Quantenelite tagt in Innsbruck - Acht Nobelpreisträger nehmen teil
Innsbruck steht seit einigen Jahren immer wieder im Mittelpunkt des weltweiten Interesses, wenn es um neue Entwicklungen im Bereich der Quantenphysik geht. So hat Anton Zeilinger hier die ersten Teleportationen mit Photonen durchgeführt, Peter Zoller und Ignacio Cirac haben wegweisende Konzepte für zukünftige Quantencomputer präsentiert, Rudolf Grimm schuf die ersten Bose-Einstein-Kondensate aus Molekülen und Rainer Blatt gelang die erste Teleportation mit Atomen und das erste „Quantenbyte“. Dass die 20. Internationale Konferenz für Atomphysik in Innsbruck stattfindet, darf als Anerkennung für die internationale Bedeutung dieser wissenschaftlichen Leistungen gelten. Über 800 Forscherinnen und Forscher sind dem Ruf nach Innsbruck gefolgt und diskutieren bis 21. Juli die aktuellen Trends in der Atomphysik. Unter ihnen sind nicht weniger als acht Nobelpreisträger, die während der Konferenz über ihre Einschätzung der neuesten Entwicklungen sprechen werden.
Hochkarätige Gäste
An der Konferenz nehmen auch die drei Nobelpreisträger des Vorjahres teil: Theodor W. Hänsch aus München sowie Roy J. Glauber und John L. Hall aus den USA. Sie wurden für ihre Beiträge zur Entwicklung der auf Laser gegründeten Präzisionsspektroskopie ausgezeichnet. Damit lässt sich die Frequenz von Licht mit einer sehr hohen Genauigkeit messen. Heute ist diese Technik die Grundlage für die Entwicklung von zukünftigen Quantencomputern oder für die Arbeit mit kalten Atomen. Ebenfalls an der Tagung teilnehmen werden zwei Nobelpreisträger des Jahres 2001, Wolfgang Ketterle und Carl E. Wieman. Beide arbeiten in den USA und wurden für die Erzeugung der ersten Bose-Einstein-Kondensate aus Alkaliatomen ausgezeichnet. Wieman wird in einem öffentlich zugänglichen Vortrag über die Zukunft des naturwissenschaftlichen Unterrichts referieren und einen neuen Lehransatz vorstellen, der die Wissenschaft in ihrem Vertrauen auf objektive Daten, vorsichtiges Experimentieren und empirisch fundierten Grundregeln selbst zum Vorbild nimmt. Der Franzose Claude Cohen-Tannoudji und der Amerikaner William D. Phillips wurden 1991 für die Entwicklung von Methoden zum Kühlen und Einfangen von Atomen mit Hilfe von Laserlicht mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Für interessierte Laien wird William Phillips am Mittwoch einen Vortrag halten. Bei freiem Eintritt können sie sich vom Nobelpreisträger erklären lassen, was Albert Einstein und der absolute Nullpunkt mit dem Phänomen der Zeit zu tun haben. Mit Norman F. Ramsey (Nobelpreis 1989) und den Ehrengästen David Kleppner und David Wineland sind weitere herausragende Vertreter der Physik in Innsbruck zu Gast.
Forschung für die Zukunft
Die Konferenz steht ganz im Zeichen der aktuellsten Entwicklungen im Bereich der Quantenphysik. So gilt das gesamte Gebiet der kalten Moleküle derzeit als großes Thema. Ultrakalte fermionische Atome (Teilchen mit halbzahligem Drehimpuls) unterscheiden sich in ihren Eigenschaften fundamental von jenen der entsprechenden Bosonen (ganzzahliger Drehimpuls). Besonders wird dabei der Übergang von einzelnen Fermionen zu bosonischen Molekülen aus zwei Fermionen diskutiert werden. Große Bedeutung kommt auch dem Gebiet der Präzisionsspektroskopie zu. Hier geht es um die Messung von optischen Frequenzen, die auch eine extrem genaue Bestimmung von Naturkonstanten erlaubt. Dies wiederum ermöglicht die Verfeinerung von physikalischen Theorien und damit ein besseres Verständnis der Naturgesetze. Ein ebenso wichtiges wie spektakuläres Thema ist das Gebiet der Quanteninformation. Hier werden schon heute die Grundlagen für zukünftige Quantencomputer, die Quantenkryptographie und die Quantenkommunikation gelegt. Diese bei der Konferenz diskutierten Erkenntnisse der Grundlagenforschung werden auch nachhaltige Wirkungen auf die moderne Technologie haben. So wären Anwendungen wie satellitengestützte Navigationssysteme ohne exakte Lasertechnologie und das Wissen der Quantenphysik heute nicht möglich. „Aus unserer Forschung wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine neue Quantentechnologie entwickeln, die unsere Welt ähnlich radikal verändern wird, wie die Mechanisierung des 19. Jahrhunderts und die Elektrifizierung des 20. Jahrhunderts“, prophezeit Rainer Blatt.
„Schule“ für den Nachwuchs
Im Vorfeld der Konferenz fand eine einwöchige Sommerschule für junge Wissenschaftler statt. Dort unterrichteten etwa der früher in Innsbruck lehrende theoretische Physiker und jetzige Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, Ignacio Cirac sowie Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle die internationalen Nachwuchshoffnungen auf dem Gebiet der Quantenphysik. Unter ihnen sind auch zahlreiche Nachwuchshoffnungen aus den Arbeitsgruppen der Innsbrucker Professoren Rainer Blatt, Peter Zoller, Rudolf Grimm und Hans J. Briegel. An die sechstägige Konferenz schließt am kommenden Wochenende eine zweitägige Fachtagung für die Physik mit Ionenfallen an, ein Forschungsgebiet, das in Innsbruck mit großem Erfolg betrieben wird. Die letzte Internationale Konferenz für Atomphysik fand im Jahr 2004 in Rio de Janeiro statt, die nächste wird 2008 in den USA abgehalten.
Innsbruck ist eine Quanten-Hochburg
„Für uns ist es eine große Auszeichnung, dieses 'Fest der Physik' hier in Innsbruck austragen zu dürfen“, freut sich Rainer Blatt, der gemeinsam mit Peter Zoller und Rudolf Grimm für die Organisation der Konferenz verantwortlich zeichnet. „Österreich hat sich im letzten Jahrzehnt im Bereich der Quantenphysik weltweit einen Namen gemacht. Mit einem Spezialforschungsbereich des FWF, dem Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und den Bemühungen der österreichischen Universitäten ist es gelungen, eine kritische Masse für international erfolgreiche Forschung zu schaffen.“ Dieses exzellente Umfeld ist der Garant dafür, dass der wissenschaftliche Nachwuchs hier erfolgreich gedeiht. „Auch diese Konferenz zeigt das wieder einmal“, so Blatt. „Gleich mehrere unserer Nachwuchswissenschaftler haben ihre Forschungsprojekte in diesem hochkarätigen Umfeld präsentiert.“ Den Jungforschern, die auch viel für die professionelle Organisation der Konferenz geleistet haben, gilt deshalb sein besonderer Dank.