Das (neue) Unbehagen in der Kultur und seine Folgen für die Psychoanalytische Pädagogik
40 führende WissenschaftlerInnen aus Österreich, Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz kamen im Universitätszentrum Obergurgl zusammen, um vor allem über die Frage zu diskutieren, wie Freuds berühmte Schrift aus dem Jahr 1930 „Das Unbehagen in der Kultur“ auf die heutige Zeit übertragen zu lesen wäre und welche Folgen sich draus für die Psychoanalytische Pädagogik ergeben.
Die in dieser Schrift enthaltenen Thesen zur Kultur- und Gesellschaftsentwicklung, die in ihrer Kritik an Technikentwicklung, Rastlosigkeit, Verleugnung von Sterben und Tod, rücksichtsloser Ausbeutung der Natur (und deren Rückschläge in Form von Katastrophen!) sind teilweise von hoher Aktualität.
Standen zu Freuds Zeiten angstmachende Triebunterdrückung und die daraus folgenden Aggressionen und Schuldgefühle im Mittelpunkt, so muss die Analyse der heutigen Kultur neue Zumutungen und Belastungen der Subjekte – von Kindheit an über den Prozess des Heranwachsens bis zum Alter - feststellen. Grenzenlose Mobilität, Individualismus, Erfolgsdruck und Pluralisierung der Lebensentwürfe sind nur einige Faktoren der Verunsicherung, die heutige Subjektwerdungsprozesse kennzeichnen. Zur Frage der bewussten und v.a. der unbewussten Verarbeitung dieser Belastungen – so waren sich die ExpertInnen einig – leistet die psychoanalytische Pädagogik einen unverzichtbaren und originellen Beitrag für die Erziehungswissenschaft, der durch keine andere ihrer Teildisziplinen zu ersetzen ist.
Der Einsatz psychoanalytischer Konzepte in der Pädagogik war von Freud als „die vielleicht wichtigste Anwendung“ seiner Lehren bezeichnet worden. Österreich hat hier – vor allem in Gestalt der Tochter Freuds, Anna Freud – eine große wissenschaftliche Tradition, die allerdings an den Universitäten kaum repräsentiert ist. Anders in Innsbruck, wo seit 2005 am Institut für Erziehungswissenschaften unter der Leitung von Prof. Aigner zu diesen Themenbereichen gelehrt und geforscht wird.