Diskussion um neue Rechschreibreform - Rückkehr zur alten Schreibweise?

Vor einigen Tagen kündigten deutsche Medienverlage an, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren. Auch in Österreich sind nun erneut Diskussionen über diese doch recht umstrittene Reform entstanden. Die i-point Redaktion traf aus diesem Anlass Alt-Rektor Univ.-Prof. Dr. Hans Moser, der einige Jahre Mitglied in der Kommission für Rechtschreibfragen des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim war, zu einem Gespräch. Derzeit ist Moser im Beirat für Sprachentwicklung des Bundesministeriums tätig.
Rechtschreibung
Rechtschreibung
Zur Historie der Reform
"Die Bestrebungen, die Rechtschreibung zu reformieren, begannen eigentlich schon Anfang des vorigen Jahrhunderts", erklärt Moser im Gespräch am Dienstag. Im Jahr 1901 gelang es zwar in der Berliner Rechtschreibkonferenz, die deutsche Rechtschreibung zu vereinheitlichen, nicht aber, sie zu reformieren. Konrad Duden, der auf dieser Konferenz beauftragt wurde sein an vielen Schulen eingeführtes Wörterbuch nach diesen neuen Regeln zu gestalten, erklärte daher schon im Anschluss an diese Konferenz, nach der Vereinheitlichung müsse die Verbesserung der Orthografie in Angriff genommen werden. Kein Wunder, dass es im Lauf des 20. Jahrhunderts immer wieder Reformvorschläge und Reformversuche gab, die aber alle fehlschlugen. Deshalb erklärte die deutsche Kultusministerkonferenz im Jahr 1955, im Zweifelsfall hätten sich die Schulen nach der Schreibung im Duden zu richten. Damit wurde ein privater Verlag zur sprachlichen Norminstanz, was er in der Folge kommerziell auch sehr erfolgreich genutzt hat.

Deshalb bat Anfang der achtziger Jahre der Schweizer Germanist Heinz Rupp Wissenschaftler aus der Schweiz, aus Österreich, Deutschland und der damaligen DDR auf einen Kongress nach Basel, um neuerlich über die Frage einer eventuellen Rechtschreibreform zu diskutieren. Dieses Treffen kann sozusagen als Geburtsstunde des Internationalen Arbeitskreises für Orthographie und somit als Beginn zur Vorbereitung der Rechtschreibreform bezeichnet werden.

Vier Forschungsgruppen als Wegbereiter
Der Arbeitskreis setzte sich aus insgesamt vier Forschungsgruppen zusammen: der Forschungsgruppe für Orthographie der Universität Rostock und des Zentralinstitutes für Sprachwissenschaft Berlin, der Kommission für Rechtschreibfragen des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim (mit Prof. Moser als Mitglied), der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Koordinationskomitees für Orthographie beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst in Wien und der Arbeitsgruppe für Rechtschreibreform der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren in Bern und Zürich.

Im Jahr 1982 wurde Prof. Moser als Mitglied der Kommission für Rechtschreibfragen in Mannheim bestellt. "Unsere Gruppe hat die Hauptarbeit für Entwürfe der Neuregelungen gemacht", beschreibt Moser die Aufgaben seiner Arbeitsgruppe. Zur Koordinierung der Ergebnisse trafen sich dann Vertreter der vier Gruppen in regelmäßigen Abständen - insgesamt viermal - zu Gesprächen in Wien. An diesen Treffen nahmen auch Vertreter der zuständigen Ministerien teil. Die Treffen dienten in erster Linie zur Beratung und zur Erarbeitung der endgültigen Vorschläge, die dann auf politischer Ebene diskutiert werden sollten. "Unsere Gruppe hat damals zum Beispiel die gemäßigte Kleinschreibung vorgeschlagen, die aber als "politisch nicht machbar" abgelehnt wurde", so Moser, "man einigte sich dann auf eine erweiterte Großschreibung. Dies verschob aber die bestehenden Problemzonen eher als dass es sie beseitigte", kritisiert Moser, der im Jahr 1990 aufgrund einer Neuordnung der Kommission sowie seiner Bestellung zum Rektor der Universität Innsbruck aus der Kommission ausschied, einen der Schwachpunkte der neuen Reform.
1996 kam es schließlich zum Abschluss der Reform und seit 1998 gilt die neue Regelung mit einer Übergangsfrist - es gelten neue und die alte Schreibweise - von sieben Jahren in Schulen und Ämtern als verbindlich.

Rückkehr zur alten Schreibweise würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen
Die nun erneut entstandene Diskussion, ob die neue Reform nun beibehalten werden soll oder nicht, verstehe Moser im Grunde genommen nicht, weil alle die Einwände die gegen die Reform schon vor einem Jahrzehnt vorgebracht wurden - flächendeckendes Umlernen, Umstellung aller Schulbücher und in der Folge aller Druckwerke, Verunsicherung - jetzt potenziert auftreten würden. Dass die Reform in der älteren "Schreibgemeinschaft" unbeliebt ist, ist ja nichts Neues. "Die Reform stieß schon im Vorfeld auf großen Widerstand und der ist von zahlreichen Gegnern im Laufe der Zeit natürlich gezielt geschürt worden", berichtet Moser über die eine oder andere Anekdote in Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Reform. "Viele kritisieren zwar die neue Reform und fordern eine Rückkehr zur alten Schreibweise, sind sich aber nicht über die Konsequenzen im Klaren", mahnt Moser.

Angefangen vom Schul- bis hin zum Verlagswesen würde eine Rückkehr zur alten Schreibweise nicht nur für Verwirrung sondern auch für völlig überflüssige, ja kontraproduktive Unkosten sorgen. "Darüber hinaus wäre es unverantwortlich, eine Generation von Schülern und alle die, die mühsam umgelernt haben und mit dieser Reform "aufgewachsen" sind, jetzt wieder in die alte Rechtschreibung zurückzukommandieren."

Diskussion über neue Rechtschreibreform auch in Österreich
Durch die Ankündigung zweier deutscher Verlage, sie würden nun wieder zur alten Schreibweise zurückkehren, entstand dieser Tage auch in Österreich erneut die Diskussion über Sinn und Unsinn der neuen Reform. Auch politische Stellungnahmen sind in den Medien schon zu finden, doch sprechen die Vertreter hier im Allgemeinen eher von einem "Überdenken" bzw. für eine Beibehaltung der neuen Schreibweise. Auch die meisten großen Medienverlage in Österreich sprechen sich für eine Beibehaltung der Reform aus. "Ich bin dankbar, dass auch auf politischer Ebene der Kurs in Österreich derzeit beibehalten wird", zeigt sich Moser darauf zufrieden. "Es ist ja auch ein bisschen die Frage, wer die Schreibnorm bestimmt: einige mächtige Verlage oder die demokratisch gewählte Volksvertretung."

Von 200 auf 100 reduziert
Auf die Frage, ob die neue Rechtschreibreform denn seiner Meinung nach die geplante Vereinfachung gebracht habe, die vorgesehen war, betont Moser, dass in bestimmten Bereichen sicherlich Vereinfachungen zu verzeichnen sind. Wurde doch das Regelwerk der deutschen Rechtschreibung von etwa 200 auf etwa 100 reduziert und somit auf alle Fälle durchschaubarer. Eine bedeutsame Verbesserung und Vereinfachung brachte seiner Meinung nach die s-Schreibung. Unbefriedigend sei in gewisser Hinsicht jedoch die Regelung der Getrennt- und Zusammenschreibung von Wörtern, die zwar klar aber doch recht formal definiert wurde und somit sicherlich einer „Überarbeitung“ bedarf. Auch bei den Laut-Buchstabenbeziehungen und der Großschreibung gibt es teilweise noch Inkonsequenzen, die aber genauestens beobachtet und evaluiert werden. So können bestehende Schwächen von einer zwischenstaatlichen Kommission dann schrittweise beseitigt werden.

Fazit
"Bei der Reform wurde die deutsche Rechtschreibung sicherlich nur unvollkommen optimiert. Man sollte aber aus den bestehenden Schwierigkeiten lernen und nicht wieder eine Globalreform machen - diesmal nach rückwärts - sondern die Sprachbeiräte ihre Arbeit tun lassen und dann behutsam nachjustieren", appelliert Moser abschließend an die zahlreichen Kritiker und Gegner aus Politik und Wirtschaft, "andernfalls ist das Chaos perfekt." (bb)