Geheimnisvolle Quantenzustände erstmals beobachtet
Das Zusammenspiel von drei Objekten mathematisch zu beschreiben, gilt in der Physik als schwere Aufgabe. So erwies sich schon die Berechnung der Umlaufbahnen von drei sich gegenseitig anziehenden Himmelskörpern seit den Entdeckungen von Johannes Kepler und Nikolaus Kopernikus als eines der schwierigeren mathematischen Probleme. Die Physiker sprechen deshalb auch vom Dreikörperproblem. Umso überraschender war es denn auch, als der Russe Vitali Efimov Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts Dreikörpersysteme in der Quantenwelt beschrieb, deren theoretische Lösung verblüffend einfach war. Er prophezeite, dass sich drei Teilchen unter Ausnutzung der quantenmechanischen Eigenschaften zu einem Objekt vereinen können, obwohl sie paarweise zu keiner Verbindung imstande sind. Noch erstaunlicher: Wenn man die Entfernung zwischen den Teilchen jeweils um den Faktor 22,7 vergrößert, ergeben sich unendlich viele solcher Efimov-Zustände. Seine scheinbar widersprüchlichen Vorhersagen wurden in den ersten Jahren von den Koryphäen der Physik zunächst stark angezweifelt. In den folgenden Jahrzehnten versuchten sich weltweit zahllose Forschungsgruppen an dem Nachweis dieser mysteriösen Quantenzustände. Das Interesse der Wissenschaft an diesem physikalischen Phänomen ist deshalb so groß, weil es laut Efimov universellen Charakter hat. So gilt das Gesetz in der Kernphysik, wo die so genannte starke Wechselwirkung für die Bindung der Teilchen in den Atomkernen verantwortlich ist, ebenso wie bei molekularen Verbindungen, die auf elektromagnetischen Kräften beruhen.
Weltweit erste Beobachtung
Am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck ist es Forschern um Rudolf Grimm und Hanns-Christoph Nägerl nun erstmals gelungen, diese Efimov-Zustände experimentell nachzuweisen und damit ein Stück Physik-Geschichte zu schreiben. Sie beobachteten dazu ein ultrakaltes Gas aus freien Cäsiumatomen, das bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ein Bose-Einstein-Kondensat bildet. Dieser neue Materiezustand hat quantenmechanische Eigenschaften und die Kräfte zwischen den einzelnen Teilchen können von den Innsbrucker Physikern sehr exakt kontrolliert werden. In den letzten Jahren haben sie in diesem Gas erstmals auch Moleküle gebildet. Mit Hilfe so genannter Feshbach-Resonanzen lassen sich die Abstände zwischen den Teilchen genau einstellen und so auch die Bedingungen für die Dreiteilchenbindung nach Efimov schaffen. Die entstehenden Efimov-Objekte werden dabei nicht direkt beobachtet, sondern indirekt durch einen starken Verlust von Teilchen nachgewiesen. „Wir können diese drei schwach aneinander gebundenen Teilchen nicht einfangen“, erläutert Prof. Rudolf Grimm. „Wir sehen sie aber indirekt als sehr drastischen Verlust von Teilchen in unserem ultrakalten Gas, wenn wir ganz bestimmte Magnetfelder anlegen. Ihr charakteristisches Verhalten zeigt sich dann in Efimov-Resonanzen. Eine solche Resonanz haben wir jetzt beobachtet.“
Auf der Suche nach weiteren Efimov-Resonanzen
„Der Efimov-Zustand ist ein schwer zu veranschaulichendes Phänomen, er gilt aber seit Jahrzehnten als eines der größten Geheimnisse der Quantenmechanik“, erzählt Hanns-Christoph Nägerl. „Das Interesse an unseren Daten ist deshalb in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auch enorm groß. Nun liegt es an den Theoretikern, mit unseren neuen Daten das Verständnis des Dreikörperproblems zu vertiefen.“ Die Innsbrucker Experimentalphysiker wollen unterdessen weiter mit ihren ultrakalten Cäsiumatomen experimentieren und noch andere Efimov-Resonanzen nachweisen. Sie werden dabei vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Europäischen Union unterstützt.