Wasserstoff effizienter gewinnen
Auf den ersten Blick sieht es ganz einfach aus: Man trennt Wasser durch die Kombination überschüssiger elektrischer und thermischer Energie in Wasserstoff und Sauerstoff. Den Wasserstoff kann man dann speichern, um später daraus mit Hilfe einer Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) den passenden Energiemix zurückzugewinnen. Doch wenn man dieses Prinzip der wärmeunterstützten Wasser-Elektrolyse in der Praxis effizient ablaufen lassen möchte, braucht man Hochtemperatur-stabile Elektrokatalysatoren, an denen komplizierte chemische Vorgänge ablaufen. Die Innsbrucker Chemiker um Bernhard Klötzer arbeiten im Rahmen des vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Spezialforschungsbereichs „Functional Oxide Surfaces and Interfaces“ (FOXSI) mit den Elektrochemikern um Alexander Opitz und Andreas Nenning an der TU Wien zusammen. Diese beschäftigen sich mit sogenannten Perowskit-Elektroden, die aus Sauerstoff, Lanthan, Strontium und Eisen aufgebaut sind. Gemeinsam haben die Forscher nun entdeckt, dass sich diese Elektroden bei der Hochtemperatur-Elektrolyse ganz untypisch verhalten, wodurch Wasserstoff viel effizienter produziert werden kann als sonst. Möglich wurde diese Entdeckung, indem die Forscher das Material an der Synchrotron-Anlage BESSY in Berlin mit Hilfe von Röntgenstrahlung beobachtet und so direkt während der chemischen Reaktion in Echtzeit analysiert haben. „Wir kooperieren schon seit Jahren mit den Kollegen am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin, von denen die geeignete Beamline bei BESSY betrieben wird“, erzählt Klötzer. Der Chemiker hat die Messungen mit dem neuen Wiener SOEC-Modell für eine Festoxid-Elektrolysezelle geplant und dessen Einsatz bei BESSY experimentell realisiert.
Auf die Oberfläche kommt es an
Bei der Elektrolyse kommt es ganz besonders auf die chemische Beschaffenheit der Elektroden-Oberfläche an. Benötigt wird ein guter Elektroden-Katalysator – ein Material, das an seiner Oberfläche die Aufspaltung des Wassers erleichtert. Um die dabei ablaufenden elektrochemischen Prozesse untersuchen zu können, haben die Wissenschaftler die Forschungsanlage in Berlin genutzt. Hier konnten sie die Untersuchungen erstmals direkt während des Elektrolyse-Prozesses durchführen und so die Materialveränderung in Echtzeit mitverfolgen. Mit einem besonders intensiven Röntgenstrahl mit sehr präzise definierter Energie werden dabei an der Elektrodenoberfläche Elektronen aus dem Material geschlagen. So lässt sich der chemische Zustand und die atomare Zusammensetzung der Oberfläche ermitteln. Gemessen wurde Tag und Nacht, im Schichtbetrieb. Nach einigen anstrengenden Messtagen beobachtete das Team etwas Erstaunliches: Aus dem Perowskit treten Eisenatome aus, die dann an der Oberfläche nicht mehr als Sauerstoff-Verbindung, sondern in metallischer Form vorliegen. Gleichzeitig steigt die bei der Elektrolyse erzeugte Wasserstoffmenge drastisch an – die Elektrode arbeitet plötzlich viel effizienter. Schaltet man die Spannung ab, wird das Eisen vom Perowskit wieder aufgenommen. „Mit herkömmlichen elektrochemischen Modellen lässt sich das Verhalten nicht erklären“, sagt Alexander Opitz von der TU Wien. „Klar ist aber, dass die Materialveränderungen mit den verbesserten Katalyse-Eigenschaften des Materials zusammenhängen. Aber ob die Eisenpartikel, die sich an der Oberfläche bilden, dafür verantwortlich sind, oder doch die zurückbleibende Oxidkeramik, das müssen wir erst herausfinden.“
Interdisziplinär zu neuen Energiespeichern
Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Angewandte Chemie International Edition“ publiziert. Sie sind ein wichtiger Schritt für das Verständnis von Katalyse-Prozessen, die die thermisch unterstützte Wasser-Elektrolyse eines Tages zur effizienten Energiespeichermethode machen sollen. Besonders für alternative Stromquellen wie etwa Windkraftanlagen, die nicht zu jeder Zeit gleich viel Strom liefern, wäre Hochtemperatur-Elektrolyse und ein Wasserstoff-Energiespeicher eine attraktive Lösung. Entscheidend für das Gelingen des Projekts war die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Forschungsgruppen: Das Team von Prof. Jürgen Fleig (TU Wien) lieferte das Know-how für die elektrochemischen Fragestellungen und den Probenaufbau, die Forschungsgruppen von Prof. Günther Rupprechter (TU Wien) und Prof. Bernhard Klötzer (Uni Innsbruck) steuerten die Expertise für Röntgenspektroskopie und Synchrotronmessungen bei. Nur durch die Verbindung dieser beiden Gebiete gelang die direkte spektroskopische Beobachtung von oberflächenchemischen Prozessen und deren Auswirkung auf elektrochemische Vorgänge.