Europa und der transnationale Terrorismus
Die Konferenz wurde vom Institut für Politikwissenschaft und der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie organisiert.
Spätestens seit den terroristischen Attentaten von Madrid 2004 und London 2005 müssen die Staaten Europas erkennen, dass die Bedrohung durch den vor allem islamistisch geprägten Terrorismus nicht nur die USA direkt betrifft. Vor allem auch Deutschland und Österreich müssen sich nach der Aufdeckung geplanter Anschläge und Drohvideos von der Vorstellung verabschieden, eine „Insel der Seeligen“ zu sein.
Dieses erhöhte Bedrohungspotential spiegelt sich auch in der öffentlichen Meinung vieler EuropäerInnen. Während noch vor gut einem Jahr der Terrorismus als weniger dringende Bedrohung wahrgenommen wurde, zeigt die letzte Ausgabe (2007) der jährlich erscheinenden Studie „Transatlantic Trends“ ein Anstieg in der Wahrnehmung des transnationalen Terrorismus als sicherheitspolitische Herausforderung. Magnus Ranstorp (Center for Asymmetric Threat Studies, Schweden), der Keynote-Speaker der Konferenz, unterstrich daher in seiner Rede auch die wachsende Gefahr für Europa. Besonders das Internet als Möglichkeit des „collective global brainstorming“ wurde von ihm als Gefahrenquelle identifiziert, aus der sich für Terroristen einfache Vernetzungs- und Informationsmöglichkeiten ergeben. Ein zentraler Aspekt der Bekämpfung des Phänomens ist aus seiner Sicht das stete Bemühen der Staaten und ihrer Gesellschaften, den terroristischen Diskurs zu dekonstruieren und zu entmystifizieren.
Fernando Reinares (König Juan Carlos Universität Madrid) wies in seinem Kurzreferat auf die islamistische Radikalisierung in Spanien und dem Maghreb hin, welche nicht nur eine direkte Bedrohung für Spanien sondern für ganz Europa sei. Die Konsolidierung der al-Qaeda im Maghreb und ihre über die EU verstreuten unterschiedlichen Netzwerke seien ein alarmierendes Signal, dass mögliche Attentate auf Europa nicht eine Frage des „werden solche Anschläge erfolgen“, sondern eine Frage des „wann werden sie erfolgen“ sei.
Ulrich Schneckener (SWP-Berlin) warnte in seiner Rede davor, Begriffe wie „homegrown terrorism“ zu unkritisch zu übernehmen, betonte jedoch, dass die zunehmende Transnationalisierung des Phänomens die Gefährdung weiter erhöht, einer Beobachtung, der auch Kurt Hager (Bundesministerium für Inneres) in seinem Beitrag zustimmte. Seiner Meinung nach wird die Bedrohungslage kurz-, mittel- und langfristig hoch bleiben und die Gefahr durch „homegrown terrorism“ weiter steigen.
Im zweiten Teil der Konferenz, indem es vor allem um die Reaktion Europas auf diese Herausforderungen ging, stellte Victor Mauer (ETH Zürich) fest, dass eines der größten Probleme bei der Bekämpfung des Terrorismus das Erstellen von eindeutigen Profilbildern möglicher Attentäter sei. Mit Blick auf Deutschland kritisierte er einen fehlenden umfassenden Ansatz im Bereich des „counter-terrorism“ und machte dafür unter anderem verfassungsrechtliche Schranken verantwortlich. Obwohl durch zahlreiche Entwicklungen seit dem 11. September auf operativer Ebene einiges unternommen worden sei, brauche Deutschland wie kein anderes Land eine verstärkte internationale Kooperation, um mit den sicherheitspolitischen Herausforderungen fertig zu werden.
Wyn Rees (Universität Nottingham) unterstrich diesen letzten Punkt, indem er auf die Bedeutung internationaler Kooperation im Kampf gegen diese transnationale Herausforderung einging und die transatlantische Kooperation als Vorbild für ein mögliches globales Rahmenwerk im Kampf gegen den Terrorismus zur Diskussion stellte.
Die vor allem auch von studentischer Seite gut besuchte Konferenz brachte Forscher aus der europäischen Spitzenforschung zusammen und gab ihnen sowie den Organisatoren die Möglichkeit einer noch stärkeren Vernetzung. Mit der für April/Mai 2008 geplanten Herausgabe eines Sammelbandes wurde damit wieder unter Beweis gestellt, dass der politikwissenschaftlichen Sicherheitsforschung ein besonderer Stellenwert an der Universität Innsbruck eingeräumt wird.