E-Commerce the Wikipedia Way: Forschungsprojekt „myOntology“ prämiert
Bisher ist die Suche nach Produkten und Dienstleistungen im World Wide Web nicht zufrieden stellend gelöst: Wer mit Google nach Angeboten sucht, findet nicht alle relevanten Anbieter und landet andererseits oft auf ungeeigneten Seiten. Die LFU Innsbruck und die drei österreichischen Unternehmen SystemOne, Smart Information Systems, SIEMENS Austria sowie AUSTRIAPRO haben nun ein Forschungsprojekt „myOntology“ begonnen, das diesen Missstand beheben soll. Der Clou dabei: Man verwendet die Technik und Kultur von Wiki, um das nötige Vokabular für Typen von Gütern und ihre Eigenschaften von den Nutzern selbst weiterentwickeln zu lassen. Dieser hohe Innovationsgehalt wurde nun mit dem zweiten Platz bei der Prämierung der besten FIT-IT Projekteinreichungen belohnt.
Ohne Zweifel ist das Web für viele Branchen einer der wichtigsten Kanäle zur Anbahnung von Geschäften. Dabei ist die Suche nach geeigneten Angeboten und Anbietern ein zentraler Schritt. Leider eignen sich konventionelle Suchmaschinen wie Google nur unzureichend dazu, Produkte und Dienstleistungen zu finden. Das hat mehrere Gründe. Erstens erfordert die Beschreibung von Produkten einen hohen Grad an Details. Zum Beispiel wollen Nutzer nicht nur nach groben Kategorien („Mobiltelefon“, „Wäschetrockner“,...) suchen, sondern ihre Suchanfrage meist auch durch gewünschte Produktattribute weiter präzisieren (z.B. ein Fernsehgerät suchen, das weniger als 3 kg wiegt und sowohl mit 12 als auch 220 Volt betrieben werden kann). Zweitens werden meistens mehrere natürliche Sprachen verwendet, wie Deutsch oder Englisch. Außerdem bereiten typische Hürden textbasierter Suche größere Schwierigkeiten, zum Beispiel Synonyme (z.B. Streichholz und Zündholz) und Homonyme (das Wort Bank kann Sitzgelegenheit sowie Bankinstitut bedeuten). Drittens können Produkte anhand mehrerer verschiedener Perspektiven beschrieben und gesucht werden, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Beschaffenheit oder hinsichtlich ihrer möglichen Verwendung. Diese drei Aspekte zusammen sorgen dafür, dass die Suche nur nach Schlagwörtern, die von einer Suchmaschine auf entsprechenden Webseiten gefunden werden, nicht ausreicht.
Wundermittel „Ontologien“
Als Lösung für solche Suchprobleme sind seit einigen Jahren so genannte „Ontologien“ im Gespräch. Dabei handelt es sich im Prinzip um ein strukturiertes Wörterbuch relevanter Kategorien und Eigenschaften. Der Clou dabei ist, dass die Bedeutung einzelner Elemente und die Beziehungen zwischen den Elementen in einer formalen, also computerverständlichen Sprache spezifiziert sind. Damit kann ein Rechner dann intelligente Schlussfolgerungen ziehen, indem er implizites Wissen verwertet. Zum Beispiel kann er berücksichtigen, dass ein Skigebiet im Stubaital in Tirol liegt und bei der Suche nach Tiroler Wintersportorten relevant ist, auch wenn die Wörter „Tirol“ und „Wintersport“ auf der Seite selbst nicht vorkommen. Die Kombination von Ontologien mit Web-Seiten verspricht insgesamt die Zukunft des WWW zu bestimmen – dafür ist der Begriff „Semantic Web“ inzwischen weit verbreitet.
Man kann jedoch beobachten, dass ein zentrales Problem für „semantische“ E-Commerce-Lösungen das Fehlen aktueller Ontologien für Produkte und Dienstleistungen ist. Quantitative Analysen haben außerdem gezeigt, dass die ingenieurmäßige Konstruktion solcher Ontologien wegen fortwährender Produktinnovation zu langsam sein könnte. Der heute dominierende Weg, Ontologien von einer kleinen Gruppe kontrolliert entwickeln zu lassen, zeigt dabei erhebliche Schwächen. Zum Beispiel liegt die Weiterentwicklung der Ontologie außerhalb der Kontrolle der Anwender eben dieser Ontologie. Dadurch können fehlende Konzepte nicht durch denjenigen hinzugefügt werden, der diesen Bedarf zuerst erkennt. Stattdessen muss jede Ergänzung von der kleinen Gruppe der Ontologie-Entwickler vorgenommen werden. Dies verzögert die Weiter-entwicklung einer Ontologie; außerdem wird es wahrscheinlich, dass nützliches Feedback von Nutzern nicht geäußert wird oder verloren geht. Ferner können Anwender, die Webseiten mit Verweisen auf solche Ontologien versehen möchten, die Bedeutung eines Konzeptes nur schwer erfassen. Grundsätzlich besteht ein Mangel an Kommunikation zwischen den Entwicklern einer Ontologie und der größeren Nutzer-Community.
Learning from Wikipedia: Wikis als Werkzeug zum Entwurf einer standardisierten Fachsprache
Die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ ist einer der großen Überraschungserfolge des Webs: Ganz ohne Zugangskontrolle und offizielle Redaktion hat die Community eines der größten Nachschlagewerke der Menschheit geschaffen. Allein die deutschsprachige Variante enthält mehr als 500 000 Einträge von überraschend hoher Qualität. Im Projekt „myOntology“ wird versucht, die Technik und Kultur von Wikis zu adaptieren, damit Konsumenten selbst ein standardisiertes Vokabular für Produktkategorien und Produkteigenschaften gestalten und weiterentwickeln können. Die Arbeitsumgebung wird durch ein standardisiertes Framework für die Ontologie-gestützte Beschreibung von Produkten und Dienstleistungen ergänzt.
Hochkarätiges Konsortium
Die Koordination des Projektes liegt beim Digital Enterprise Research Institute (DERI) der Universität Innsbruck. Mit im Boot sind ferner die drei österreichischen Unternehmen SystemOne (Innsbruck und Wien), Smart Information Systems (Wien), Siemens Austria (Wien) sowie AUSTRIAPRO (Wien). Die fachliche Leitung übernimmt Dr. Martin Hepp, der die Forschungsgruppe „SEBIS“ (Semantics in Business Information Systems) am DERI gegründet hat und leitet.
Gefördert und prämiert von der FFG/ BMVIT
Das Projekt wird vom BMVIT und der FFG im Rahmen der FIT-IT-Förderlinie “Semantic Systems” unter der Projektnummer 812515/9284 mit 417.000 Euro gefördert und hat eine geplante Dauer von 24 Monaten. Am 16. Jänner fand in Wien die Prämierung der besten Projekteinreichungen „Höchstleistung, bitte!“ statt. Mit dem Impulsprogramm FIT-IT will das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Anstoß zu Spitzenleistungen in der Forschung geben. myOntology gewann aufgrund der besonders innovativen Ideen den zweiten Platz.