Der Entstehung des Lebens auf der Spur
Der britische Geowissenschaftler Donald Fraser beschäftigt sich mit einer breiten Palette von geochemischen Fragen und forschte schon in Japan, Deutschland und Frankreich. An seiner Heimatuniversität in Oxford hatte er im letzten Jahr eines der höchsten akademischen Ämter inne. Fraser war Senior Proctor, ein Begriff der sich etwa mit „Oberster Ombudsmann“ übersetzen lässt. In dieser Funktion war er für Beschwerden aller Art zuständig, entschied über allfällige Disziplinarmaßnahmen und kommandierte sogar eine eigene Wachmannschaft, die freilich seit einer Reform 2002 nicht mehr über die Kompetenzen der ehemaligen ‚Oxford University Police’ verfügt. Die Universität Oxford dankte Donald Fraser mit der Genehmigung eines Sabbaticals, eines Forschungssemesters, das er zunächst am renommierten Institute for Study of the Earth's Interior (ISEI) in Japan verbrachte und nun an der Universität Innsbruck fortsetzt.
Ursprung der biologischen Chiralität
Mit der Forschungsgruppe um Prof. Bernd Michael Rode verbindet ihn das gemeinsame Interesse an der sehr grundlegenden Frage nach dem Ursprung des Lebens. „Ich beschäftige mich seit etwa fünf Jahren mit Aspekten dieser Frage“, erzählt Prof. Fraser. „Das Team um Prof. Rode ist eine der weltweit führenden Forschungsgruppen zur Synthese von Peptiden in natürlicher Umgebung und zur Frage nach dem Ursprung von Polypeptiden. Prof. Rode war der Erste, der die Möglichkeit ins Spiel gebracht hat, dass diese Peptide bei der Entstehung des Lebens eine entscheidende Rolle gespielt haben könnten. Die Universität Innsbruck ist deshalb der ideale Ort, um solchen Fragen nachzugehen, sowohl in der Theorie als auch im Experiment“, streut der britische Wissenschaftler den Innsbrucker Chemikern Rosen. Fraser selbst forscht derzeit an einem faszinierenden Detail, für das die Wissenschaft bis heute keine Erklärung hat: dem Ursprung der biologischen Chiralität. „Wir bezeichnen damit ein Phänomen, das man am besten am Beispiel der menschlichen Hände erklären kann: Diese schauen zwar gleich aus, sind aber einmal nach rechts und einmal nach links orientiert, sozusagen spiegelbildlich. Das gibt es auch in der Welt der Moleküle. Die gleichen Peptide können in ihrem Aufbau einmal nach rechts und einmal nach links orientiert sein. Das Faszinierende dran ist, dass im menschlichen Körper nur jeweils eine der beiden Formen vorkommt. So sind fast alle Aminosäuren ‚linkshändig’ und alle Zucker ‚rechtshändig’“, erklärt Fraser. „Als Forscher wollen wir wissen, warum das so ist. Eine Antwort auf diese Frage könnte uns auch näher an den Ursprung des Lebens führen.“
Bereits erste Ergebnisse
In den vergangenen zwei Wochen führte Donald Fraser mit Unterstützung von DI Thomas Jakschitz und Dr. Daniel Fitz bereits vielversprechende Experimente am Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie durch, bei denen er im Labor schichtförmige Tonmineralien mit Aminosäuren versetzte. „Die Moleküle dringen in die winzigen Zwischenräume der Mineralien ein und an den Oberflächen kommt es zu katalytischen Prozessen“, schildert Fraser den Ablauf des Experiments. „Am Ende sind die rechtshändigen und die linkshändigen Moleküle getrennt.“ In zwei Wochen haben die Forscher in Tag- und Nachtschichten immerhin sieben Prozent dieser Moleküle voneinander geschieden. „In evolutionären Dimensionen ist das rasend schnell“, freut sich der Geowissenschaftler, dessen Verfahren nicht nur für die Frage nach dem Ursprung des Lebens von Interesse ist, wo es eine wertvolle Ergänzung der in der Arbeitsgruppe von Prof. Rode entdeckten Salzinduzierten Peptidbildungsreaktion ist, die ebenfalls einen Weg zur Biohomochiralität liefert. Auch die pharmazeutische Industrie könnte von Prof. Frasers Methode profitieren: Sie könnte damit chirale Moleküle schneller und leichter trennen und so Medikamente für den menschlichen Körper leichter verfügbar machen. Denn der kann nur eine der beiden Molekülversionen verarbeiten.
Seine Zeit in Innsbruck genießt der Wissenschaftler aus Oxford aber nicht nur wegen des idealen Forschungsumfelds, sondern auf wegen der schönen Umgebung. „Ich liebe es, am Morgen entlang des Inns zur Universität zu spazieren und die Berge auf beiden Seiten des Tales zu bestaunen“, erzählt er. Wenn die Laborarbeit es zulässt, ist Fraser deshalb auch auf der Skipiste anzutreffen. „Und eine Rodel habe ich mir auch schon gekauft“, schmunzelt der Brite. Noch bis Ende April wird er an der Universität Innsbruck forschen.