Zwischen Frust und Leidenschaft – die Blüten der Kundenbindung
Vor ein paar Jahren führte die deutsche Bahn ein Kundenbindungsprogramm ein, das – ähnlich wie die Frequent Flyer Programme der Airlines – darauf ausgerichtet war Punkte für zurückgelegte Kilometer zu sammeln. Da die Schwelle für den erreichbaren Sonderstatus allerdings beinahe unerreichbar hoch lag und die damit verbundenen Zusatznutzen von den teilnehmenden Kunden als unverhältnismäßig gering empfunden wurden, entwickelte sich das Programm bald zu einem Kunden-Frustrationsprogramm. Wie es zu dieser Kundenfrustration kommt und welche Folgen sie für Unternehmen haben kann, zeigte der deutsche Dienstleistungsexperte Bernd Stauss (Katholische Universität Eichstätt-Inglostadt) vergangene Woche eindrucksvoll auf. Allison Johnson (Queen’s Business School, Kanada) belegte, dass Verfehlungen wie öffentliche Skandale seitens eines Unternehmens die Beziehung von Konsumenten zu diesem beeinträchtigen können. Besonders die Fehltritte (auch solche aus ihrem Privatleben) von Managern, die stark mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht werden, haben einen negativen Effekt auf den Unternehmenserfolg.
Die positiven Seiten von Kundenbindungen hob Eva Thelen (Institut für Strat. Management, Marketing & Tourismus) hervor. Sie stellte Forschungsergebnisse zur Bindung von Konsumenten an Handelsmarken vor und zeigte wie Händler auf die verschiedenen Bindungsarten ihrer Kunden eingehen können um deren Bindung weiter zu festigen. Interessante Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte mit Susan Fournier in denen die Rolle der individuellen Attachment-Stile von Kunden in kommerziellen Beziehungen untersucht wird, gewährte Marcel Paulssen (Humboldt Universität, Berlin).
Simon Nyeck (ESSEC, Frankreich), der als Dekan des Masterprogrammes für Luxury Brand Management vorwiegend im Bereich der Luxusmarken forscht, erläuterte anhand semiotischer Analysen wie bestimmte Marken durch die Geschichten und Archetypen, welche sie verkörpern, für bestimmte Konsumentengruppen zu Objekten der Begierde werden. In Bezug auf Produkte präsentierte Ruth Mugge (Delft University of Technology, Niederlande) wodurch Produkt-Attachment hervorgerufen und begünstigt wird, und wie es sich im Zeitverlauf entweder abschwächen oder verstärken kann. Wie Konsumenten selbst enge emotionale Beziehungen erleben und zu welchen teilweise extrem erscheinenden Handlungen ihre Leidenschaft sie treibt, schilderte Elisabeth Pichler vom Marketing-Team des Instituts für Strategisches Management, Marketing und Tourismus.
Einen kritischen Blick auf die Bewertung von Marken samt der dazugehörigen Messmethoden im Marketing warf Matthew Thomson (Queen’s Business School, Kanada). Er schlug vor die Stärke der Kundenbindungen als wichtigen Indikator für den Erfolg einer Marke zu berücksichtigen. Aus Sicht der Sozialpsychologie beleuchteten Robert Schorn (Institut für Strat. Management, Marketing & Tourismus) und Willi Geser (Institut für Psychologie, LFU) die Ursprünge des Attachment-Konstrukts und verwiesen auch auf die Grenzen seiner Anwendbarkeit.
Lebhafte Diskussionen und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema zeugten nicht nur vom Engagement der TeilnehmerInnen, sondern auch vom hohen Forschungspotential in diesem Bereich. Prof. Hans Mühlbacher, der Vorstand des Instituts für Strategisches Management, Marketing und Tourismus, und die Organisatorin Eva Thelen zeigten sich vom großen Anklang der Veranstaltung begeistert. Der Workshop soll künftig in einem zweijährigen Rhythmus abgehalten werden. Das nächste Mal findet er unter der Leitung von Allison Johnson und Matthew Thomson an der Queen’s University in Kingston/Ontario (Kanada) statt.