Stadt Innsbruck zeichnet universitäre Forschung aus
Bürgermeisterin Hilde Zach gratulierte den fünf WissenschaftlerInnen und betonte bei ihrer Ansprache, die Bedeutung von Bildung und dass sie immer zutiefst beeindruckt sei, was an der Universität Innsbruck alles passiert. Rektor Karlheinz Töchterle dankte der Stadt Innsbruck für ihr Engagement um die Forschungsförderung, wies aber in Hinblick auf die aktuelle budgetäre Situation auch darauf hin, dass Universitäten auch weiterhin auf die finanzielle und ideelle Unterstützung der Stadt und des Landes angewiesen sein wird.
Im Rahmen der Vorstellung der PreisträgerInnen unterstrich der Vizerektor für Forschung der Universität Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Tilmann Märk, die enge und verständnisvolle Zusammenarbeit mit der Stadt. Die preiswürdigen Arbeiten reichen diesmal von der Via Claudia Augusta über ein neues ethisches Modell für die Ökonomie, die sprachwissenschaftliche Erforschung von Redewendungen im Italienischen bis hin zur deutschsprachigen Exilliteratur in Israel und einer Aufsehen erregenden Ausgabe der Texte von Georg Trakl. Sie zeigen damit die große Vielfalt der geisteswissenschaftlichen Forschung an der Universität Innsbruck.
Die Via Claudia Augusta im Fokus
In seiner Habilitationsschrift “Die Via Claudia Augusta in Nordtirol – Methode, Verlauf, Funde” stellt Priv.-Doz. Mag. Dr. Gerald Grabherr (Institut für Archäologien) den Nordtiroler Abschnitt dieser römischen Reichstraße sehr grundlegend dar. Erstmals wird hier der gesamte Straßenverlauf zusammenhängend beschrieben. Dabei berücksichtigt Gerald Grabherr auch die, in den vergangenen Jahrzehnten neu entwickelten Forschungsmethoden der Dendrochronologie, der Paläobotanik und geophysikalische Untersuchungen, was zu neuen Erkenntnissen führt. Im Rahmen des Projektes ist eine umfassende Dokumentation der Altstraßenspuren im Gebiet vom Reschenpass bis zum Lech bei Füssen entstanden. Diese genaue Kartierung, die Fotografien und die detaillierten Geländemodelle bieten, gerade in einer Zeit rasanter Zerstörung von archäologischen Bodendenkmälern, eine wesentliche Grundlage für weitere Forschungsarbeiten. Darüber hinaus widmet sich Grabherr auch den umfangreichen archäologischen Kleinfunden, die erstmals mit Hilfe von Metalldetektoren und GPS-basierter Kartierung geborgen wurden und wichtige Anhaltspunkte zur Verkehrsdichte sowie zu verkehrs- und materialtechnischen Fragen liefern.
Wie kommt die Ethik in die Wirtschaft
Dieser interessanten Frage widmet sich die Habilitationsschrift von Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Guggenberger (Institut für Systematische Theologie). Nicht erst die jüngsten Ereignisse auf den Finanzmärkten lassen den Ruf nach mehr Ethik in der Wirtschaft wieder laut werden. Ausgehend von den Gedanken des Münchner Wirtschaftsethikers Karl Hormann, Wirtschaftsethik müsse sich den Regeln der Ökonomie beugen, um die Menschen nicht zu überfordern und der Wirtschaft nicht zu schaden, entwickelt Guggenberger das Modell der kalkulierten Vorleistung als Alternative. Hormann hält fest, dass Menschen überall dort, wo unterschiedliche Interessen aufeinander treffen, als rationale Nutzenmaximierer agieren. Daher könne man kein Verhalten erwarten, das mehr als nur strategisches Interesse am Mitmenschen entwickelt. So wird Wirtschaftsethik jedoch in die Rahmenordnung der Ökonomie verlagert und die Menschen in ihrem konkreten Handeln von sittlichen Ansprüchen entlastet. Für Guggenberger entlastet sich der Mensch dann aber auch von sich selbst, von Freiheit sowie von Verantwortungs- und Gestaltungsfähigkeit. Er schlägt daher das Modell der kalkulierten Vorleistungen vor, das zu einer lebensdienlicheren Gestaltung der Ökonomie führen könnte. Unter der Voraussetzung, dass Einzelakteure bewusst sittliche Verantwortung übernehmen und ihnen klar ist, dass Werte ihren Preis haben, ermöglicht sie die kreative Ausschöpfung bestehender ökonomischer Freiräume. Dies ist jedoch nicht ohne Einsatz und Risiko zu haben. Um jene Einsatz- und Risikobereitschaft zu fördern, empfiehlt Guggenberger die spirituellen Ressourcen zu nutzen, die die religiösen Traditionen und Gemeinschaften unserer Gesellschaft bieten.
Redewendungen als Subjekt von Fremdsprachenforschung
Mag. Dr. Christine Konecny befasst sich im Rahmen ihrer Dissertation mit so genannten “Kollokationen” im Italienischen, bestimmte Wortverbindungen oder Redewendungen, die von MuttersprachlerInnen meist als völlig “normal” angesehen werden und rein intuitiv richtig gebildet werden. Für FremdsprachlerInnen sind diese jedoch oft sehr tückisch, weil nur selten die Konzeptualisierung, das Bild, der einen Sprache mit der einer anderen übereinstimmt. Lernt man Italienisch sollte man beispielsweise wissen, dass ein Nagel eingepflanzt und nicht eingeschlagen wird, ein Stuhl nicht wackelt sondern hinkt, ein Zahn tanzt und nicht wackelt oder man einen Zug verliert und nicht verpasst. Die Arbeit von Christine Konecny ist die erste Monographie zu Kollokationen anhand von italienischen Beispielen. Sie ist auch eine der wenigen, die sich mit den semantischen und den begrifflichen Charakteristika dieses Typs von Wortverbindungen auseinander setzt. Den umfangreichsten und innovativsten Teil der Arbeit bildet die detaillierte empirische Auswertung eines reichen Datenmaterials auf der Basis semantisch-kognitiver Kriterien. Als Grundlage dafür dienen 16 ausgewählte Kollokationen des Italienischen, die Christine Konecny mit Hilfe der Suchmaschine Google im World Wide Web auf ihre jeweiligen Kontexte hin untersucht hat. Anhand dieser Analyse kann sie nachweisen, dass Kollokationen extrem dynamisch und einem ständigen Prozess der Modifikation ausgesetzt sind. Sie erweisen sich als vielschichtiges Phänomen, das nach unterschiedlichen Kriterien und auf der Basis unterschiedlicher Theorien untersucht werden muss, damit es als sprachliches Phänomen überhaupt fassbar wird. So gelangt Christine Konecny zu einer neuen Beschreibung und Klassifizierung der Kollaktionen.
Deutschsprachige ExilschriftstellerInnen in Israel
Die Dissertation von MMag. Dr. Bernadette Rieder (Institut für Germanistik) widmet sich sechs deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus Israel, die während der NS-Zeit vertrieben wurden. Anhand eines eigens dafür entwickelten Analyseinstrumentariums werden die Autobiografien von Max Brod, Lola Landau, Max Zweig, Anna Maria Jokl, Alcie Schwarz-Gardos und Willy Verkauf-Verlon untersucht. Die darin öffentlich gemachten Lebensdeutungen werden enthüllt und zu einander sowie zu den Paradigmen der Exilforschung – Heimatverlust und Identitätsbruch – in Beziehung gesetzt. Dabei generiert Bernadette Rieder im Rahmen ihrer Arbeit viel neues Wissen über die jeweils drei Schriftstellerinnen und Schriftsteller und über die Textgattung Autobiografie ganz allgemein. Darüber hinaus liefert sie zahlreiche Informationen zur deutschsprachigen Literatur und zur deutschsprachigen Einwanderung nach Palästina/Israel und stellt damit die sechs Autobiografien in einen gemeinsamen Kontext. Die Dissertation von Bernadette Rieder leistet neben dem Wert der Erinnerung einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gattungstheorie und zur literaturwissenschaftlichen Toposforschung.
Inside Georg Trakl
Die “Innsbrucker Trakl-Ausgabe” besteht aus fünf Bänden und wurde von Univ.-Prof. Dr. Eberhard Sauermann und Univ.-Doz. Dr. Hermann Zwerschina am Brenner-Archiv herausgegeben. Es handelt sich um eine historisch-kritische Edition der Texte Georg Trakls (1887-1914), der als bedeutendster Vertreter des österreichischen Expressionismus gilt. Sie liefert zu jedem einzelnen Text die vollständige Entstehungsgeschichte und die Überlieferungsgeschichte der Textzeugen. Die Herausgeber standen vor der Aufgabe die Arbeitsweise Georg Trakls zu studieren und ein Editionsmodel zu entwickeln, das dieser Arbeitsweise gerecht wird und dazu geeignet ist, den kreativen Prozess des Lyrikers Trakl in der Ein-Dimensionalität eines Buches abzubilden. Die Lösung dieses Problems gelang Mitherausgeber Univ.-Doz. Dr. Hermann Zwerschina, indem er den Entstehungsprozess der Texte in Textstufen und Absätze zergliedert und so für die BenutzerInnen der Ausgabe nachvollziehbar macht, wie Trakl sie zu Papier gebracht hat. Als ob man einem Maler über die Schulter blickt, wie er Pinselstrich an Pinselstrich setzt und sich davon zu weiteren Strichen und Farben inspirieren lässt, so wird in der “Innsbrucker Trakl-Ausgabe” sichtbar, wie die Gedichte Georg Trakls entstehen, wie erreichte Zwischenstufen Trakls weitere Arbeit am Text inspirieren. Dadurch lässt sich das sperrige, dunkle und schwer zugängliche Werk des Lyrikers jetzt leichter und besser verstehen. Darüber hinaus ist die „Innsbrucker Trakl-Ausgabe” auch eine Faksimile-Ausgabe, die sämtliche Handschriften Trakls, entsprechend bearbeitet, wiedergibt, sodass sie auch Menschen zugänglich werden, die, mangels Kenntnis, keine alten Schriften mehr lesen können. Diese Ausgabe ist die derzeit avancierteste textgenetische Edition und hat Vorbildcharakter für künftige historisch-kritische Ausgaben.
Neben den fünf HauptpreisträgerInnen wurden noch sieben Anerkennungspreise der Jury vergeben. Diese gingen an:
- Mag. Dr. Ellinor Forster Institut für Geschichte und Ethnologie für ihre Dissertation: "Handlungsspielräume von Frauen und Männern im österreichischen Eherecht. Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert zwischen Rechtsnorm und Rechtspraxis."
- Mag. Elisabeth Mayr, Institut für Germanistik für ihre Diplomarbeit: "Poetologie der Anagnorisis"
- Dipl.-Pädag. Dr. Michael Obermeier, Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre, für seine Dissertation: "Schifahren im Recht. Schitouren, Pistentouren und Variantenfahren ohne Limits?"
- Dr. Alexander Onysko, Institut für Anglistik, für seine Dissertation: "Anglicisms in German: Borrowing, Lexical Productivity, and Written Codeswitching"
- Dr. Enrique Rodrigues-Moura, Institut für Romanistik, für seine Dissertation: "Literarische Beziehungen zwischen der Iberischen Halbinsel und Brasilien: Interpretation und kritische Edition des literarischen Werks von Manoel Botelho de Oliveira (1636 - 1711)."
- Mag. Dr. Simone Paganini, Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie, für ihre Habilitation: "„Nicht darfst du zu diesen Wörtern etwas hinzufügen“. Die Rezeption des Deuteronomiums in der Tempelrolle: Sprache, Autoren und Hermeneutik."
- Mag. Gabriele Wild, Institut für Germanistik für ihre Diplomarbeit: "Schillernde Wörter"