschaftler kürzlich einen Beitrag im Harvard-Business-Review-Blog veröffentlicht haben, zeigte sich, dass Erfahrung ein entscheidender Faktor ist. „Unsere Analysen ergaben, dass Firmen im ersten Jahr nach der Markterweiterung einen durchschnittlichen Return on Assets – eine Rentabilitäts-Kennzahl, die angibt, wie effizient der Kapitaleinsatz eines Investitionsvorhabens innerhalb einer Abrechnungsperiode war – von minus 3,4 Prozent hatten. Auch wenn das nicht überrascht, da es Zeit braucht, sich in einem neuen Markt zu etablieren, verbesserten sich die Zahlen auch nach längerer Zeit nicht deutlich: Nach fünf Jahren lag der durchschnittliche Return on Assets bei minus einem Prozent und nach zehn Jahren lag er bei einem Prozent“, beschreibt Julia Hautz. Basierend auf diesen Daten analysierten die Wirtschaftswissenschaftler in Fallstudien einzelne Unternehmen wie Devon, Rivella, Boise Cascade genauer und führten auch Interviews mit Managern durch. „Diese Arbeit zeigte, dass für viele Firmen die Fähigkeit zur erfolgreichen Internationalisierung nur sehr schwer und mühsam beziehungsweise oft auch gar nicht erlernbar ist. Genauso wie Produktdiversifizierung ist auch Internationalisierung mit Kosten und Nutzen verbunden. Damit der Nutzen überwiegt, müssen entsprechende Fähigkeiten und Routinen im Unternehmen vorhanden sein“, so Hautz. Allerdings zeigen die Ergebnisse der Wissenschaftler auch, dass lokal agierende Unternehmen durchaus sehr erfolgreich sein können und unter den Top Performern aufscheinen: So befindet sich unter den top zehn Prozent der profitabelsten Unternehmen ein Drittel, die ihren Erfolg ohne internationale Tätigkeiten erreicht haben. „Internationalisierung kann eine attraktive Option für Wachstum und Expansion sein – allerdings ist es nicht die Standardoption für alle Unternehmen. Produktdiversifizierung und Innovation sind andere durchaus attraktive Optionen für lokal agierende Unternehmen, die auch zu langfristigem Erfolg führen können“, resümiert Julia Hautz.