Forschung im "Wohnzimmer" der Fische

Die steigende Nachfrage nach bestimmten Meeresfischen führt zu Fischfang und zu Fischzucht in großem Stil. Beides sind Faktoren, die natürliche Populationen bedrohen. Zoologen der Universität Innsbruck wollen mit ihren Grundlagenforschungen besonders das natürliche Vorkommen bestimmter Meeresfische bewahren.
Mit ihren Forschungen versuchen die Zoologen Erkenntnisse über die Verwandtschaftsver …
Mit ihren Forschungen versuchen die Zoologen Erkenntnisse über die Verwandtschaftsverhältnisse von Fischarten zu erhalten.

Seit drei Jahren untersucht Mag. Reinhold Hanel vom Institut für Zoologie und Limnologie der Universität Innsbruck gemeinsam mit Prof. Christian Sturmbauer bestimmte Arten von Meerbrassen und Lippfischen. Inhaltlich sind diese Forschungen international einzigartig. Beide "Fischfamilien" sind im Nordostatlantik und im Mittelmeer weit verbreitet und von großer ökologischer Bedeutung. Meerbrassen zählen im Mittelmeerraum zu den beliebtesten Speisefischen. Intensiver Fischfang hat aufgrund der steigenden Nachfrage zum Rückgang natürlicher Bestände geführt. Aus diesem Grund werden einzelne Arten, besonders die Goldbrasse, industriell gezüchtet.

"Trotz der Unkenntnis über ihre genaue systematische Stellung wurde dabei mittels Genmanipulation versucht, Ertragssteigerungen zu erzielen", so Hanel. Aufgrund der teilweise gängigen Praxis der Haltung dieser Zuchtfische in "Off-Shore"-Netzgehegen sei eine Vermischung von Zuchtfischen mit Fischen aus den natürlichen Populationen kaum zu vermeiden. Der Bestand natürlicher Populationen sei dadurch bedroht; mögliche Gefahren dieser unkontrollierten "Vermischung" seien nach den Angaben des Experten aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Daten gegenwärtig nicht abschätzbar. Neueste Untersuchungen zeigen unter anderem, dass durch den Einfluss der industriellen Fischerei bei manchen Arten Individuen mit bestimmter Erbmasse (Genotypen) abnehmen, andere dagegen in der Verbreitung zunehmen.

Genauer Stammbaum für die Fische

Mit ihren Arbeiten wollen die Zoologen die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den einzelnen Arten klären. Die bisherige systematische Ordnung basiert oft nur auf wenigen äußerlichen Merkmalen, wie etwa der Anordnung der Zähne von Fischen. Durch die genaue Untersuchung der Erbmasse einzelner Fische, der genetischen Varianten und der Verwandtschaftsmuster sind dadurch auch Korrekturen im Stammbaum der Fische zu erwarten. Die so gewonnenen Erkenntnisse geben letztlich auch Aufschluss über die Ursachen und Abläufe der Entstehung von neuen Arten. Dieses Forschungsziel trifft auch bei der zweiten Familie von Meeresbewohnern zu, die Hanel und Sturmbauer gegenwärtig untersuchen, den Lippfischen. Die Forschungen rund um diese mit zumindest 500 Arten weltweit zweitgrößte Familie von Meeresfischen führt zugleich zu den Risiken industrieller Fischzucht.

Natürlichen Bestand sichern

In großen Lachszuchten, etwa in Skandinavien, werden Lippfische zur biologischen Bekämpfung der "Lachslaus" eingesetzt, einer parasitischen Krebsart, die Lachse befallen kann. "Lippfische fressen diese Lachsläuse, die bei einer Kultivierung auf engem Raum massiert auftreten und schwere Verluste in Lachszuchten verursachen können", so Hanel. Es sei zwar vorteilhaft, dass nunmehr Lippfische zur Bekämpfung dieser Parasiten eingesetzt würden und nicht mehr Insektizide. Grundproblem ist aber nach Angaben des Zoologen, dass der Einsatz der Lippfische ohne Rücksicht auf ihre Herkunft erfolge. Oft würden über große Distanzen hinweg Lippfische zum Einsatz in Lachszuchten exportiert, was wiederum die natürlichen Bestände gefährden kann.



Dies ist ein Beitrag aus der UNIZEITUNG März 2001. Die "UNIZEITUNG. Das Journal der Universität Innsbruck" erscheint viermal jährlich als Wochenendbeilage der Tiroler Tageszeitung. Unter public-relations@uibk.ac.at können Sie kostenlos ein Exemplar der aktuellen UNIZEITUNG bestellen.