PARADISE NOW: Internationales Filmsymposium

Vom 8. bis 11. Juni 2006 fand im Seefelder Kongresszentrum ein hochkarätig besetztes Filmsymposium statt. 65 TeilnehmerInnen aus verschiedenen europäischen Ländern und aus Israel setzten sich dabei intensiv mit dem spannenden Zusammenhang von Politik, Religion und Gewalt auseinander.
ÖFG-Arbeitsgemeinschaft
MitarbeiterInnen der ÖFG-Arbeitsgemeinschaft "Politik – Religion – Gewalt" beim 2. Jahrestreffen im Vorfeld des Filmsysmposiums

Organisiert wurde die dreitägige Veranstaltung von der Arbeitsgemeinschaft „Politik – Religion – Gewalt“ der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und der internationalen Forschungsgruppe „Film und Theologie“ in Kooperation mit dem LEO-Kino Innsbruck. Jeweils drei Dokumentar- und Spielfilme zum Nationalsozialismus und zum Israel-Palästina-Konflikt wurden gezeigt. Die ausgewählten Filme erwiesen sich allesamt als hervorragender Einstieg für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema der Tagung.

 

Leni Riefenstahls umstrittener Propagandafilm als Einstieg

Leni Riefenstahls TRIUMPH DES WILLENS, der von Hitler persönlich in Auftrag gegebene „Dokumentarfilm“ zum Reichsparteitag 1934 in Nürnberg, eröffnete das Symposium und löste bei den TeilnehmerInnen gleich tiefe Betroffenheit hervor. Die perfekte Kameraführung und Riefenstahls bahnbrechende Montagetechnik geben dem Film bis heute eine hohe suggestive Kraft und lassen verstehen, warum der Film in Deutschland immer noch auf dem Index verbotener NS-Filme steht und nur in geschlossenen Veranstaltungen zu wissenschaftlichen und pädagogischen Zwecken gezeigt werden darf. Die beiden anschließenden Referate von Prof. Bucher von der Uni Graz und Prof. Bärsch von der Uni Essen beschäftigten sich ausführlich und kritisch mit der (quasi)religiösen Dimension im politischen Denken und Handeln Adolf Hitlers.

 

Beschäftigung mit dem aktuellen Israel-Palästina-Konflikt   

Mit drei Filmen wurde dann der hochaktuelle und brisante Israel-Palästina-Konflikt anvisiert. Yulie Gerstel, israelische Dokumentarfilmerin und  im Jahr 1978 selbst Opfer eines palästinensischen Terroranschlages, war eigens aus Tel Aviv zum Symposium gekommen, um hier ihren mit vielen Preisen bedachten Film MY TERRORIST zu präsentieren. In diesem Film hat sie ihre traumatischen Erfahrungen und ihr persönliches Ringen um Vergebung und Aussöhnung eindrucksvoll verarbeitet. Nach Jahren schmerzlicher Auseinandersetzung hatte sie sich im Jahr 2000 auf die Suche nach „ihrem“ Terroristen gemacht und ihn nach längerer Suche in einem englischen Gefängnis gefunden. Nach mehreren Begegnungen und hartem persönlichen Ringen – in diese Zeit fiel der Beginn der 2. Intifada und die Ereignisse des 11. September – setzte sie sich schließlich für dessen Freilassung ein. Beim Filmgespräch mit Frau Gerstel wurde deutlich, wie schwierig und mühsam der Einsatz für Frieden und Vergebung sein kann, insbesondere zwischen derart verfeindeten Gruppen wie im Nahen Osten. Dennoch wurde klar, dass gerade dieser langwierige und steinige Weg am nachhaltigsten einen dauerhaften und gerechten Frieden in dieser Region garantieren könnte und wohl die einzige Alternative zum fortwährenden Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt darstellt.

Auch der exzellente Vortrag des Rabbiners Yehoshua Engelman von der Hebrew University in Jerusalem stellte die Frage von Vergebung und Versöhnung in den Mittelpunkt seiner Überlegungen über Chancen eines interreligiösen Dialogs aus jüdischer Perspektive. Dem Zusammenhang von Macht, Gewalt, Rache und Vergebung näherten sich auch die beiden Referate von Prof. Riedl aus Augsburg und Prof. Siebenrock aus Innsbruck, diesmal jedoch aus christlicher Perspektive. Prof. Siebenrock ging dabei auch ausführlich auf die Frage nach Kriterien einer Unterscheidung zwischen Märtyrern und terroristischen Selbstmordattentätern ein, ein Thema, das auch der Film PARADISE NOW des palästinensischen Regisseurs Hany Abu-Assad vorher aufgegriffen hatte.

 

Filme über religiös motivierten Widerstand gegen den Nationalsozialismus zum Abschluss

Mit zwei bewussten Kontrapunkten zum Eröffnungsfilm kehrte dann die Tagung nochmals zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zurück. Der Film SOPHIE SCHOLL: DIE LETZTEN TAGE von Marc Rothemund hatte zunächst die letzten Tagen der Widerstandskämpferin, die zusammen mit anderen Mitgliedern der „Weißen Rose“ wegen ihrer religiösen und politischen Gesinnung 1943 hingerichtet wurde, beleuchtet. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer aus Berlin eröffnete den TeilnehmernInnen in einem interessanten Werkstattgespräch Details zur Entstehung und Produktion des Films. Auch zur historischen Figur der Sophie Scholl konnte Breinersdorfer aufgrund seiner intensiven Recherchen zu den Prozessakten, aufschlussreiche Anmerkungen liefern.

Im Mittelpunkt des Abschlussfilmes DER NEUNTE TAG von Volker Schlöndorff stand dann das Schicksal eines Priesters, der aufgrund seiner Tätigkeit im luxemburgischen Widerstand gegen die Nazis in den so genannten Pfarreblock im KZ Dachau eingeliefert wurde und dort nur knapp dem Tod entging. Das Podiumsgespräch zum Film bestritten der Produzent des Filmes, Prof. Jürgen Haase aus Berlin, der kurzfristig für den verhinderten Regisseur eingesprungen war, sowie Prof. Zwick aus Tübingen und Prof. Niewiadomski aus Innsbruck. Das spannende und zuweilen auch kontroversiell geführte Gespräch belohnte die nahezu komplett bis zum Schluss verbliebenen TeilnehmerInnen des Symposiums mit einem weiteren Höhepunkt und krönenden Abschluss.

 

Gemeinsames Friedensgebet und begeleitendes Rahmenprogramm in Schulen

Über das eigentliche Symposium hinaus hatten die Organisatoren noch zwei Akzente gesetzt, die auch die lokale Bevölkerung stärker mit einbeziehen sollten. Zum einen durch ein interreligiöses Gebet bei der Friedensglocke des Alpenraumes in Mösern, in dem Vertreter aller drei monotheistischen Weltreligionen – Judentum, Christentum und Islam – gemeinsam für Frieden und Versöhnung beteten. Über dieses symbolträchtige und sehr berührende Treffen wurde auch im ORF berichtet. Zum anderen wurde eine Auswahl der Filme anschließend auch in Telfs und Stams gezeigt und damit den SchülerInnen der dortigen Gymnasien sowie der Telfer Bevölkerung Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu bieten. An beiden Orten wurde dieses Angebot dankbar angenommen, in den Schulen konnten die SchülerInnen anschließend in angeleiteten Arbeitsgruppen und Filmgesprächen die Filme noch ausführlich nachbearbeiten.