Gefährliches Rauschen

Umweltbelastungen durch den Straßenverkehr konnten europaweit zumindest bei einzelnen Schadstoffen verringert werden. Belastungen durch Lärm - vor allem durch Verkehrslärm - nehmen dagegen weiter zu. Wie eine Untersuchung in Tirol nun gezeigt hat, reagieren besonders Kinder sehr empfindlich auf Verkehrslärm.
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"Der typische mittelstarke Verkehrslärm kann bei Kindern zu Stress-Symptomen, wie erhöhtem Blutdruck, führen", so Prof. Peter Lercher vom Institut für Hygiene und Sozialmedizin der Universität Innsbruck. Lercher hat gemeinsam mit Prof. Gary Evans von der Cornell University die Auswirkungen des typischen mittelstarken Verkehrslärms auf Neun- bis Zehnjährige erforscht. Die Experten untersuchten seit 1998 insgesamt 115 Kinder aus dem Unterinntal zwischen Baumkirchen und Kundl. Eine Gruppe der untersuchten Kinder wohnte in einer Umgebung mit einer Geräuschkulisse unter 50 Dezibel, die zweite in einer Umgebung mit einem Lärmpegel über 60 Dezibel.

Blutdruck und Puls steigen

In Ruhe (in einem schallgedämmten Untersuchungswagen) wurden Stressindikatoren wie Blutdruck und Puls gemessen. Außerdem wurden im Nacht-Urin der Betroffenen Cortisol- und Adrenalin-Spiegel analysiert. Ergänzt wurde dies durch Fragebögen. Die Ergebnisse bezeichnet Lercher als "Besorgnis erregend". Kinder mit einer Belastung von mehr als 60 Dezibel - dies entspricht mittellauten Gesprächen oder einer durchschnittlichen Geschirrspülmaschine - zeigten einen höheren systolischen Blutdruck. Die Kinder aus der lärmbelasteten Gegend reagierten auch auf Testaufgaben mit einem höheren Puls. Dass die vermehrte Belastung des Herz-Kreislauf-Systems auf den Stressfaktor Lärm zurückzuführen ist, zeigten auch die erhöhten Werte an Stresshormonen im Urin. Die Lärmbelastung wirkt sich nach Angaben der Experten auch auf andere Aspekte der Gesundheit aus. Dies zeigten Fragebögen, die von Neun- bis Zehnjährigen ausgefüllt wurden, und die Ergebnisse zusätzlicher Motivationsaufgaben. Die untersuchten Kinder fühlten sich bei gleichem Lärmpegel stärker belästigt, waren im täglichen Leben gestresster und bei Leistungstests geringer motiviert als die Kinder aus der Vergleichsgruppe mit einer Belastung unter 50dB.

Besserer Lärmschutz nötig

"Täglicher Lärm wirkt als dauerhafter, versteckter Stress. Man kann nur versuchen ihn zu ertragen oder ihm auszuweichen. Kinder, die unter Lärm aufwachsen, ,erlernen' bestimmte Strategien für den allgemeinen Umgang mit Stress. Wenn sich Kinder bei Lärm aber hilflos fühlen, kann sich das auch auf andere Stress-Situationen übertragen", betont Lercher. Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass Kinder auf Lärm weniger empfindlich reagieren als Erwachsene. Dies ist jedoch nur teilweise richtig. Kinder wachen wegen Lärm in der Nacht zwar seltener auf, ihr Körper (Herz-Kreislauf und Hormone) reagiert aber weiterhin - wie bei Erwachsenen - auf die Geräuschbelastung. Lerchers Schlussfolgerung: Um Schlafstörungen und andere gefährliche Stresswirkungen zu vermeiden, sollten besonders die Bewohner von Transitgemeinden besser geschützt werden. Eltern sollten dafür sorgen, dass das Schlafzimmer abseits von Verkehrstraßen liegt. Hausaufgaben sollten Kinder dort erledigen können, wo sie nicht gestört werden. Der Experte beschäftigt sich seit 1984 mit der Erforschung von Gesundheitsrisiken durch Lärm in sensiblen Gebieten, wie dem Alpenraum. Lercher ist Mitglied der "International Commission on Biological Effects of Noise". Diese Gruppe von Forschern und Praktikern hat das Ziel, die öffentliche Gesundheit vor den nachteiligen Wirkungen des Lärms zu schützen.

Dieser Beitrag ist in der letzten Ausgabe der UNIZEITUNG, dem Journal der Universität Innsbruck, erschienen. Die UNIZEITUNG erscheint viermal im Jahr als Beilage der Tiroler Tageszeitung. Über public-relations@uibk.ac.at können Sie eine gedruckte Ausgabe der aktuellen UNIZEITUNG bestellen.