Schnee am Kilimanjaro
Die Gletscher auf dem Kilimanjaro, Afrikas höchstem Berg, haben sich seit Ende des 19. Jahrhunderts stark zurückgezogen. Ein Klimaforschungsprojekt der LFU Innsbruck und der University of Massachusetts, USA, unter Leitung von Georg Kaser, Thomas Mölg und Nicolas Cullen untersucht seit 6 Jahren die Ursachen für den Gletscherschwund. Im Jahr 2000 installierten die U.S. Wissenschaftler die erste automatische Wetterstation auf 5730 m Meereshöhe, 2005 folgten zwei weitere der LFU (5700m und 5873m). Trotz extremer Bedingungen liegen bis dato lückenlose Messungen vor. Wie extrem die Bedingungen sind, zeigte sich auch bei der letzten Expedition im heurigen Jänner: Aufgrund der Schneemassen war es äußerst schwierig, bis zu den Wetterstationen vorzudringen und die aufgezeichneten Daten sicherzustellen.
Schnee und Eis nehmen ab
Die Auswertung der Daten vom Jahr 2006 zeigte erstmals seit Beginn der Messungen, dass die Gletscher wieder an Mächtigkeit gewannen, und zwar zwischen 0.5 und 0.8 Meter. Der Grund dafür lag in den außergewöhnlich starken Schneefällen zwischen Oktober und Dezember. Diese dürften mit dem El Nino-Ereignis in Zusammenhang stehen, das sich zu dieser Zeit im Pazifik entwickelt hatte. El Nino führt nämlich zu überdurchschnittlichen Niederschlägen in der ostafrikanischen Regenzeit, im Gipfelbereich des Kilimanjaro auf 5873 m Meereshöhe fiel der Niederschlag in Form von meterhohem Schnee. Den Rückgang der Gletscher kann der Massengewinn 2006 jedoch nicht verhindern.
Die Messergebnisse bestätigten auch, dass der Niederschlag für den Zustand der Gletscher in Ostafrika eine bedeutendere Rolle spielt als die Lufttemperatur. Der Gletscher verliert zwei- bis viermal mehr Masse bei einer Reduktion der Schneefallmenge um 20% als bei einer Temperaturerhöhung um 1°C. Dies ergaben Modellrechnungen, in denen physikalische Wechselwirkungen zwischen Gletscher und Klima simuliert werden.
Die Trockenheit nimmt zu
Komplettiert wurden die lokalen Studien durch die Auswertung einer Simulation des globalen Klimas im 19. und 20. Jahrhundert. Es zeigte sich, dass großräumige Strömungsmuster, die dafür zuständig sind, dass Feuchtigkeit aus dem Indischen Ozean und Niederschläge nach Ostafrika kommen, im 20. Jahrhundert seltener auftraten. Ostafrika bekommt also zunehmend weniger Niederschläge und die Trockenheit steigt. Auch die sinkenden Wasserstände der großen ostafrikanischen Seen und die Zunahme der Häufigkeit der Waldbrände am Kilimanjaro bestätigen diese Tendenz. Die Temperatur spielt bei diesen Entwicklungen keine direkte Rolle. Dennoch sind die Ergebnisse in Zusammenhang mit der globalen Erwärmung des Weltklimas zu sehen. US-amerikanische Studien haben nämlich gezeigt, dass die globale Erwärmung in den Tropen vor allem zu einer Änderung des Wasserkreislaufs führt mit der Konsequenz, dass bestimmte Regionen weniger Niederschlag erhalten.
Auswirkungen auf die Bevölkerung
Die Auswirkungen auf die Bevölkerung in diesen Regionen, in denen die Land- und Viehwirtschaft dominante Wirtschaftsfaktor darstellen, sind gravierend. Weniger Wasser bedeutet weniger Ertrag und eine Verschlechterung der Lebensbedingungen. Die schrumpfenden Gletscher am Kilimanjaro sind ein warnender Hinweis für die voranschreitende Trockenheit, regen- und schneereiche Jahre wie 2006 leider eine Ausnahme. Die bisherigen Ergebnisse des Projekts waren mitentscheidend, dass das Naturschutzgebiet am Kilimanjaro kürzlich ausgeweitet wurde, um die illegale Abholzung der Wälder zu unterbinden. Diese hatte die dortige Trockenheit nämlich noch verstärkt.
Die Arbeiten zur Klimaänderung in den Tropen finden im Forschungsschwerpunkt Klima und Kryosphäre in der Arbeitsgruppe von Georg Kaser statt. Tomas Mölg ist für die Modellentwicklung und Simulationen zuständig, Nicolas Cullen, seit kurzem an der University of Otago, Neuseeland, tätig ist hauptverantwortlich für die Messungen. Neben der University of Massachusetts kooperieren die Innsbrucker Forscher auch noch mit dem Physik-Institut der Universität Bern, an dem globale Klimamodelle gerechnet werden. Finanziert werden die Arbeiten durch den österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und den Tiroler Wissenschaftsfonds. Bisherige Ergebnisse wurden in den Zeitschriften International Journal of Climatology, Journal of Geophysical Research und Geophysical Research Letters publiziert.