Experimentelle Ökonomie: Warum Sie Kindern und Teams nicht trauen sollten
Geschäftsbeziehungen gründen auf einem bis dato grundlegend unterschätztem Faktor; dem gegenseitigen Vertrauen
Finanzwissenschafter Prof. Matthias Sutter eröffnete den ZuhörerInnen bei seiner Antrittsvorlesung interessante und verblüffende Einblicke in die Welt der Wirtschaftswissenschaften. Der ehemalige Student der LFU Innsbruck und schon mehrfach für seine Forschungstätigkeit ausgezeichnete Volkswirt präsentierte die Ergebnisse seiner Studien im Bereich der experimentellen Ökonomie: Geschäftsbeziehungen gründen auf einem bis dato grundlegend unterschätztem Faktor; dem gegenseitigen Vertrauen
Der Mensch- ein Egoist?
In der Wirtschaft und Soziologie gehören Menschen neben der Gruppe des Homo Sapiens auch noch einer weiteren an: Der des Homo Oeconomicus. Das theoretische Modell des Homo Oeconomicus besagt, dass der Mensch alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten abwägt und sich dann für jene entscheidet, die ihm den maximalen materiellen Nutzen verspricht. Innerhalb geschäftlicher Beziehungen würde das bedeuten, dass jede Partei bei der Geschäftsabwicklung nur auf ihren Profit ausgerichtet handelt.
Vertrauen als Basis aller Geschäfte
Für die internationalen Finanzmärkte mag das Modell des „Homo Oeconomicus“ brauchbare Vorhersagen liefern, bei langjährigen Geschäftsbeziehung liegt es jedoch im Interesse beider Parteien, dass das Geschäft für beide positiv ausfällt.
Prof. Matthias Sutter, der sich in seinem Leben neben den Wirtschaftswissenschaften auch dem Studium der Theologie widmete, zeigt mit seinen „Experimentellen Analysen von Vertrauen“, dass die Entscheidungsfindung dabei nicht nur von Egoismus und Nutzensmaximierung beeinflusst wird, sondern dass auch der Faktor Vertrauen eine ganz entscheidende Rolle beim Zustandekommen von Vertragsabschlüssen spielt.
Eine geschäftliche Beziehung wird dann eingegangen, wenn beide Beteiligten davon ausgehen, dass der jeweils andere den Vertrag auch erfüllen wird. Als "Sicherheitsnetz" fungiert hierbei das Vertrauen in das Rechtssystem - das Wissen, dass nicht eingehaltene Verträge einklagbar sind.
Der gebürtige Vorarlberger, der sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene einen hervorragenden Ruf als Ökonom, Forscher und Professor genießt und zu den aktivsten Volkswirten im deutschsprachigen Raum zählt, gab seinem Vortrag das Format eines Theaterstückes. In fünf Akten, einem Prolog und einem Epilog präsentierte der passionierte Laienschauspieler seinem Publikum Inhalt, Verwirklichung und Ergebnis seiner Untersuchungen. Das von ihm und seinem Forschungspartner Martin Kocher konzipierte „Vertrauensexperiment“, an dem über 600 Probanden verschiedener Altersgruppen- von achtjährigen Kindern bis zu siebzigjährigen Pensionisten - teilnahmen, kam zu folgenden Ergebnissen: Kinder vertrauten ihrem Geschäftspartner am wenigsten, alte Leute hatten am meisten Vertrauen. Teams wird generell weniger Vertrauen als Einzelpersonen entgegengebracht.
Das Kind ein Homo Oeconomicus
Prof. Matthias Sutter folgert daraus, dass Vertrauensfähigkeit genauso wie Vertrauenswürdigkeit mit dem Lebensalter zunimmt. Das Verhalten von Kindern entspricht dem Modell des Homo Oeconomicus. „Sie gehen kein Risiko ein und agieren frei nach dem Motto `Was man hat das hat man` “, erklärt Matthias Sutter. „Ältere Menschen haben jedoch im Laufe ihres Lebens gelernt, dass sich Vertrauen auszahlt und von ihrem Geschäftspartner dementsprechend honoriert wird.“
Schließlich verabschiedete der Finanzwissenschafter nach exakt neunzig Minuten Theaterstück seine Zuhörer mit den passenden Worten: „Und an dieser Stelle möchte ich Ihr Vertrauen honorieren, dass Sie mir als Vortragenden entgegenbringen und Sie rechtzeitig zum Buffet entlassen.“