Der „Stern von Bethlehem“

Im Neuen Testament ist von einem Stern die Rede, der den Sterndeutern den Weg nach Bethlehem wies. Verbirgt sich hinter dieser Beschreibung ein astronomisch erklärbares Ereignis oder ist dies nur Fiktion? Diese Frage beschäftigt Astronomen schon seit vielen Jahrhunderten. Prof. Walter Saurer von der Astrophysik bereitete dieses Thema vor kurzem in einer seiner Vorlesungen auf.
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"Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen". Etwas später heißt es: " Daraufhin rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Bethlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige. Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen".

Himmelsschauspiel mit astronomischem Hintergrund
Eine frühe astronomische Deutung stammt vom Kirchenlehrer Origenes (185 - 253 n.Chr.). Er sah im Stern von Bethlehem einen „Haarstern“, also einen Kometen, wahrscheinlich beeinflusst vom Kometen Halley der im Jahre 218 n. Chr. zu sehen war. Diese Vorstellung fand in den Jahren 1303 bis 1305 Einzug in die Kunstgeschichte durch Giotto di Bondene. Ebenfalls durch den Halleyschen Kometen (1301) inspiriert, stellte er den Stern von Bethlehem in der Scrovegni Kapelle zu Padua als Kometen dar. Heutzutage wird diese Tradition von der Weihnachtsindustrie fortgeführt.

Eine andere Deutung stammt von Johannes Kepler. Er hat im Jahre 1604 bemerkt, dass am Himmel ein neuer Stern - eine Supernova - erschien. Ein Jahr zuvor trat in unmittelbarer Nähe eine enge Jupiter-Saturn Konjunktion auf. Dabei handelt es sich um ein sehr nahes Zusammentreffen dieser beiden Planeten am Himmel. In Unkenntnis der wahren Natur und Entfernung der Sterne nahm Kepler an, die seltene Planetenerscheinung könne Verursacher und Entzünder dieses vermeintlich neuen Sterns sein. Kepler kam auf den Gedanken, zur Geburt Christi könne Ähnliches passiert sein und rechnete nach. Tatsächlich fand im Jahre 7 v. Chr. ein Ereignis dieser Art statt. Es kam dabei zu einer dreifachen Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn, bei der sich die beiden Planeten drei Mal innerhalb eines Jahres am Himmel treffen. Das letzte Mal gab es eine solche Konstellation im Jahre 1981. Für das nächste Mal müssen wir bis 2239 warten. Also ein recht seltenes Ereignis. Damals beobachteten die Sterndeuter bereits intensiv den Himmel und notierten die Bewegungen von Sonne, Mond und den Planeten. Ereignisse solcher Art waren ihnen also bereits bekannt und sogar vorhersagbar.

Geht man von einem wahrscheinlichen Geburtsdatum Christi von ca. 7 bis 6 v. Chr. aus, so kommt der Halleysche Komet, der 12 v. Chr. zu sehen war, nicht in Frage. Auch ein Komet, von dem in chinesischen Quellen zu lesen ist um 5 v. Chr. ist ebenfalls zeitlich unpassend. Die dreifache Jupiter-Saturn Konjunktion würde gut in die Chronik passen. Jedoch: Matthäus schrieb ausdrücklich von einem Stern. Bereits schon damals kannten ForscherInnen den Unterschied zwischen Planeten und Sternen. Die beide Planeten sind sich am Himmel zwar recht nahe gekommen, aber nie so nahe, dass sie für das menschliche Auge als nur ein Objekt sichtbar waren.

Auch im Jahre 2 v. Chr. kam es zu einigen bemerkenswerten Konjunktionen des Jupiter mit anderen Himmelskörpern. So kam es zu zwei sehr engen Begegnungen mit dem Planet Venus. Beide Planeten kamen sich dabei am Himmel so nahe, dass sie mit dem Auge nicht zu trennen waren. Sie erschienen als ein Objekt. Im gleichen Jahr kam es zu drei Konjunktionen des Jupiters mit dem Königsstern Regulus innerhalb kurzer Zeit. All diese Ereignisse könnten die Phantasie der Sterndeuter stark angeregt haben. Auch das Datum ist nicht unbedingt auszuschließen, da es Berichte früherer Historiker gibt (2. Jh.), die das Geburtsjahr Christi mit 3 – 2 v. Chr. angeben.

Die Grenzen astronomischer Deutungskunst
An dieser Stelle muss aber bedacht werden, dass die Geschehnisse, die in der Bibel beschrieben sind, erst Jahrzehnte danach (wahrscheinlich um das Jahr 80) aufgeschrieben wurden. Damit muss man in Betracht ziehen, dass astronomische Ereignisse, die während dieser Zeit oder auch davor stattgefunden haben und den Menschen im Gedächtnis geblieben sind, zur literarischen Ausschmückung eines bedeutsamen Ereignisses verwendet worden sind. In dieser Zeit war z.B. der Komet Halley zwei Mal am Himmel zu sehen.

Aber ohne schriftliche Berichte über die Reise der Sterndeuter aus dem Osten oder andere datierbare Zeugnisse zur Geburt Jesu lässt sich der "Stern von Bethlehem" wohl nie astronomisch eindeutig erklären oder zuordnen.