Mit Mathematik zum sportlichen Erfolg
Peter Federolf greift für die Analyse von Bewegungen auf mathematische Methoden zurück, die er in seiner Arbeit adaptiert, verbessert und verfeinert. Damit zählt er zu den führenden Wissenschaftlern auf seinem Gebiet zählt. „Mit dieser Methode wird es möglich, nicht nur einzelne Gelenkswinkel in der Bewegung zu messen, sondern die Ganzkörperbewegungen zu analysieren. Balance, Stabilität und die sportliche Technik stehen dabei im Fokus meiner Forschungen“, erklärt Federolf seine Arbeit, die mathematische und physikalische Aspekte in die Sportwissenschaft einbringt. „Sport und Physik ergänzen sich hier perfekt, denn wir können mit dieser Methode Probleme, wie beispielsweise die Sturzprävention von älteren Menschen, aber auch die Technik im Leistungssport erforschen“, so der Wissenschaftler. Mit Hilfe kleiner, am Körper angebrachter Marker, deren Position von einem speziellen Kamerasystem bestimmt werden kann, werden die Bewegungen der Menschen im Labor analysiert. „Aus diesen Daten können wir die genauen Bewegungen der Versuchspersonen rekonstruieren und ermitteln, wie sie sich über einen Zeitraum hinweg verhalten haben“, erklärt Federolf.
Sportliche Technik
Vor- und Rückwärtsbewegungen der Arme und Beine, Hoch- und Tiefbewegungen beim Gehen – alle diese Teilbewegungen sind mathematisch eindimensional darstellbar. Dadurch lassen sich auch komplexe Ganzkörperbewegungen mit nur wenigen Variablen beschreiben. Federolf ist bemüht, seine mathematische Methode möglichst breit einzusetzen und auch für den Leistungssport anwendbar zu machen. „Es gibt viele Faktoren, wie etwa die Stärke oder die Ausdauer, die einen Sportler oder eine Sportlerin besser machen. Aus meiner Sicht ist nach wie vor die Technik, das spezifische Muster wie die Bewegung der Athletinnen und Athleten ausgeführt wird, ausschlaggebend für den Erfolg. Die Technikanalyse ist leider in der Forschung völlig unterrepräsentiert“, so der Wissenschaftler. Aktuell sei es noch nicht möglich, die Technik zwischen Personen objektiv zu vergleichen. „Beginnt man, die Bewegungen allerdings so detailliert aufzuspalten, dann können alle Teilbewegungen einzeln miteinander verglichen werden“, erläutert Federolf. So wird es möglich, ganze Gruppen von Sportlerinnen und Sportlern direkt miteinander zu vergleichen und zu sehen, welche Bewegungsmuster sich unterscheiden. In einer Untersuchung verglich Federolf und sein Team eine Gruppe von Langläuferinnen und Langläufern aus dem Nationalteam in Norwegen und eine zweite Gruppe, die es knapp nicht in den Hauptkader geschafft hat. „Interessant war, dass wir signifikante Unterschiede in den Bewegungsabläufen und der Technik der Sportlerinnen und Sportler beider Gruppen festgestellt haben“, so der Wissenschaftler, der betont, dass es eine große Variabilität der Bewegungen bei Athletinnen und Athleten gibt. Mit Hilfe des mathematischen Modells können die Bewegungen genau analysiert und die leistungsrelevante Einzelkomponente ermittelt werden. „Wenn man das erkannt hat, dann kann die bessere Variante herausgenommen und in das Bewegungsmuster der ‚schlechteren Gruppe’ eingesetzt werden. Daraus entsteht ein Bild einer Technik, die immer noch die individuelle Bewegungsart des Athleten oder der Athletin ist, allerdings mit einer verbesserten Komponente“, sagt Federolf. Als Trainerin oder Trainer ist es oft schwierig, den Sportlerinnen und Sportlern zu erläutern, welche Bewegung sie verändern müssen. „Zu sagen, dass die Hüfte beispielswiese um zwei Grad mehr gedreht werden muss, um ein besseres Ergebnis zu erzielen, reicht häufig nicht aus. Die mit dem Modell entstehenden Animationen helfen den Trainerinnen und Trainern, aber auch den Sportlerinnen und Sportlern zu sehen, welchen Effekt die Änderung einer Teilbewegung ausmacht und was man tun muss, um dies koordinativ umzusetzen. Wir Menschen sind das Bewegungslernen durch Abschauen gewohnt und sind dafür sogar speziell neuronal ausgestattet“, argumentiert der Wissenschaftler. Ähnliche Projekte sind auch für den Alpinen Skisport oder für den Skisprung geplant. In Innsbruck ist Federolf dafür noch auf der Suche nach sportlichen Partnern.
Ältere profitieren
Von dieser mathematischen Analyse der Bewegungen profitieren nicht nur Sportlerinnen und Sportler in ihrem Techniktraining, sondern auch ältere Menschen. „Stürze nehmen im Alter zu und sind häufig Ausgangspunkt für weitere gesundheitliche Komplikationen. Die Sturzprävention ist daher ein großes Thema“, meint Federolf. Mit den beschriebenen Methoden wird es erstmals möglich, den Bewegungsablauf genau zu erforschen und Zusammenhänge zwischen Balance und Körperaktionen zu sehen: „In den Modellen, die wir aus der Analyse berechnen, können wir sehen, mit welchen Aktionen Menschen ihre Balance wieder herstellen.“ Mit diesen Daten kann der Wissenschaftler gezielt ermitteln, welche Bewegungen oder Muskeln trainiert werden müssen, um Stürzen präventiv entgegen zu wirken. „Mit meinen mathematischen und physikalischen Kenntnissen an zukünftigen Entwicklungen im Sturzpräventionsbereich, aber auch im gezielten Techniktraining beitragen zu können, ist für mich eine große Motivation. Ich glaube, dass diese Methode zusätzliche Möglichkeiten bietet, Ganzkörperbewegungen und Zusammenhänge in der Koordination besser zu verstehen und einfach darzustellen. Ich freue mich, wenn ich in den Entwicklungen in diesem Bereich eine Rolle spielen darf.“
Zur Person
Professor Peter Federolf erhielt seinen Doktortitel an der ETH in Zürich. Nach seinem Abschluss arbeitete er weiter wissenschaftlich in Zürich, Davos, als Postdoc an den Universitäten in Salzburg und Calgary in Kanada. Nach weiteren Forschungsaufenthalten auf der ganzen Welt war Federolf zuletzt als Professor an der Universität in Trondheim in Norwegen tätig. Seit Februar 2015 ist er Professor am Institut für Sportwissenschaften an der Uni Innsbruck.