Neue Erkenntnisse zum Baumwachstum

Baumwachstum und die Produktion von Biomasse wurden bisher als zeitlich synchron verlaufende Prozesse angesehen. Eine Arbeitsgruppe um den Botaniker WalterOberhuber war an einem internationalen Forschungsprojekt beteiligt, das belegen konnte, dass diese zwei Vorgänge zeitlich versetzt ablaufen. Die Wissenschaftler berichten darüber in Nature Plants.
Querschnitt durch Fichtenstamm mit Jahresringen (Foto: W. Oberhuber)
Querschnitt durch Fichtenstamm mit Jahresringen (Foto: W. Oberhuber)

Wälder gelten als wichtigster biologischer Speicher für die langfristige Bindung von Kohlenstoff. Im Zuge ihres Wachstums binden Bäume CO2 durch Photosynthese und speichern Kohlenstoff in ihren Zellwänden als Biomasse. Zeitlich fein aufgelöste Daten aus 51 Standorten der nördlichen Hemisphäre zeigten nun, dass es eine zeitliche Verschiebung zwischen Baumwachstum und Biomasseproduktion – also Kohlenstoffspeicherung – um circa einen Monat gibt. „Da Bäume nicht gewogen werden können, wurde der Biomassegewinn mit speziellen Gleichungen anhand verschiedener Wachstumsparameter wie Stammhöhe und Stammdurchmesser erfasst. Da Wachstum und Kohlenstoffspeicherung aber nicht wie bisher angenommen, zeitlich synchron verlaufende Prozesse sind, kann die saisonale Dynamik der Biomasseproduktion von Wäldern anhand von Änderungen des Stammdurchmessers nicht korrekt erfasst werden“, erklärt ao. Univ.-Prof. Walter Oberhuber vom Institut für Botanik.

Feinzeitliche Auflösung

Gemeinsam mit Dr. Andreas Gruber und Mag. Irene Swidrak lieferte Oberhuber vier Jahre lang Daten zum Baumwachstum aus insgesamt vier inneralpinen Standorten für das vom französischen Nationalen Institut für Agrarforschung (INRA) initiierte Forschungsprojekt. „Das Ziel dieses Projektes war es, erstmals eine feinzeitlich aufgelöste jahreszeitliche Dynamik der Holzbildung zu zeigen“, beschreibt Walter Oberhuber. Dazu entnahmen die Wissenschaftler den Bäumen wöchentlich sogenannte Mikrobohrkerne, die im Anschluss unter dem Mikroskop analysiert wurden. „Die feinzeitliche Auflösung aller Standorte zeigte, dass die Holzzellen zuerst wachsen - die höchsten Wachstumsraten finden Ende Mai statt – während erst etwa einen Monat später, Anfang Juli, das Maximum in der Biomasseproduktion im Zuge der Zellwandbildung erreicht wird.“

Jahrringgrenze mit weitlumigem Frühholz (Wachstum) und dickwandigem Spätholz (Biomasse-Speicherung)
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Fichtenholz: Jahrringgrenze mit weitlumigem Frühholz (Wachstum) und dickwandigem Spätholz (Biomasse-Speicherung).
(Bild: W. Kofler)
 

Weitere Verschiebung möglich

Die Wissenschaftler vermuten, dass diese Verschiebung von Stammwachstum und Zellwandverdickung darauf zurückzuführen ist, dass verschiedene Umweltfaktoren regulierend auf die beiden Prozesse einwirken. „Das Wachstum steht in enger Beziehung zur Photoperiode, also der Tageslänge, und garantiert damit den rechtzeitigen Abschluss der Zelldifferenzierung vor der Frostperiode“, erläutert der Botaniker. „Die Biomasseproduktion ist hingegen eng an die Lufttemperatur gekoppelt, da die Zellwandbildung und –verholzung von der Stoffwechselaktivität abhängt. Sollte es nun im Zuge des Klimawandels zu saisonalen Änderungen der Temperatur kommen, werden Wachstum und Biomasseproduktion nicht im selben Ausmaß betroffen sein, was in weiterer Folge zu einer Änderung der Holzstruktur führen kann.“ Die Information darüber, wann und wie Kohlenstoff im Holz während der Wachstumsperiode gespeichert wird, liefert wesentliche Informationen für die Weiterentwicklung von Modellen, die die zukünftigen Wechselwirkungen zwischen Klima und Kohlenstoffflüssen vorhersagen sollen.