Mögliche Antwort auf bislang ungeklärte Frage der Evolution gefunden
Von den meisten Aminosäuren existieren in der Natur verschiedene räumliche Strukturen. Diese Eigenschaften verdanken sie einem chiralen Zentrum, das vier unterschiedliche Substituenten hat. Dabei unterscheidet man eine D-Form (von dextro, rechts), und eine L-Form (von laevo, links). D- und L-Formen lassen sich nicht ineinander überführen - das merkt jeder, der schon einmal den falschen Handschuh angezogen hat.
Die Natur bedient sich bei allen Lebewesen nur einer der spiegelbildlichen Formen von optisch aktiven Aminosäuren, nämlich der, die das polarisierte Licht nach links, d.h. gegen den Uhrzeigersinn dreht. Bei Zuckermolekülen wird hingegen die rechtsdrehende D-Form herangezogen.
Die Exklusivität optischer Isomere ist für das Funktionieren der biochemischen Prozesse bzw. Strukturen unerlässlich, beispielsweise bei der Proteinsynthese, doch könnte ebenso ein System von D-Aminosäuren und L-Zuckern dieselbe Aufgabe erfüllen. Das Phänomen der praktisch ausschließlichen Nutzung von L-Aminosäuren ist auch als „Biohomochiralität“ bekannt. Über die möglichen Ursachen dieser Biohomochiralität wurden bereits zahlreiche Hypothesen aufgestellt. Bisher konnte keine endgültige Erklärung für dieses Phänomen gefunden werden.
Forscherteam hat mögliche Lösung für eines der größten „Evolutions-Rätsel“
Die Forschergruppe „Chemische Evolution“ der Theoretischen Chemie der LFU Innsbruck, rund um Prof. Bernd-Michael Rode, konnte nun durch Experimente, die das Geschehen auf der Urerde simulieren, zeigen, dass die von ihnen in den Achtziger-Jahren entdeckte „Salzinduzierte Peptidbildungsreaktion“ (SIPF, 'Salt Induced Peptide Formation'), bei bestimmten Aminosäuren eben diese linksdrehende Form bevorzugt. „Dies kann über die Jahrmillionen der chemischen Evolution zur beobachteten Homochiralität geführt haben, denn die SIPF-Reaktion war höchstwahrscheinlich für die Entstehung der ersten Eiweißstoffe auf der Urerde verantwortlich.“, erklärt Prof. Rode.
Die SIPF-Reaktion war bereits als plausibelster Weg zu den ersten Proteinen im Urerde-Szenario vor ca. 3.8 Milliarden Jahren aufgezeigt worden. Es konnte eine große Übereinstimmung der bei dieser Reaktion entstehenden Aminosäure-Sequenzen mit denen in den Proteinmembranen der ältesten noch existierenden Lebewesen, der Archaea, festgestellt werden. Die Erkenntnis der Forschergruppe liefert einen weiteren wichtigen Baustein für die Rekonstruktion der chemischen Evolution von einfachen Gasmolekülen über eine „Ursuppe“ hin zu den ersten Lebensformen.
Prof. Bernd-Michael Rode konnte mit seinem internationalen Forscherteam die wahrscheinlichste Ursache für die Bevorzugung der L-Aminosäuren durch quantenmechanische Berechnungen eruieren: „Als eine mögliche Erklärung für diese Bevorzugung gilt das Zusammenwirken der Paritätsverletzung der schwachen Kernkraft mit einem chemischen Verstärkermechanismus in dem für die Verknüpfung der Aminosäuren bei der salzinduzierten Peptidbildung verantwortlichen Kupferkomplex. Es ist uns im Fachbereich Theoretische Chemie nun auch gelungen, durch erste quantenmechanische Berechnungen dieser Komplexe mit verschiedenen Aminosäuren diese Annahme zu untermauern. Durch diese Forschungen wurden uns aber auch deutliche Hinweise geliefert, warum nur ein Teil der Aminosäuren diese L-Präferenz zeigt.“ Besonders die auf der Urerde am leichtesten und häufigsten gebildeten Aminosäuren wie Alanin zählen zu dieser Gruppe, was den kontinuierlichen „Vormarsch“ der L-Aminosäuren auf dem Weg zur Biohomochiralität verständlich macht.