Terrorismus als die niedrigste Stufe der Kriegsführung
Attentate und Terrorismus sind kein Phänomen der Gegenwart. Zu ihrer Erklärung und dem Umgang mit ihnen gab Prof. Gehler eine Einführung in ihre Geschichte. „Attentate und Terrorismus sind so alt wie die Geschichte“, eröffnete Prof. Gehler sein Impulsreferat: „Terroristische Akte sind unkonventionelle Konfliktaustragungen, die meist scheitern, aber dennoch auch erfolgreich sein mussten. Misserfolge schufen Märtyrer, Mythen, Freiheitskämpfer und Helden“, erklärte Gehler das Wesen von Terrorismus. „Ein besonderes Kennzeichen des postmodernen Terrorismus ist es, dass die Ziele immer weiter und deshalb die Opfer immer beliebiger werden. Außerdem charakterisiert sich postmoderner Terrorismus durch das Bestehen weltumspannender Organisationen, seine multimediale Verbreitung, seine Wahllosigkeit der Opfer, die Nutzung der multimedialen Möglichkeiten, einer Miniaturisierung des Sprengstoffs und religiös, fanatisch indoktrinierten Hintermännern, die instrumentalisiert werden.“ Botschafter a.D. Ludwig Steiner charakterisierte den modernen Terrorismus als „bewussten Anschlag, um Ziele zu erreichen. Es werden bewusst unschuldige Menschen zu Opfern gestempelt, um Angst und Hass durch den Terror zu schüren.“
Terrorismus 'all over the globe'
„Terror ist die niederste Stufe der Kriegsführung“, betont Bundesminister a.D. Erwin Lanc. Er gab einen Rückblick auf terroristische Anschläge der Vergangenheit wie die Südtiroler Terroranschläge in den 60er Jahren und den Anschlag auf die Israelische Delegation bei den Olympischen Spielen in München: „Die Methoden der Terroristen haben sich geändert. Es gibt eine Ausbildung für Terroristen ‚all over the globe’“. Hier verweist er vor allem auf den Terroranschlag auf das World Trade Center: „Die Leute mussten fliegen lernen. Das haben sie sicher nicht in den Ausbildungslagern in Afghanistan gelernt“. Er verweist auch auf diverse Unstimmigkeiten, die medial in Bezug auf diesen Terroranschlag und die darauf folgenden Kriege in Afghanistan und im Irak, transportiert werden: „Ich sehe die heutige Veranstaltung als Möglichkeit und Notwendigkeit darauf hinzuweisen, wie viel Blödsinn in Bezug auf den Terrorismus erzählt wird“.
Gewalt mit Gewalt bekämpfen?
Der Politologe Prof. Mangott klärte über die Tschetschenienproblematik auf: „Die tschetschenische Unabhängigkeitsbewegung begann völlig ohne religiöse Hintergründe. Die Kriminalität und die politische Agitation führte zu Unabhängigkeitsbestrebungen, auf die Russland mit einem brutalen zweijährigen Krieg reagiert hat“. Dieser Krieg wäre nicht zu rechtfertigen gewesen, so Mangott, jedoch „der zweite Krieg ist ein notwendiger, um Tschetschenien vom Terrorismus zu befreien“. Zwischen 1996 und 1999 herrschte ein Waffenstillstand. Russland billigte Tschetschenien zu, einen eigenen Präsidenten und ein eigenes Parlament zu wählen. Die völkerrechtliche Klärung wurde auf fünf Jahre verschoben. Tschetschenien, de facto unabhängig, hat jedoch bewiesen, dass es zur Staatsbildung nicht fähig ist. Es dominieren dort Waffen- und Drogenhandel, Bandenkriminalität und Terrorismus. Tschetschenien ist eine degenerierte Staatsruine, die nun Rückzugsräume und Basislager für terroristische Aktivitäten zur Verfügung stellt. Der brutale erste Krieg Russlands führte zu einer Islamisierung eines zunächst säkularen Widerstands Tschetscheniens. Der Tschetschenische Widerstand ist heute ein primär extremistisch, islamistischer“.
Gegen diese Einschätzung sprachen sich Bundesminister Lanc und Prof. Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubens-Gemeinschaft in Österreich, aus: „Terrorismus kann nicht durch den Krieg gegen Terrorismus bekämpft werden“, so Lanc. „Terror, der sich gegen Unschuldige richtet, ist abzulehnen“, betonte Schakfeh: „Ich bin für die politische Bekämpfung des Terrorismus, weil Gewalt den Terrorismus nicht eingedämmt, sondern nur ausgeweitet hat. In unserer Religion gibt es nichts, was solche Attentate rechtfertigt. Das wäre ein Betrug. In Bezug auf politische Aktionen kennt der Islam auch weder kollektive Schuld noch kollektive Bestrafung. Er kennt nur die Einzelverantwortung. Also gibt es im Islam keine terroristischen Grundlagen. Die Mehrheit der weltweit 1,3 Milliarden Moslems ist gegen den islamischen Terrorismus. Bin Laden hat in erster Linie dem Islam geschadet.“
Polizeiliche, nachrichtendienstliche und militärische Antwort
Abschließend forderte Prof. Mangott eine „klare Antwort auf den Terrorismus, die polizeilich, nachrichtendienstlich, aber auch dort, wo sie kann, militärisch sein muss. Terrorismus muss bekämpft werden durch die Beseitigung von Ermöglichungsbedingungen wie strukturell, verfestigte Konflikte zwischen asymmetrischen Gegnern, durch eine nationale Antiterrorstrategie in einer glaubwürdigen, beständigen und nachhaltigen Politik und durch eine Sensibilisierung in Bezug auf die Wehrhaftigkeit liberaler, europäischer Demokratien“.
Die Podiumsdiskussion war die erste in der neuen Veranstaltungsreihe der Philosophisch-Historischen Fakultät „Geisteswissenschaften – angewandt und aktuell“. „Mit diesen Veranstaltungen wollen die an der Philosophisch-Historischen Fakultät vertretenen Fächer nicht nur ihre Kompetenz in der Analyse aktueller Probleme demonstrieren, sondern auch ihre Bereitschaft, Hinweise für deren Lösung zu geben“, erklärte der Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät, Prof. Christoph Ulf. Mitveranstalter war der ALUMNI Verein der LFU.